Montag, 26. Dezember 2016

Gurufocus - Das Paradies für preisbewusste Kennzahlenfetischisten

Gurufocus - Das Paradies für preisbewusste Kennzahlenfetischisten

Ein Leser hatte mich gefragt, woher ich meine Finanzdaten bekomme. Im Blogbeitrag 'Mein Investmentprozess' war ich auf dieses Thema schon einmal eingegangen. Im Allgemeinen lese ich in Blogbeiträgen oder aber auf Finanzwebseiten zum ersten Mal über interessante Unternehmen. Dann nutze ich die Webseite Gurufocus, um mir einen schnellen Überblick über die Finanzkennzahlen des Unternehmens zu verschaffen. Nur, wenn diese diesen Schritt erfolgreich überstehen, beschäftige ich mich näher mit ihnen, trage aus den veröffentlichten Geschäftsberichten selbst die für mich interessanten Zahlen zusammen, nehme eine Bewertung vor und schreibe ggf. einen Blogbeitrag.

In diesem Artikel wollte ich einmal die Möglichkeit ergreifen, euch die Webseite Gurufocus genauer vorzustellen. Eins vorweg: Die Links zu Gurufocus sind Affiliate-Links. Es gibt zwar einen sehr umfangreichen kostenpflichtigen Zugang (All-Inclusive-Zugang würde aktuell wohl um die 2700 $ kosten), aber auch der kostenfreie Basiszugang bietet viele extrem hilfreiche Funktionen, welche diese Webseite für mich zum perfekten Ausgangspunkt für Unternehmensanalysen macht. Ich wollte selbst einmal eine Webseite für Finanzdaten erstellen, habe aber wegen Gurufocus davon Abstand genommen, da diese bereits ein meiner Meinung nach perfektes Angebot haben und 'meine' Webseite nur ein billiger Abklatsch wäre. Seit ich auf sie aufmerksam geworden bin, weiß ich, dass man als Amateurinvestor keinen teuren Bloomberg-Zugang benötigt.

Was ist Gurufocus?
Gurufocus ist eine englischsprachige Webseite, die in 2004 von Dr. Charlie Tian gestartet wurde. Dieser hatte sich im Zuge der DotCom-Blase bei Aktieninvestments ein wenig verbrannt. Wie viele andere (mich eingeschlossen) kam er dann über Bücher mit dem Value Investing in Berührung und anschließend auf die Idee, professionellen Investoren wie z.B. Warren Buffett nachzueifern. So wurde Gurufocus geboren. Im Laufe der Zeit verfeinerte er sein Angebot und neben vielen Artikeln zu Unternehmen oder allgemeinen Finanzthemen findet man auf Gurufocus auch hilfreiche Funktionen wie Kennzahlenübersichten, DCF-Rechner, Branchenlisten, Chart-Tools, einen mächtigen Screener, Datenexport, Übersichten zu Insideraktivitäten, eine super Watchlistenfunktionalität und eben vor allem auch eine Übersicht darüber, was welche 'Gurus' zuletzt ge- und verkauft haben.

Registrierung
Als erstes sollte man sich bei Gurufocus registrieren, da sonst relativ oft entsprechende 'Sie sind noch nicht eingeloggt'-Popups kommen. Die Registrierung kann man im rechten oberen Bereich vornehmen. Testweise kann man auch einen kostenlosen 7-Tages-Vollzugang beantragen. Mit diesem bekommt man für 7 Tage uneingeschränkten Zugriff auf deren Daten und Screener. Mit dem eingeschränkten Zugang sieht man nur die Daten der letzten 4 Jahre (statt der letzten 15 Jahre), nur von in Amerika gehandelten Unternehmen und auch die Screenerergebnisse sind 'anonymisiert'. Ich persönlich finde den Basiszugang aber dafür, dass er kostenlos ist, trotzdem extrem gut. Als Screening-Alternative bietet sich übrigens der Google Finance Screener an.

Unternehmenssuche
Links oben kann man den Unternehmensnamen (z.B. Volkswagen) oder aber das passende Symbol (z.B. AAPL für Apple Inc.) eingeben. Bereits während der Eingabe wird ein passendes Ergebnis vorgeblendet und man kann entscheiden, welche Seite man angezeigt bekommen möchte. Kleiner Tipp: für viele ausländische Unternehmen bekommt man im Basiszugang keine Daten angezeigt, da dafür eine passende Global-Mitgliedschaft benötigt wird. Hier muss man nach dem Unternehmen suchen und dann aus der Ergebnisanzeige den OTCPK-Eintrag wählen (siehe rote Umrahmung in Screenshot). Dann landet man auf der OTC (over the counter)-Seite des entsprechenden Unternehmens. Die Zahlen sind dann zwar in US-Dollar, aber das macht im Allgemeinen nichts, da das KGV oder die Renditen ja unabhängig von der Währung sind.

Unternehmensübersichtseite
Wählt man im Ergebnis 'Summary' bzw. wechselt auf den entsprechenden Reiter Summary, so kommt man zur passenden Übersichtsseite für das Unternehmen. Hier kann man rechts oben den Kursverlauf sehen und auch aktuelle Werte wie Marktkapitalisierung, KGV, Enterprise Value, KBV, Eigenkapitalrendite, Gesamtkapitalrendite, Dividendenrendite, Schätzungen, Peter Lynch-Chart... Im unteren Bereich wird eine kurze Unternehmenszusammenfassung angezeigt (Business Description) und zusätzlich gibt es dort auch einen Link zur entsprechenden Branche (Industry). Klickt man diesen an, so bekommt man weitere Unternehmen aus der gleichen Branche, was für Konkurrenzanalysen ganz hilfreich ist.

Guru Trades
Auf dem Reiter Guru Trades bekommt man angezeigt, welche 'Gurus' zuletzt Aktien des Unternehmens gehandelt haben. Die Daten dazu sind in vielen Fällen den entsprechenden SEC-Filings entnommen. Gurufocus arbeitet aber teilweise auch mit 'Gurus' zusammen, so dass diese ihre Trades zeitnäher kommunizieren. Da ich persönlich weniger anderen Investoren oder aber Gurus nacheifere, bin ich auf diesen Seiten nicht so oft unterwegs. Interessant sind die entsprechenden Informationen aber allemal. Beim Klick auf einen der Gurus bekommt man übrigens auch angezeigt, welche Trades dieser zuletzt durchgeführt hat. Nennswerte 'Gurus' wären z.B. Warren Buffett, Joel Greenblatt, Seth Klarman oder David Einhorn.

15-Y Financials
Die Seite, auf der ich pro Unternehmen am meisten unterwegs bin, ist die '15-Y Financials'-Seite. Hier bekommt man normalerweise die Kennzahlen der letzten 15 Jahre zu sehen. Im Basiszugang ist die Anzeige hier auf die letzten 4 Jahre + 5 Quartale beschränkt, was für einen ersten Überblick aber meist vollkommen ausreicht. Die Daten sind sehr übersichtlich gehalten und bieten für Finanzkennzahlenfetischisten, wie ich einer bin, alles was das Herz begehrt. Die Daten werden bezogen auf 'Pro-Aktie' angezeigt, es gibt eine Renditentabelle (mit Operativer Marge, FCF-Marge, ROIC, EK-Rendite, GK-Rendite etc.), die Gewinn- und Verlustrechnung (Income Statement), eine umfangreiche Bilanz (Balance Sheet) und die Kapitalflussrechnung (Cashflow Statement). Die Datenqualität und -aktualität finde ich sehr gut. Quartalszahlen werden v.a. bei großen Unternehmen zeitnah eingepflegt. Mit dem erweiterten Zugang kann man die Daten auch exportieren.

Klickt man übrigens auf eine konkrete Kennzahl, so landet man auf einer entsprechenden Unterseite, auf der erläutert wird, wie sich die entsprechende Kennzahl ergeben hat. Sehr informativ...

Weitere Seiten
Pro Unternehmen kann finde ich zusätzlich noch sehr hilfreich, zu sehen, welche Dividenden gezahlt wurden (Reiter Dividend), ob Insider zuletzt ge- oder verkauft haben (Reiter Insider) oder aber welche Eigentumsverhältnisse bekannt sind (Reiter Ownership).

Watchlistenfunktionalität
Einer der besten Services von Gurufocus ist die Watchlistenfunktionalität. Hier kann man verschiedene Watchlisten konfigurieren, einzelne Unternehmen hinzufügen und mit Notizen versehen. Für jede Watchlist kann man konfigurieren, welche Daten angezeigt werden. Hier kann man z.B. den aktuellen Kurs, die Kursdifferenz zum Vortag, das KGV, das Gewinnwachstum etc. anzeigen lassen und die Datensätze auch entsprechend sortieren. Man bekommt auch täglich per Mail eine Übersicht zugeschickt für die Unternehmen, deren Kurs sich am letzten Handelstag am meisten erhöht hat. Auch hier gilt wieder: auch im Basiszugang ist die Funktionalität sehr gut und hilfreich.

Artikel
Auf der Startseite von Gurufocus werden zahlreiche Artikel angezeigt. Natürlich gibt es auch viele Artikel mit überschaubarer Qualität, aber es gibt auf der Webseite eben auch einige Autoren, die qualitativ hochwertigen Input bereitstellen. Meine Lieblingsautoren sind Grahamites, Thomas Macpherson, The Science of Hitting oder aber auch der bekannte Blogautor Geoff Gannon. Man kann Autoren folgen und bekommt per Mail auch eine passende Nachricht, wenn sie auf der Webseite neue Artikel veröffentlicht haben.

Fazit
Gurufocus ist meine Lieblingswebseite zum Thema Finanzen. Alles in allem entspricht die Seite dem, wie ich als Entwickler eine solche Seite aufgezogen hätte. Die bereitgestellten Daten sind qualitativ hochwertig, werden übersichtlich dargestellt und die Performance ist auch sehr gut. Einziger Wehrmutstropfen: natürlich sollte man des Englischen mächtig sein, wenn man die Seite effektiv nutzen möchte.

Mittwoch, 21. Dezember 2016

Syntel (SYNT): IT-Beratungsunternehmen mit erschreckendem Chartbild

Syntel (SYNT): IT-Beratungsunternehmen mit erschreckendem Chartbild

Beim Durchforsten meiner Watchlist bin ich auf Syntel, ein amerikanisch/indisches IT-Consultingunternehmen aufmerksam geworden, welches in den letzten Monaten eine recht interessante Aktion durchgeführt hat. Diese Aktion hat zu einer noch wesentlich interessanteren Investmentsituation geführt. Um es vorweg zu nehmen: ich habe mir mal ein paar der Aktien dieses Unternehmens gekauft. Wichtig ist allerdings, dass sich hier jeder seine eigenen Gedanken macht und alle Fakten und Aussagen dieses Artikels selbst einmal prüfen sollte. Ich bin kein professioneller Investor und Finanzberater. Dieser Artikel stellt keine Aufforderung zum Kauf, Verkauf oder Halten von Aktien der genannten Unternehmen dar. Nachdem das gesagt wurde, fangen wir doch einmal von vorne an.

Zum Unternehmen:
Syntel wurde 1980 in Troy (Michigan, USA) mit einem Initialinvestment von 2.000 $ vom damals 27-jährigen indisch-amerikanischen Unternehmer Bharat Desai und dessen Frau Neerja Sethi gegründet. Desai war bis 2009 CEO und ist seit dem Aufsichtsratsvorsitzender. Die beiden halten zusammen immer noch rund 33 % der Anteile (Desai 8.3 Mio Aktien und Sethi 20.1 Mio. - Info von der SYNT-Eigentümerseite auf Gurufocus). Sie arbeiteten vor der Firmengründung gemeinsam bei Tata Consulting Services in den USA und boten nach der Gründung General Motors und einigen Behörden IT-Beratungsleistungen an. Anschließend bauten sie ihr Geschäft immer weiter aus (siehe auch Firmengeschichte von Syntel ). 1997 folgte der Gang an die Börse und mittlerweile erwirtschaften sie einen Umsatz von fast 1 Mrd. $ weltweit. Das Wachstum erfolgte dabei nur organisch (d.h. ohne Übernahmen von Unternehmen). Aktuell haben sie etwa 23.000 Mitarbeiter, den Großteil davon in Indien. Da sie in der IT-Beratungsbranche tätig sind, gelten viele der allgemeinen Aussagen aus den Artikeln zu IT-Consultingunternehmen, Accenture und Infosys auch für sie.

Chartbild:

Wie schon erwähnt gingen sie 1997 an die Börse. Wie für die meisten IT-Unternehmen gab es um 2001 den Tiefpunkt und seitdem ging es eigentlich stetig bergauf. In 2008 kann man die Finanzkrise ganz gut erkennen, am auffälligsten ist allerdings der Absturz Ende 2016. Mehr zu diesem später.

Geschäftszahlen 2006-2016:

Syntel hat in den letzten Jahren ein beeindruckendes Wachstum hingelegt. Selbst während und vor allem nach der Finanzkrise konnten sie ihre Umsätze und Gewinne noch einmal signifikant steigern. Sie waren durchgehend profitabel und haben dabei trotz stark wachsendem Cashberg überdurchschnittliche Renditen erwirtschaftet. Die EK-Rendite lag nie unter 21 %, die GK-Rendite nie unter 17 %. Auch die EBIT-Marge war in den letzten 4-5 Jahren sehr konstant rund um die 30 %, was für ein recht stabiles Geschäft spricht. Der Goodwill ist auch jetzt noch so hoch, wie vor 10 Jahren - nahe 0. Daran kann man erkennen, dass sie nur organisch gewachsen sind. Es wurden keine nennenswerten Übernahmen getätigt. Wie kam es also zu dem Absturz?

Der Absturz:
Hohe Cashberge wecken Begehrlichkeiten (siehe Apple). Investoren (und solche die es werden wollen) würden im Allgemeinen am liebsten Ausschüttungen über Dividenden oder Aktienrückkäufe sehen, die Wall Street Guys am liebsten Aktivitäten an der M&A-Front (=Unternehmenskäufe, die sie dann beratend begleiten können). Wie viele andere Unternehmen auch hatte Syntel das Problem, dass das Geld im Ausland lag (v.a. Indien und UK). D.h. es konnte nicht so einfach in die USA transferiert werden, da für die Rückführung Steuern zu zahlen sind. Apple löste das Problem bisher so, dass sie in den USA Schulden aufgenommen haben für Dividenden und Aktienrückkäufe. Der Cashberg verblieb in den jeweiligen Ländern. Nebenher warten sie wahrscheinlich wie viele andere Unternehmen auch auf einen entsprechenden Tax Holiday.

Syntel war nicht so geduldig und verkündete im September etwas überraschend die Zahlung einer Sonderdividende von 15 $ pro Aktie (insgesamt 1.26 Mrd. $). Diese wurde zwischenzeitlich aus den Cashbeständen, welche in die USA gebracht wurden, und zusätzlich aufgenommenen Schulden beglichen. Für die Rückführung fielen einmalige Sonderausgaben für Steuern in Höhe von knapp 270 Mio. $ an. Statt eines Nettocashbestandes von 880 Mio. $ Ende 2015 hat Syntel nun einen von Schuldenstand von effektiv 391 Mio. $. Das Eigenkapital wurde im letzten 10Q mit -220 Mio. $ angegeben. Im Normalfall heißt ein negatives Eigenkapital nichts gutes und ist verbunden mit einer Kapitalerhöhung. Warum ich die Situation bei Syntel mag und eingestiegen bin, erläutere ich jetzt.

Was gefällt mir an Syntel?

  1. Sie sind sehr profitabel und haben in den letzten Jahren keine Verluste gemacht. Das Geschäftsmodell mit dem IT-Outsourcing dürfte auch weiterhin seine Bedeutung behalten.
  2. Das IT-Beratungsgeschäft ist nicht sonderlich kapitalintensiv. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass man größtenteils nur Arbeitskraft und ein paar Rechner benötigt. Die CAPEX-Ausgaben von Syntel liegen meist nur so zwischen 20-30 Mio. $/Jahr. Wachstum geschieht über die Akquise neuer Kunden und Projekte verbunden mit der Aufstockung an Angestellten (wenn notwendig). Mit ihrem "Customer for Life"-Mantra drücken sie aus, dass sie bestehende Kunden durch hochwertige Dienstleistungen an sich binden wollen.
  3. Da die CAPEX-Ausgaben recht überschaubar sind und Syntel v.a. organisch wächst, landet der Großteil der Gewinne auch auf den Bankkonten. In den letzten beiden Jahren konnten Free Cashflows von jeweils über 200 Mio. erwirtschaftet werden und auch in 2016 sieht es, wenn man die Sonderausgaben mal rausrechnet, ganz gut aus. Die jetzt angehäuften Schulden sollten also selbst bei ausbleibendem Wachstum relativ schnell abgebaut werden können und das 'Spiel' geht von vorne los.
  4. Mit einer Marktkapitalisierung von 1,7 Mrd. $ sind sie ein relativ kleines Licht am IT-Beratungshimmel und dürften für viele Investoren dadurch unter dem Radar fliegen. Zusätzlich gibt es für viele potentielle Interessenten jetzt Faktoren, die Investments in Syntel vorerst verbieten (also z.B. keine unregelmäßigen Dividendenzahler, keine Unternehmen mit negativem Eigenkapital, keine Unternehmen, die Verluste machen).
  5. In letzter Zeit gab es einige Insiderkäufe zu verzeichnen, wenn auch in überschaubaren Mengen.
  6. Der Gründer hat immer noch viel zu sagen und sollte auch weiterhin an einer guten Aktienkursentwicklung interessiert sein.
  7. Die normalisierten Margen sind immer noch sehr hoch.
  8. Historisch betrachtet sind sie so preiswert, wie lange nicht. Das Kurs-Umsatz-Verhältnis war in den letzten Jahren noch nie ansatzweise so niedrig. Die normalisierten Gewinne (d.h. ohne die Belastung durch die Steuer) würden zu einem einstelligen KGV führen. Die EV/EBIT-Kennzahl ist auch so niedrig, wie zuletzt in der Finanzkrise. Sie liegt mit knapp 8 zusätzlich deutlich unter dem Branchenschnitt von 12-13.
  9. Deren Branche liegt in meinem Circle of Competence.
  10. Mit der SyntBots-Technologie haben sie seit 2015 eine recht innovative Lösung im Angebot. Die SyntBots sollen v.a. dabei helfen, manuelle Prozesse zu reduzieren. Anwendungsbereiche dafür sind Supporttätigkeiten, Testfallerstellung, das Testen selbst, Monitoring. Ein konkretes Beispiel wäre der Systemabsturz einer Anwendung. In viele Fällen ist hier bisher eine manuelle Reaktion notwendig inkl. Sicherung der Logfiles, Neustart der Server, Schauen, ob Fehler schon bekannt ist, Erfassung eines Fehlerberichts etc. Mit deren SyntBots lassen sich diese Prozesse wohl teilweise automatisieren, wodurch natürlich Arbeitskräfte eingespart werden und unter Umständen auch die Down-Zeiten verringert werden können. Wenn ich das so lese, wäre evtl. das von mir analysierte Support.com für sie ein interessantes Übernahmeziel.
  11. Sie zahlen immer noch relativ wenig für ihre Kredite. Unter anderem läuft ein Kredit bei der Bank of America aktuell mit Zinsen von rund 2 %. Nachteil dieses Darlehens: die Verzinsung ist variabel (LIBOR + 1,5 %).

Was gefällt mir nicht an Syntel?

  1. Durch die Sonderdividende ist ein wenig untergegangen, dass sie - wie die meisten anderen indischen IT-Unternehmen auch - im Moment gewisse Probleme mit dem Wachstum haben. Zuletzt waren die Umsätze und operativen Gewinne im Vergleich zum Vorjahresquartal sogar zurückgegangen. Im Conference Call haben sie es v.a. auf die Zurückhaltung von Kundenentscheidungen im Gesundheitswesen zurückgeführt. Ich kann mir dabei durchaus vorstellen, dass viele Kunden erst einmal den Ausgang der US-Präsidentsschaftswahlen abwarten wollten, in der sich ja Donald Trump letzendlich durchgesetzt hat.
  2. Der letzte CEO wurde recht unvermittelt und ohne Vorankündigung vor ein paar Wochen ersetzt (siehe Syntel-CEO ersetzt). Aussagen zum Warum wurden nicht getroffen.
  3. Es sind halt doch viele Inder beteiligt, welche im Endeffekt die Geschäfte übernehmen. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass die Qualität da in manchen Fällen zu wünschen übrig lassen kann. Zusätzlich hat man auch immer das Problem mit der hohen Fluktuation in der Arbeiterschaft. Auch bei Syntel liegt die sogenannte Attrition Rate mit 25.4 % recht hoch. Bei Accenture liegt sie bei rund 15 %, bei Infosys bei etwa 18 %. Oft ist es so, dass nicht die fähigsten Mitarbeiter bleiben...
  4. Die Auslastung der Kollegen ist verbesserungswürdig. Die Utilization liegt bei 94.5% Onsite (d.h. bei Kundenprojekten in US + Europa), 78.9% Offshore (d.h. in Indien) und 82.3% global. Rund 25% der Mitarbeiter arbeiten Onsite und 75% Offshore.
  5. Die Sonderdividende war sicherlich nicht optimal. Man fragt sich ein wenig, warum sie nicht Ausgang der Wahl abgewartet haben. Mad Donnie, der neue Mann des Volkes in Amerika, hat ja bisher schon gezeigt, wie er den bösen Leuten der Wall Street in den Arsch tritt (Außenminister von Exxon, Finanzminister von Goldman Sachs...). Von daher hätte man zumindest bis nächstes Jahr noch auf einen Tax Holiday spekulieren können... Aber im Endeffekt hat ja erst diese Dividendenaktion zu den aktuellen Kursen geführt und somit hat sie ja auch was Gutes.
  6. Es gibt für Syntel ein branchentechnisches Klumpenrisiko. Über 50 % der Umsätze werden mit Banking und Finanzindustrie gemacht. Die nächstgrößere Branche ist HealthCare. Zusätzlich werden fast 90 % der Umsätze in den USA gemacht. Das heißt zwar einerseits, dass es z.B. in Europa noch gewisses Wachstumspotential gibt, aber eben auch, dass man extrem stark von der amerikanischen Konjunktur abhängig ist. Die Länder- und Branchen-Diversifikation ist bei Infosys und auch Accenture um einiges besser.
  7. Dass die Top3-Kunden knapp 47 % der Umsätze bringen (Nr. 4-30 bringen weitere 43 %) kann man auch als Risiko ansehen.
  8. In Deutschland wird die Aktie kaum gehandelt. D.h. man sollte sich bei Interesse über die NASDAQ eindecken.
  9. Die Farbgebung der Syntel-Webseite würde eher zu einem Bestattungsunternehmen passen. Sehr viel schwarz und grau...

Versuch einer Bewertung:

Ausgangspunkt meiner Bewertung war der Umsatz in 2016. Ich habe damit 3 Szenarien ausgearbeitet, welche einen EBIT für Ende 2020 bestimmten. Anhand eines EV/EBIT-Faktors kam ich dann zu einem EnterpriseValue, welcher sich für 2020 ergeben würde. Aus diesem bestimmte ich dann eine Marktkapitalisierung (durch Schätzung des Schuldenabbaus bzw. Neuaufbau eines Cashberges) und am Ende ergab sich ein gewichteter Kurs. Da dieser signifikant über dem aktuellen von rund 20 $ lag und somit auch ein gewisser Sicherheitspuffer vorhanden ist, habe ich mich für den Kauf von einigen Aktien entschlossen.

Fazit:
Es gibt zwar einige Punkte, die Syntel besser machen kann. Aber es gibt eben auch vieles, was ich an ihnen mag. Ich habe mich zu einem Kauf entschlossen, da ich in der Gesamtheit der Faktoren eine gewisse Unterbewertung sehe. Das operative Geschäft ist ähnlich robust und profitabel, wie das der Wettbewerber. Allerdings muss man bei Syntel ein ganzes Stück weniger dafür bezahlen. In den kommenden Jahren sollte die Bilanz dann auch wieder besser werden. Meiner Meinung nach ist es - wenn der Gründer bzw. dessen Frau mitspielt - durchaus denkbar, dass sie irgendwann auch mal übernommen werden. Infosys hat ja auch einen riesigen Cashberg und die wollen ihre Umsätze bis 2020 ja auch noch signifikant steigern, was auf organischem Wege evtl. schwierig werden könnte. Aber das hatte ich ja in meiner Bewertung von Infosys auch schon geschrieben

Disclaimer:
Dieser Artikel stellt nur eine Meinungsäußerung dar und ist nicht als Kauf- oder Verkaufsempfehlung zu verstehen. Ich bin kein professioneller Investor oder Anlageberater. Für die gemachten Angaben wird keine Gewähr übernommen, da Fehler bei der Datenübernahme oder aber auch Fehlinterpretationen erfolgt sein können. Bevor du also in das Wertpapier investierst, solltest du dich selbst auf den offiziellen Seiten des Unternehmens schlau machen.

Freitag, 16. Dezember 2016

Mein Plädoyer für Stockpicking

Mein Plädoyer für Stockpicking

In letzter Zeit habe ich einmal ein wenig die deutsche Finanzblogszene durchforstet und bin dabei auch auf den Finanzwesir gestoßen. Er schreibt in seinem Blog viele interessante Sachen, postet hilfreiche Links und hat durch seine Reichweite und breite Akzeptanz in der 'Szene' auch einen gewissen Einfluss. Dies trifft sowohl auf erfahrenere Akteure zu, aber auch auf Menschen, die sich noch nicht so viel mit dem Thema Finanzen auseinandergesetzt haben. Von daher wollte ich einmal die Chance ergreifen, ein paar Worte zu seinem Manifest zu verlieren. Das Glaubensbekenntnis ist einerseits sehr gut geschrieben, enthält aber andererseits eben auch eine recht zentrale Pauschalaussage, welche meiner Meinung nach schlichtweg falsch ist. Diese wäre 'Es ist unmöglich, den Markt zuverlässig zu schlagen'. Hätte er geschrieben 'Es ist schwer, den Markt zuverlässig zu schlagen' wäre ich voll bei ihm gewesen. So aber suggeriert er, dass man sich die gesamte Arbeit eigentlich sparen kann und einfach einen ETF kaufen sollte, der den Markt abbildet.

Der Vorschlag mit einen Welt-ETF ist meiner Meinung nach sehr gut geeignet für einen Investor, der

  1. keinen Bock mehr auf Sparbuch oder 0,025 % Tagesgeld hat und
  2. keine Zeit hat und
  3. keine Lust hat, sich in die Thematik 'Fundamentaldatenanalyse' einzuarbeiten

Für alle anderen (vor allem jungen) Leute ist dieser Vorschlag dahingehend kontraproduktiv, dass sie anschließend eventuell gar nicht erst versuchen, etwas Überdurchschnittliches zu erreichen. Das ist so, als ob man einem jungen Sportler sagt: Hör auf, härter zu trainieren. Es ist unmöglich, so schnell wie Bolt zu werden, so gut Fußball zu spielen wie CR7 oder aber so athletisch zu werden, wie LBJ. Die vom Finanzwesir getroffene Aussage entspricht im Endeffekt der von VWLern geliebten und gefeierten Markteffizienzhypothese.

Warum ich nichts davon halte, in diesem Bereich etwas als unmöglich anzusehen:

  1. Mir wurde relativ früh beigebracht 'Geht nicht gibt's nicht'. Wenn ich zu meinem Vater sagte 'Den Scheiß kann ich nicht', sagte er zu mir 'Kann ich nicht hat im Wortschatz eines Mannes nix zu suchen'
  2. Es gibt einfach zu viele Beispiele im professionellen (Warren Buffett, Charles Munger, Peter Lynch, Seth Klarman, Joel Greenblatt, Walter Schloss) als auch dem nicht-professionellen Bereich (z.B. MMI oder Geoff Gannon), welche der 'unmöglich'-Aussage entgegen stehen.
  3. Der Essay 'The Superinvestors of Graham-and-Doddsville' von Warren Buffett aus 1984 (hier).
  4. Wenn man den Markt schlagen möchte, der ja aus der Gesamtheit der guten, durchschnittlichen und schlechten Performer besteht, so muss man es lediglich schaffen, die guten Performer überzugewichten und die durchschnittlichen und schlechten Performer wenn möglich zu vermeiden. Ist das möglich? Sicherlich nicht zu 100 %, aber zumindest sollte es mit Fleiß und entsprechender Erfahrung möglich sein, seine Fehlerquote signifikant unter 50 % zu halten. Und wie schafft man das? Lesen, lesen, lesen... Und zwar Blogbeiträge über Unternehmen, Geschäftsberichte von Unternehmen und Erfahrungsberichte/Bücher von/über diejenigen, die es in der Vergangenheit schafften, den Markt dauerhaft zu schlagen.

Dies bedeutet nicht, dass man lieber pauschal auf aktiv gemanagte Fonds umsteigen soll, denn dort hat der Finanzwesir durchaus recht, was die allgemeine Underperformance angeht. Man sollte sich nur vor Augen halten, dass man als Privatinvestor gegenüber professionellen Investoren im Bezug auf Individualinvestments einige riesen Vorteile besitzt und diese auch nutzen sollte:

  1. Man hat weniger Restriktionen. D.h. man kann unabhängig davon investieren, welche Marktkapitalisierung das Unternehmen hat, welches Handelsvolumen, ob Dividende bezahlt wird oder nicht, ob Gewinne gemacht werden oder nicht, in welcher Branche oder welchem Land es beheimatet ist etc. Man ist da eigentlich vollkommen frei in seiner Auswahl.
  2. Man kann kaufen und verkaufen, wann man will. Redemptions etc. sollte es nicht geben, außer man hat auf Kredit spekuliert und der Kreditgeber will sein Geld wiedersehen. Aber das Investieren in Aktien per Kredit sollte man ja sowieso lassen.
  3. Man kann die Gewichtung im Portfolio so wählen, wie man möchte. D.h. man muss nicht verkaufen, wenn eine Position eine gewisse Gewichtung erreicht hat.
  4. Man muss kein Windowdressing betreiben. D.h. man kann langfristig denken/investieren und nicht nur von Quartal zu Quartal.
  5. Man ist niemandem Rechenschaft schuldig. Bringt man als professioneller Fondsmanager über einen längeren Zeitraum eine unterdurchschnittliche Performance, so ist man verbrannt und wird es in Zukunft schwerer haben, weiteres Kapital zur Verwaltung zu erhalten. Im Privatbereich gilt dies nicht. Hier kann man sich einfach folgende Skifahrerweisheit vor Augen halten: "Wer sich nicht auf die Fresse gehauen hat, hat es nicht hart genug probiert"

Mit dieser Einstellung bin ich letztendlich beim Value Investing gelandet. Ob dieser Bereich dann im Endeffekt zu einem passt, muss allerdings jeder für sich selbst herausfinden.

Auf Gurufocus habe ich vor kurzem übrigens einen hervorragenden Artikel von Grahamites zum Thema Value Investing gelesen. Ich selbst würde mich diesbezüglich erst auf Stufe 2 sehen. Es liegt also noch ein langer Weg vor mir. Wenn ich in diesem Zusammenhang das Wort 'Level' sehe, denke ich, dass man sein Leben in bestimmten Bereichen manchmal wirklich als eine Art Spiel betrachten sollte. Dabei muss man sich allerdings im Klaren sein, dass es keine Speicher- und Lademöglichkeiten gibt. In Rollenspielen fängt man ja meist auch mit Level 1 an und steigert dieses anhand des Sammelns von Erfahrung. Sich nicht mit Status Quo abzufinden, sondern sich stetig zu verbessern, dazulernen und andere Blickwinkel kennen zu lernen sind für mich Grundvoraussetzungen dafür, irgendwo Erfolg zu haben. Dies gilt meiner Meinung nach in allen Bereichen des Lebens (Arbeit, Sport, Partnerschaft, Kindererziehung, etc.).

Abschließend noch ein passendes Charlie Munger-Zitat dazu: "Spend each day trying to be a little wiser than you were when you woke up. Discharge your duties faithfully and well. Step by step you get ahead but not necessarily in fast spurts. But you build discipline by preparing for fast spurts. Slug it out one inch at a time, day by day. At the end of the day – if you live long enough – most people get what they deserve."

Freitag, 9. Dezember 2016

Investmentpflichtliteratur: Peter Lynch - One Up On Wall Street

Investmentpflichtliteratur: Peter Lynch - One Up On Wall Street

Heute wollte ich euch einmal das Buch vorstellen, welches ich wahrscheinlich als mein Lieblingsbuch aus dem Bereich der Investmentliteratur bezeichnen würde: 'One Up on Wall Street' von Peter Lynch.

Ich mag es einerseits aufgrund seines sehr hilfreichen und zeitlosen Inhalts und andererseits aufgrund seines humorvollen Stils. Doch zunächst einmal ein paar Worte zum Autor.

zum Autor:
Peter Lynch wurde 1944 geboren und war zwischen 1977 und 1990 Manager des Magellan-Fonds bei Fidelity Investments. Während dieses Zeitraums kam er auf eine extrem respektable durchschnittliche jährliche Rendite von 29,2 %. Nicht wirklich viele Fondmanager können solch eine Performance vorweisen - vor allem, wenn man sich die Größe des Fonds im Laufe der Zeit anschaut. Als er in 1977 für den aktiv gemanagten Fonds zuständig wurde, hatte dieser 18 Mio. $ an AUM (Assets Under Management). Als er ihn 13 Jahre später verließ, waren es 14 Mrd. $. Im Sport würde man sagen: was eine Legende. Er hat den perfekten Absprung geschafft (so wie z.B. Magdalena Neuner oder aber kürzlich erst Nico Rosberg). Worüber man leider wenige Infos findet, ist, wie seine 'Privatperformance' seitdem ist/war (also mit Irakkriegen, Asien-Krise, DotCom-Blase, Finanzkrise...). Auf jeden Fall ist er jetzt eher als Philanthrop in seiner Bostoner Heimat unterwegs.

zum Buch:
Das Buch selbst beginnt mit einem allgemeinen Kapitel zum Thema Geld und Investments. Unter anderem schreibt er, dass man sich frühzeitig um ein eigenes Dach über dem Kopf kümmern sollte (sprich Wohneigentum - meiner Meinung nach im Moment leichter gesagt, als getan). Zusätzlich weist er darauf hin, dass Privatpersonen oft gegenüber 'professionellen Investoren' Vorteile haben. U.a. haben sie weniger Druck (er kritisiert hier das Quartalszahlendenken der Branche) und zusätzlich haben sie oft Vorteile, potentielle Investments zu identifizieren. Z.B. ist er durch seine Frau und deren Shoppinggewohnheiten auf diverse Investmentideen gekommen, die anderen Investoren wesentlich später aufgefallen sind, da sie die meiste Zeit im Büro saßen und auf Monitore blickten. Als konkretes Beispiel nannte er hier die Firma Hanes. Diese hatte gerade Produkt L'Eggs (qualitativ hochwertige Strumpfhosen optisch hübsch in einem Ei verpackt - siehe hier) auf den Markt gebracht, er erkannte das Potential dessen für die Firma. Für Fidelity war das Investment wohl ein 30-bagger. X-Bagger nannte solche Investments, die sich um den entsprechenden Faktor im Wert vervielfachten. Der Begriff wird auch heute noch in diversen Investmentartikeln genutzt. Er selbst kam oft bei Geschäftsreisen auf neue Ideen, die ihm im Endeffekt viel Geld einbrachten (z.B. La Quinta Inns aus der Motelbranche).

Der amüsanteste Abschnitt des Buches enthält zwei Darstellungen der Ereignisse rund um den 19. Oktober 1987 (auch bekannt als Schwarzer Montag). Er machte damals gerade Urlaub mit seiner Frau in Irland und beschreibt dabei wie entspannend/stressig dieser war. Wie gesagt: sehr amüsant zu lesen.

In weiteren Kapiteln geht er auf seinen Werdegang ein (war u.a. Caddy auf dem Golfplatz und 2 Jahre beim Militär), beschreibt seinen Weg zu Fidelity, seine Bewertungsmethoden für Wachstumsunternehmen (siehe auch hier) und seinen "Partyradar". Der "Partyradar" ist Folgendes: in Hochphasen eines Marktes wird er auf jeder Party von vielen Leuten begeistert Sachen über Investments gefragt. Dann weiß er: es ist Zeit zum Ausstieg. Das ist in Deutschland vergleichbar mit dem Bild-Zeitungs-Indikator. In Tiefstphasen eines Marktes wird er auf Parties kaum angesprochen und erntet nur mitleidige Blicke. Dann weiß er: es ist Zeit zum Einstieg.

Als eines der hilfreichsten Kapitel sehe ich jenes, in dem er die verschiedenen Unternehmenskategorien auflistet:

  • langsam wachsende (Slow Grower)
  • schnell wachsende (Fast Grower)
  • Felsen in der Brandung (Stalwarts)
  • Zykliker (Cyclicals)
  • Unternehmen mit temporären Problemen (Turnarounds)
  • und Substanzwertunternehmen (Asset Plays)

Diese Kategorisierung nutze ich auch selbst immer, da man je nach Kategorie andere Bewertungsmethoden anwenden muss. Z.B. finde ich es in dem Zusammenhang immer fragwürdig, wenn bestimmte 'Spezialisten' Pauschalaussagen treffen, wie 'kaufe niemals ein Unternehmen mit einem KGV > 25' (siehe Kommentar von Lad). Wenn ein Unternehmen dauerhaft mit 20-25 % pro Jahr wächst, gilt die Aussage meiner Meinung nach nicht wirklich. Oder aber wenn es nach Abzug der Schulden reine Barmittel von 200 Mio. hat und für 140 Mio. gehandelt wird (z.B. Balda/Clere AG in der Vergangenheit). Es gilt: jedes Unternehmen muss einzeln betrachtet werden. Zusätzlich ist ein Unternehmen nicht dauerhaft einer Kategorie zugeordnet. Fast Grower werden oft zu Slow Growern. Cyclicals ab und an zu Asset Plays. Turnarounds zu Fast Growern zu Stalwarts (z.B. Apple)...

Fazit:
Nach dem Lesen des Buches ertappte ich mich öfters dabei, wie ich beim Einkaufen schaute, was die Leute da so in den Wagen legen, welche Firma das jeweilige Produkt anbietet und ob diese Firma börsennotiert ist (Haribo und Mars Inc. sind es z.B. nicht). Hier liegt evtl. eines der Probleme des Buches. Wenn man es zu euphorisch liest, könnte man einige Konzepte (Kaufe, was du kennst) missverstehen und - ohne auf die Geschäftszahlen zu schauen - einfach losrennen und investieren, wenn einem etwas gefällt oder man denkt "Das ist die Zukunft". Das passiert z.B. meiner Meinung nach im Moment bei Tesla oder aber passierte vor ein paar Jahren mit Solarunternehmen. Hier ein Link zu einem lesenswerten Artikel zu dem angesprochenen Thema.

Alles in allem kann ich das Buch weiterempfehlen. Es ist meiner Meinung nach Pflichtlektüre für alle Investoren. Ich habe mir vor kurzem interessehalber auch noch die beiden Nachfolger 'Beating the Street' und 'Learn to Earn' bestellt. Mal schauen, ob da noch was Neues drinsteht.

Abschlusszitat:
Zum Abschluss noch eines meiner Lieblingszitate von Peter Lynch: "Far more money has been lost by investors preparing for corrections or trying to anticipate corrections than has been lost in corrections themselves." Es ist eines meiner Lieblingszitate, weil viele Leute schon seit einigen Jahren auf eine Korrektur warten (sie kommt bestimmt irgendwann) und daher nicht in Aktien investieren. Wenn die Korrektur dann mal da ist, wird nicht investiert, weil es ja noch weiter runter gehen könnte. Wenn es wieder ein wenig hochgegangen ist, wird nicht gekauft, weil bestimmt noch eine Gegenkorrektur kommt. Am Ende - wenn der "Partyradar" voll ausschlägt - steigen die meisten dann aus Ungeduld doch ein und verbrennen sich anschließend die Finger. Von daher: Schnäppchen gibt es immer. Man muss sie nur finden...

Dienstag, 6. Dezember 2016

Alphabet Inc (GOOG): Der tiefste und breiteste Burggraben unserer Zeit?

Alphabet Inc (GOOG): Der tiefste und breiteste Burggraben unserer Zeit?

Wissen ist Macht. (Francis Bacon)

Heute wollte ich mir einmal das Unternehmen Alphabet Inc etwas genauer anschauen. Wer es noch nicht mitbekommen hat: das ist die Holding, hinter der sich seit 2015 Google Inc. versteckt. Im Laufe des Beitrags werden ich nur von Google reden, denn Alphabet ist für mich Google und wird es für mich vorerst auch bleiben.

Erstkontakt:
Meine ersten Schritte im Internet als Nutzer machte ich Ende der 90er Jahre. Damals war Yahoo meine Startseite und für mich 'the place to go', wenn ich etwas suchte. Deren Seitenaufbau machte für mich zu der Zeit einfach Sinn. Es gab einerseits ein Suchfeld für Anfragen und darunter gab es diverse Kategorien, die man anklicken konnte. Hier kann man sich das Ganze noch mal anschauen. Irgendwann kam ich bei meiner Nutzung von Yahoo an einen Punkt, an dem die Seite mich nervte. AdBlocker gab es zu der Zeit noch nicht und immer, wenn man die Seite aufbaute, wurde man an einen wild blinkenden Weihnachtsbaum erinnert. Information Overload par excellence... Dann schaute ich einem Mitstudent bei gemeinsamen Recherchearbeiten über die Schulter und er öffnete für alle seine Anfragen eine Seite namens Google. Nach dem Öffnen war da nichts, außer dem Namen Google und einem Suchfeld darunter. Nach Eingabe der Suchkriterien wurden die Ergebnisse fein säuberlich in Textform aufgelistet. Nix bling bling. Und die gefundenen Ergebnisse waren auch super. So begann meine Beziehung mit Google, die nun schon seit 1999 andauert.

Zum Unternehmen:
Alphabet Inc ist eine Holding mit Sitz in Mountain View/Kalifornien. Sie hat zahlreiche Tochterunternehmen (u.a. Google Inc.) und ist in diversen Bereichen tätig. Der Hauptbereich sind natürlich Internettechnologien, Softwareentwicklung und Werbung, aber auch in den Bereichen Transportwesen, Gesundheit, Biotechnologie und Investments sind sie unterwegs. Alphabet selbst wurde erst 2015 gegründet und kämpft mit Apple seit dieser Zeit um den Titel 'wertvollstes Unternehmen der Welt'. Wenn ich einen Blick in die Zukunft richten darf, würde ich sagen, dass Alphabet langfristig gesehen diesen Titel wohl gewinnen und auch halten wird. Dazu aber später mehr.

Google Inc. wurde 1998 von den beiden ITlern Larry Page und Sergey Brin gegründet. Die ehemaligen Stanford-Studenten hatten ihre Suchmaschine 1995 entwickelt und seit dem stetig verbessert. Sie bekamen dann vom Deutschen Andreas von Bechtolsheim die entscheidende Finanzspritze über 100.000 $, um das eigentliche Unternehmen zu gründen. Der Wikipedia-Artikel zu Google (hier) ist diesbezüglich sehr interessant.

Der Hauptgrund für den Siegeszug von Google, deren Suchmaschine weltweit über 70 % aller Suchabfragen abhandelt (Quelle), war damals vor allem das von mir schon angesprochene minimalistische Design, welches bei den meist vorherrschenden langsamen Internetverbindungen gegenüber Portalen wie Yahoo ungeheure Geschwindigkeitsvorteile bot. Bis heute hat sich daran nicht viel geändert.

2004 ging Google an die Börse. Unerfahren, wie ich damals nun mal war, waren mir Aktien mit Preisen über die 100 $ suspekt, so dass ich nicht zugriff. Ein großer Fehler, wie ich mir nun eingestehen muss. Splitbereinigt (ein rund 1:2-Split wurde 2014 durchgeführt) liegt der Kurs jetzt rund 15 mal höher. Von daher macht an dieser Stelle ein Blick auf das Chartbild sicherlich mal Sinn:

Chartbild:

A thing of beauty mit vielen 'Hätte, Wäre, Wenns'. Es kommt selten vor, dass ein Chart so viele Aufs und so wenig Abs zeigt bzw. kurz nach dem Börsengang das Allzeittief und seitdem niemals auch nur die Nähe dessen. Der Grund für meine Analyse ist jetzt, herauszufinden, ob man nicht doch mal investieren könnte...

Eigenes Nutzungsverhalten:
In letzter Zeit habe ich mich berufsbedingt noch intensiver mit Internetthemen beschäftigt, wie vorher schon. Im Zuge dessen habe ich viele Ecken von Google kennengelernt, die ich vorher nicht kannte, und somit das System Google noch ein wenig besser verstanden. Hier einmal eine Auflistung der Dienstleistungen dieses Unternehmens, welche ich in letzter Zeit genutzt habe:

  1. Google Suchmaschine: jeden Tag mindestens 20-30 mal. Vor allem im Job (Java-Programmierung), aber auch im privaten Bereich (SEC Filings, Shopping)
  2. Android: ich habe ein Google Nexus mit Android-Betriebssystem
  3. Google Maps: Wegbeschreibungen. Wie lange brauche ich von wo nach wo. Navi, um in München zu Gebäude X zu kommen.
  4. Google Street View: vorher schon mal schauen, wo genau Restaurant X ist.
  5. YouTube: Kinder ruhig stellen (war ein Witz :-)). Kino-Trailer angeschaut und spontan entschieden, Arrival zu schauen (sehr zu empfehlen). Ansonsten ist meine Meinung zu YouTube eher zwiegespalten. Neben Facebook ist YouTube ein weiterer wichtiger Bestandteil der 'Hurra wir verblöden'-Bewegung...
  6. Google Analytics: schauen, wieviele Leute den Blog lesen, von wo sie kommen, auf welchen Geräten, wie viele Subseiten sie anschauen, wie lange sie auf der Seite verbleiben, etc... Genial!
  7. PageSpeed Insights: für Webseitenoptimierung
  8. Google+: braucht kein Mensch. Den Kampf hat Google meiner Meinung nach gegen Facebook verloren. Nur meine Meinung...
  9. Google Chrome: im Normalfall aufgrund seiner Geschwindigkeit mein Browser der Wahl. Falls Google mal nicht alles wissen soll, nutze ich Firefox.
  10. Blogger: Mein Blog läuft auf blogger.com und auch das gehört zu Google.
  11. Gmail: Maildienst von Google.
  12. diverse Softwareangebote: ich nennen hier nur mal stellvertretend Google Web Toolkit und Google Collections
  13. Google MyBusiness: Geschäftsseite gestaltet
  14. Google AdWords: Anzeigen geschaltet

Mehr fallen mir spontan nicht ein. Und mit Ausnahme von 14. habe ich für nichts bezahlt. Also zumindest auf monetärer Basis gesehen nicht, denn man muss sich natürlich bewusst sein, dass man durch sein Nutzerverhalten Google Informationen zur Verfügung stellt. Und hier wäre wir bei dem Zitat, welches ich zum Anfang dieses Artikels genutzt habe: Wissen ist Macht. Google weiß wahrscheinlich neben uns selbst am meisten über uns (und manchmal wahrscheinlich sogar mehr). Und dieses Wissen nutzen sie auch. Einerseits zeigen sie es (anonymisiert) anderen Personen (siehe Google Analytics). Andererseits nutzen sie es wahrscheinlich auch selbst (z.B. bei Werbeeinblendungen in Youtube und Google-Suche). Mich persönlich stört es nicht, denn im Moment habe ich nichts zu verbergen. Aber vielen ist das wahrscheinlich nicht so bewusst. Das Gute daran aus Investorensicht: meiner Meinung nach wird sich das in Zukunft noch ausweiten. Also einerseits werden sie noch mehr über uns erfahren und andererseits werden noch mehr Unternehmen ihre Dienste nutzen und dafür bezahlen.

Geschäftszahlen:
Genug geschwafelt... Kommen wir mal zu den harten Fakten, den Geschäftszahlen seit dem Börsengang 2004:

Durchaus beeindruckend. Das Dumme dabei: ich war bisher immer nur Zuschauer. Erinnert mich ein wenig an unsere Wohnungs-/Haussuche: ständig denkt man, dass es zu teuer ist und ständig wird es noch teurer. Einziger Unterschied: bei Google sehe ich mittlerweile keine Grenze beim Wachstum mehr, bei den Hauspreisen rund um München irgendwie schon. Aber das ist eindeutig ein anderes Thema. Alle Kennzahlen konnten seit dem Börsengang unterbrechungsfrei gesteigert werden. Am beeindruckendsten sieht man es am operativen Cashflow, der von knapp 1 Mrd. $ in 2004 auf 26 Mrd. $ in den ersten 9 Monaten des aktuellen Geschäftsjahres gesteigert werden konnte. Der Cash-Berg wächst und wächst.

Was gefällt mir an Google:

  1. Sie haben meiner Meinung nach die größte Moat aller Unternehmen, die ich kenne. Wir leben in einem Informationszeitalter und die Wichtigkeit der Informationen wird noch weiter zunehmen. Sie sind in vielen Bereichen meiner Meinung nach führend. Amazon wäre das einzige Unternehmen, was mir als 'Moat-König' sonst noch einfallen würde. Microsoft, Coca Cola und McDonalds haben ihre Burggräben. Apple hat irgendwie seinen Burggraben. National Oilwell Varco (NOV - No Other Vendor) hat seinen Burggraben. Aber keiner dieser ist so groß und meiner Meinung nach zukunftssicher, wie der von Google. Ich mag da allerdings auch voreingenommen sein, da ich z.B. LibreOffice statt MS Office nutze, meinen Southern Comfort oder Cuba Libre auch mit Lidl-Cola mache oder mir nach meinem all-halbjährlichen McDonalds Besuch immer wieder denke 'Nie wieder. Dat Ding liegt wie ein Stein im Magen'.
  2. Ihre Dienstleistungen sind aus Nutzersicht super. Sowohl was das Handling angeht, als auch die Performance. Viele altbekannte Dienstleistungen werde ich wohl ewig weiternutzen (Suche, Maps). Andere, die ich erst neu kennengelernt habe, werde ich auch weiterhin benutzen. Z.B. habe ich erst durch eigene Verwendung von Google AdWords das wahre Potential von Google erkannt. Vor allem für kleine Unternehmen gibt es meiner Meinung nach keinen besseren Weg des zielgerichteten Marketings. Beim Erstellen der Anzeige bekommt man bereits angezeigt, wieviele Nutzer damit wohl zukünftig erreicht werden. Und nach 2 Monaten muss ich sagen, dass es in etwa hingehauen hat. Kosten (für Klicks) und Nutzen (Kunden, die daraufhin gekommen sind) stehen in einem positiven Verhältnis, so dass wir es auch weiterhin nutzen werden. Das Feedback ist viel direkter, als bei Zeitungs- oder Telefonbuch-Werbung.
  3. Wenn ich mir MMI's Checkliste anschaue, so kommt Google meiner Meinung nach relativ gut weg:
    - hohe (evtl. zu hohe?) Gründerbeteiligung (Page und Brin haben immer noch das Sagen)
    - zufriedene Angestellte: Habe mal gelesen, dass sie einer der beliebtesten Arbeitgeber der Branche sind. Es ist schwer reinzukommen, aber wenn man dabei ist, wird viel für die Angestellten getan. Eine Kundin meiner Frau arbeitet bei Google in München und sie hatte nur positives zu berichten. Ich bin echt am überlegen, ob ich mich spaßenshalber auch mal bei denen bewerbe. Den Film Prakti.com kann ich übrigens auch empfehlen.
    - langfristig orientierte Anleger: Es sind/waren viele bekannte Value Investoren dabei wie Gabelli oder Greenblatt. Sie sind allerdings zuletzt auch (teilweise) ausgestiegen...
    - vor allem organisches Wachstum: Sie entwickeln viel selbst und probieren viel aus. Natürlich gibt es auch zahlreiche v.a. kleine Übernahmen. Dabei liegen sie auch manchmal daneben (siehe Motorola), aber eben nicht immer (youtube).
    - konservative Finanzstruktur: Ich sag nur folgendes: Total Liabilities: 26 Mrd. $. Cash, Cash Equivalents, Marketable Securities: 83 Mrd. $. Läuft...
  4. Sehr konstante Geschäftszahlen. Die operative Marge, an der man die Stabilität des Geschäfts ablesen kann, schwankt zuletzt zwischen 23 und 26 %. Wenn das nicht stabil ist, was dann.
  5. Sie produzieren massig Cash und die Menge an produziertem Cash wird immer mehr (9m-FCF 2016 fast 20 Mrd. $!).
  6. Mit dem Google Pixel haben sie endlich mal ein Smartphone, welches sie auch richtig promoten. Die Nexus-Serie war zwar auch sehr gut (habe selbst eins) und wesentlich preiswerter, als beispielsweise die iPhones, aber das Marketing diesbezüglich habe ich nie so richtig verstanden. Evtl. haben sie Verträge mit den großen Android-Nutzern (Samsung, LG etc.) zurückgehalten? Keine Ahnung.

Was gefällt mir nicht an Google:

  1. Wenn ich bei Google nach 'deutscher value investing blog' suche, steht ich nicht an Stelle 1. Kleiner Witz am Rande :-) Die aktuelle Nummer 1 im Suchergebnis ist meiner Meinung nach von der Aktualität der Beiträge zwar nicht so wirklich gerechtfertigt, aber für das Suchergebnis kann ja Stefan nix. Gute Suchmaschinenoptimierung (SEO) würde ich an der Stelle behaupten. Ich sage nur viel Content, guter Content, wahrscheinlich viele Verlinkungen von außen (z.B. auch von Valueandopportunity), schnelle Ladezeiten durch wenig Bilder, wahrscheinlich immer noch viele Aufrufer...
  2. Aus Datenschützersicht sind sie der Teufel. Und falls sich hier mal Gesetze ändern oder aus irgendeinem Grund jemand von außen an Daten von Google kommt, könnte das das Vertrauen der Nutzer erschüttern. Die Wahrscheinlichkeit dafür schätze ich aber als sehr gering ein.
  3. Aus Sicht der Allgemeinheit ist deren Marktmacht riesig. Sie können Geschäfte genau so schnell nach oben bringen, wie sie sie nach Umstellung ihrer Algorithmen wieder nach unten bringen können. Viele Onlineshops können davon sicherlich ein Lied singen...
  4. So richtig preiswert waren sie nie und werden es wohl auch nie sein. Ein Einstieg fällt mir aus Sicht der Fundamentaldaten einfach schwer, obwohl ich mir der Größe der Moat bewusst bin. KGV > 20. Auf Cashflowbasis ähnlich. Wachstum verlangsamt sich etwas (verständlich bei der Größe). GK-Rendite (12-13 %) und EK-Rendite gut (15-16 %), aber nicht überragend. EV/EBITDA von 16 - na ja...
  5. Manchmal sind sie eben doch zu spät: siehe Google+ vs. Facebook
  6. Unproduktiver Cashberg: erinnert ein wenig an Apple vor Dividendenzahlung und Aktienrückkäufen. Wobei man das auch als Catalyst sehen könnte (Carl Icahn - wo bist du?). Bisher konnten sie widerstehen, die eisernen Reserven aus dem Fenster zu werfen. Aber evtl. ändert sich das ja wieder. Z.B. habe ich kürzlich gelesen, dass sie wohl weiterhin an Snapchat interessiert sind. Das ist ja die App, die Jugendlichen vorgaukelt, dass ihre Partybilder nur temporärer Natur sind.
  7. Bei Gurufocus konnte ich nicht ein einziges Buy eines Insiders finden. Die erhalten ihre Aktien nur über Ausübung von Optionen.
  8. Unternehmensumstrukturierung zur Sicherung und zum Ausbau der Macht gefällt mir eigentlich nicht. Verschiedene Aktienklassen dürften einigen Aktionären nicht gefallen. Die Umstrukturierung der Aktien (A+B+C) hat bei vielen Anlegern für Ärger gesorgt und war aus Aktionärssicht eigentlich völlig überflüssig. Im Endeffekt diente sie dem Anschein nach v.a. zur Zementierung des Einflusses der Firmengründer, was ich persönlich jetzt nicht so richtig toll finde.
  9. In China ist Baidu die Nr. 1, deren Geschäftszahlen übrigens auch sehr gut aussehen. Aber bei China-Unternehmen weiß man ja nie so genau... Hier mal ein Link zu einem Angebote-Vergleich von Baidu vs. Google.
  10. Einige Versuche von Alphabet abseits von Google zu wachsen, scheinen wohl noch nicht so gut zu funktionieren. Hier ist aber sicherlich das letzte Wort auch noch nicht gesprochen. Ich bin z.B. sehr gespannt, wie es mit dem Thema Google-Auto weitergeht, auch wenn ich - ähnlich wie bei Apple - skeptisch bin, was im Endeffekt die Margen in dem Bereich angeht. Auf jeden Fall entfielen in den ersten 9 Monaten lediglich 547 Mio. an Umsatz auf 'Other Bets', wobei diese einen operativen Verlust von 2.5 Mrd. $ verursachten.
  11. Die Steuerrate in 2016 war bisher lediglich rund 18 %. Trump hatte sich ja vor den Wahlen auf dei Fahnen geschrieben, sich der Steuervermeidungstaktik internationaler Konzerne anzunehmen. Ein gewisses Risiko besteht somit, dass diese nicht dauerhaft so niedrig ist.
  12. Knapp 3.8 Mio. ausstehende Optionen mit Durchschnittskurs von 227 $ und 28.3 Mio. RSUs mit Durchschnittskurs von 613 $ sind nicht ohne. Wenn man das so liest: hatte ich schon erwähnt, dass ich mich evtl. mal bei Google bewerben sollte :-)

Bewertung:
Kommen wir einmal zur Bewertung:

Als Ausgangsbasis für meine Bewertung habe ich einen Nettogewinn von 18 Mrd. in 2016 genutzt. Diesen habe ich bis Ende 2020 um 7/10/13 % jährlich wachsen lassen. Als KGV-Multiplier nutze ich diesmal das jeweils Doppelte der Wachstumsrate: also 14, 20 und 26. Als Gesamtanzahl an Aktien nehme ich 700 Mio. an (A+B+C-Aktien). Als Wahrscheinlichkeiten für die Szenarien nutze ich 30/50/20 %. Nicht mit in die Betrachtung habe ich den Cashberg einfließen lassen, welcher aktuell etwa 110 $ pro Aktie ausmacht. Daraus errechnet sich für mich ein fairer Wert Ende 2020, der etwas unter den aktuellen Kursen der börsennotierten A und C-Aktien liegt. Mit meinem Modell liegt also eine Überbewertung vor.

Fazit:
Auch bei riesigen Moats (siehe Coca Cola) liegt der Gewinn für einen Investor am Ende beim richtigen Einstieg. Und es fällt mir bei der aktuellen Bewertung einfach schwer, den jetzigen Zeitpunkt als solchen anzusehen. Natürlich ist Google von den Kennzahlen her preiswerter, als z.B. Facebook, Amazon, Netflix oder Tesla. Aber gleichzeitig sehe ich z.B. ein Apple, welches von den Kennzahlen her nur etwa halb so teuer ist oder ein Gilead, die zwar beim Wachstum so im Moment ihre Probleme haben und vom ethischen Standpunkt nicht zwangsläufig für jeden geeignet sind, aber genau so vor Geld überquellen und ein einstelliges KGV bieten... Alternativ wäre das China-Pendant Baidu mit einem ttm-KGV von 12 zu haben (allerdings gibt es auch hier Wachstumssorgen). Alphabet/Google wandert somit auf meine Watchlist und mit großer Sicherheit in Zukunft auch irgendwann mal in mein Depot. Zum aktuellen Kurs allerdings nicht.

Disclaimer:
Dieser Artikel stellt nur eine Meinungsäußerung dar und ist nicht als Kauf- oder Verkaufsempfehlung zu verstehen. Ich bin kein professioneller Investor oder Anlageberater. Für die gemachten Angaben wird keine Gewähr übernommen, da Fehler bei der Datenübernahme oder aber auch Fehlinterpretationen erfolgt sein können. Bevor du also in das Wertpapier investierst, solltest du dich selbst auf den offiziellen Seiten des Unternehmens schlau machen.

Freitag, 25. November 2016

Gentherm Inc (THRM): Wachstum durch Übernahme des Hauptkonkurrenten

Gentherm Inc (THRM): Wachstum durch Übernahme des Hauptkonkurrenten

Ich las heute einen Artikel über einen Zukunftsforscher, in dem er vor den Folgen der Elektrofahrzeugoffensive für die deutsche Automobilwirtschaft warnt. Eine interessante Aussage dabei kam vom BMW-Gesamtbetriebsratsvorsitzenden Manfred Schoch, der sagte, dass an einem 8-Zylinder-Motor 1200 Teile zu montieren sind und an einem Elektromotor nur 17. Gut für den Kunden (weniger Verschleiß), schlecht für Hersteller bzw. deren Arbeitnehmer. Auf jeden Fall überlegte ich mir daraufhin einmal kurz, welche Teile eines Fahrzeugs mit hoher Wahrscheinlichkeit auch zukünftig verbaut werden - unabhängig von der Antriebsart. Neben offensichtlichen Bestandteilen, wie Rädern, Lichtanlagen oder Spiegeln ist mir dabei das Ausstattungsmerkmal in den Sinn gekommen, welches ich bei Mobile.de bzw. Autoscout-Suchen immer ankreuze: die Sitzheizung. Den Weltmarktführer in diesem Bereich hatte ich schon seit einiger Zeit auf meiner Watchlist stehen und wollte ihn hier und heute nun einmal tiefergehend analysieren: Gentherm Inc (THRM) aus den USA.

Zum Unternehmen:

Das Unternehmen selbst gibt es seit den 90er Jahren. Damals firmierte es noch unter Amerigon Inc. In der jetzigen Form besteht es seit 2011. Damals wurde die deutsche FirmaW.E.T. Automotive Systems AG übernommen - zu der Zeit der Hauptkonkurrent. Wie man aus dem Namen #Gentherm' schon ableiten kann, bieten sie vor allem Produkte im Wärmebereich an. Diese umfassen u.a. Sitzheizungen, Sitzkühlung (sehr angenehm im Sommer - hatte ich mal in einer gemieteten S-Klasse), Lenkradheizung, Batteriekühlsysteme aber auch seit neuestem Temperaturregelsysteme für Menschen (z.B. nach Operationen). Zusätzlich haben sie auch Lösungen zur Stromerzeugung im Angebot (GPT - ähnlich wie Aggreko nehme ich an). Gentherm hat zahlreiche Patente (> 450) in ihren Teilbereichen, was sie meiner Meinung nach vor unliebsamer Konkurrenz schützt bzw. gewisse Eintrittsbarrieren für potentielle Konkurrenten aufbaut. In den älteren SEC-Filings war zu lesen, dass sie u.a. wegen Patentverletzungen auch gegen die W.E.T geklagt hatten, was dann auf lange Sicht sicherlich auch ein Grund für deren Probleme und die vergleichsweise preiswerte Übernahme war (139 Mio. $ als offizieller Kaufpreis in den Büchern vermerkt).

Zum Chartbild:

Man erkennt durchaus, dass es ein Unternehmen in einer zyklischen Branche ist. In 1998 lag der Kurs einmal bei lediglich 0,31 $. Während der Finanzkrise waren sie bis auf 2,14 $ abgerutscht. Seit ihrem Allzeit-Hoch Mitte 2015 haben sie auch teilweise über 50 % verloren.

Geschäftszahlen 2006-2016:

Schauen wir nun einmal, ob sich in den Geschäftszahlen ablesen lässt, warum es zwischenzeitlich so rasant nach oben und seit Mitte 2015 so rasant nach unten ging.

Respekt würde ich sagen. Von 2006-2015 Umsatz um Faktor 17 gesteigert, EBITDA um Faktor 25 gesteigert, Nettogewinn um Faktor 27 gesteigert, FCF um Faktor 16 gesteigert. Gute Margen. Nur in 2016 ging es nicht so rasant weiter, wie gewohnt. Das dürfte dann wohl der Grund für den Kursrückgang sein.

Was gefällt mir an Gentherm:

  1. Sie waren durchgehend profitabel. Selbst während und nach der Finanzkrise, als es vielen Automobilzulieferern sehr schlecht ging, wurden auf Jahressicht keine Verlust eingefahren. Die Steigerungsraten waren phänomenal, auch wenn man bei der W.E.T.-Übernahme ein sehr gutes Timing und gewisses Glück unterstellen muss.
  2. Sie haben quasi fast die gesamte Automobilindustrie als Kunden (GM 18 %, Ford 13 %, Hyundai, VW und Fiat je 10 %, BMW 6 % ...). Ich denke mal, dass es ihnen auch eine gewisse Macht bei Preisverhandlungen gibt, denn ihre Patente schützen sie und die Kunden wollen bestimmte Sachen nun einmal im Auto haben.
  3. Mit ihrer Marktkapitalisierung von 'nur' rund 1.2 Mrd. $ sind sie eigentlich immer noch ein relativ kleines Licht am Börsenhimmel und evtl. neben ihrem hohen Streubesitz von über 80 % auch ein nettes Übernahmeziel für einen größeren Player am Markt wie z.B. Bosch.
  4. Sie denken weiter an die Zukunft. Anfang des Jahres wurde das Unternehmen Cincinnati Sub-Zero für 73.6 Mio. $ übernommen. Dieses ist zwar noch leicht defizitär (-1.5 Mio bei 32 Mio. Umsatz in ersten 9 Monaten), könnte aber evtl. in bestimmten Bereichen abseits des Automobilmarktes wichtig werden. Oder alternativ können sie die mit ihnen erworbenen Technologien in den Automobilbereich überführen. Ich denke da mal an so Sachen, wie Batteriekühlung bei Elektrofahrzeugen, um die Leistung und Langlebigkeit derer zu erhöhen. Das klingt erst einmal sehr gut, aber ich bin jetzt kein Experte und wäre für Input meiner Leser dankbar. Die Solar-Dachpfannen von Tessolar City (oder wie auch immer Tesla + Solar City zukünftig heißt :-)) klingen auch interessant. Ob sie auch Geld bringen, steht da allerdings nicht geschrieben.
  5. Ich mag ihr Cash-Management. Die Verschuldung war viele Jahre bei 0, was ihnen sicherlich v.a. während und nach der Finanzkrise geholfen hat. Selbst im Moment sind sie nahezu schuldenfrei.
  6. Sie haben für die Automobilindustrie sehr gute Margen und Renditen. Eine EK-Rendite von knapp 25 % in 2015 bei mehr oder weniger Schuldenfreiheit sieht man bei Automobilzulieferern nicht allzu oft. Die FCF sind zwar in den letzten Jahren geringer, als die Nettogewinne. Sie sind aber durchgehend positiv, wenn man die 2 großen Akquisitionen (W.E.T. und CSZ) mal rausrechnet.
  7. Sie haben noch etwa 47 Mio. an Verlustvorträgen, welche sie in Zukunft steuermindernd einsetzen können. Die Steuerquote liegt über all die Jahre nur bei etwas über 25 %. In diesem Jahr ist sie - wenn ich es richtig verstanden habe aufgrund eines Einmaleffekts bei Umstrukturierungen - etwas höher.
  8. Sie sind aktuell so preiswert zu bekommen, wie länger nicht und notieren in der Nähe des 52-Wochen-Tiefs.
  9. Kapital wird für Wachstum genutzt (wie z.B. für die CSZ-Übernahme, die evtl. etwas zu teuer war). Es gibt keine Dividende und keine Aktienrückkäufe aktuell. Falls mal irgendwann eine Dividende eingeführt wird, könnte das ein Katalysator sein, da dann evtl. einkommensorientierte Investoren und Fonds einsteigen.
  10. Interessante 10Ks mit vielen Details zu ihren Teilbereichen.
  11. Zahlen relativ wenig Zinsen für ihre Schulden (nur rund 2 %).
  12. Verwässerung durch Optionen überschaubar. Ende 2015 waren noch 1.5 Mio. ausstehend mit Kurs von Durchschnittskurs von 27,46 $.

Was gefällt mir nicht an Gentherm:

  1. Ist immer noch eine zyklische Industrie und irgendwie habe ich das Gefühl, dass wir dem Hochpunkt des aktuellen Zyklus näher sind, als dem Tiefpunkt. Zusätzlich ist es im Moment noch nicht wirklich mein 'Circle of Competence'. Aber das kann ja noch werden.
  2. Das achstum hat sich zuletzt abgeschwächt. Mit 20-30 % Wachstum ist ein KGV von 18 vertretbar. Bei 10 % Wachstum muss man schon zweimal hinschauen.
  3. Aktienzahl wächst. Wenn man mal sieht, dass die Zahl der Aktien seit der W.E.T.-Übernahme um über 50 % gestiegen ist (v.a. durch Umwandlung von Preferred C-Aktien, wenn ich es richtig gesehen habe), dann war die W.E.T.-Übernahme im Nachhinein doch relativ teuer.
  4. Keine der Kennzahlen lässt mich sagen 'Dat Ding ist preiswert'. Preiswert ist es eigentlich nur historisch betrachtet im Vergleich zu den eigenen Kennzahlen z.B. vor 10 Jahren.
  5. Es ist lange her, dass ein Insider gekauft hat. Laut Gurufocus bezitzen Insider lediglich 2,4 % der Aktien. Der CEO Daniel R. Coker (seit 1996 im Unternehmen und seit 2003 CEO) besitzt lediglich rund 54' Aktien. So was bin ich eigentlich nur von deutschen Unternehmen gewohnt. Wobei: durch W.E.T. sind sie ja zu einem Großteil deutsch :-)
  6. Der starke Dollar ist wahrscheinlich nicht so gut für ihre Ergebnisse, da etwa 50 % außerhalb der USA gemacht werden.
  7. Der steuerbedingte Cashabfluss von über 30 Mio. $ für die Umstrukturierungsmaßnahnmen wird in 2017 erfolgen. Und das ist nicht wenig für die Kollegen, auch wenn man genügend auf der hohen Kante hat. Das entspricht mehr oder weniger einem halben Jahr an Entwicklungsbudget, was da weg ist...
  8. Erste relevante Umsätze aus dem Batteriethermal-Bereich werden erst ab 2018 erwartet. Bis dahin fahren noch einige Autos die A9 hoch und runter. Zusätzlich sind hier wahrscheinlich auch viele andere Player unterwegs, um sich frühzeitig ein Stück vom Kuchen zu sichern (Tesla+GM, BMW+LG, Visteon).

Bewertung und Fazit:
Das Wachstum lässt nach. Die Entwicklung neuer Technologien, um den Wissensvorsprung in ihrem Bereich zu halten oder auszubauen, wird auch zukünftig viel Geld kosten. Der Automobilindustrie im Allgemeinen geht es im Moment meiner Meinung nach nicht schlecht. Von daher sprechen hier eigentlich mehr Punkte für ein weiteres Absinken des Kurses. Ein KGV von 17 (9-Monatszahlen mit Faktor 1,3 hochgerechnet) ist zwar preiswerter, als diverse Male in der Unternehmenshistorie, aber auch wesentlich teurer, als ich es aus der Automobilindustrie gewohnt bin. Das Unternehmen selbst gefällt mir sehr gut, aber einsteigen würde ich wahrscheinlich erst, wenn sie etwa weitere 50 % preiswerter wären. 2009 hat gezeigt, wie schnell die Kurse in diesem Bereich abfallen können - selbst für schuldenfreie Unternehmen, welche Gewinne erwirtschaften. Gentherm bleibt auf meiner Watchlist und ist sicherlich einer der Kandidaten, die im Falle einer erneuten Krise aus dem Automobilsektor in mein Depot wandern. Ich sollte mir aus dem Bereich auch mal andere Unternehmen anschauen. Wenn ich doch nur mehr Zeit für so was hätte :-)

Disclaimer:
Ich bin kein Profi. Dieser Artikel ist nur als Meinungsäußerung zu verstehen und weder als Kauf-, Halte- noch Verkaufsempfehlung. Beim Zusammentragen von Daten und Fakten können Fehler und Fehlinterpretationen aufgetreten sein. Von daher sollte sich jeder vor einem Investment in dieses Unternehmen selbst auf den offiziellen Seiten und aus den offiziellen Dokumenten informieren.

Donnerstag, 17. November 2016

Cimpress N.V. (CMPR): The company formally known as Vistaprint

Cimpress N.V. (CMPR): The company formally known as Vistaprint

In letzter Zeit musste ich mich aus privat-geschäftlichen Dingen ein wenig mehr mit dem Thema Marketingmaterialien auseinandersetzen (Visitenkarten, Flyer etc). Und so, wie mir bei Papiertaschentüchern Tempo, bei Suchmaschinen Google und bei Nuss-Nougat-Creme Nutella in den Sinn kommen, musste ich beim Thema Marketingmaterialien direkt an Vistaprint denken. Von diesem Unternehmen hatte ich in der Vergangenheit eigentlich bei gefühlt jeder zweiten Amazon-Bestellung einen Flyer im Paket. Werbung bringt also scheinbar doch manchmal was. Auch bei Leuten wie mir, die z.B. freies Fernsehen - neben der überschaubaren inhaltlichen Qualität - vor allem wegen der Werbung meiden. Nach Besuch der Vistaprint-Webseite wurde ich fündig und konnte mit relativ geringem zeitlichen Aufwand und überschaubaren Kosten schöne neue Visitenkarten und Flyer für eine nahestehende Physiotherapie-Praxis erstellen:

Das Ganze war auf jeden Fall um den Faktor 2-3 preiswerter, als beim Künstler nebenan, mit dem ich kurz in Kontakt stand. Nach Abschluss der Transaktionen dachte ich mir, dass ich sicherlich nicht der einzige Nutzer des Vistaprint-Angebots bin und wollte mehr über das dahinterstehende Unternehmen erfahren. Und so kam es zur Analyse von Cimpress N.V. (CMPR), die man nun hier lesen kann.

Zum Unternehmen:
Das Unternehmen wurde 1994 oder 1995 (je nach Quelle unterschiedliche Angaben) vom Amerikaner Robert Keane in Paris als Vistaprint gegründet. Sein Ziel war es, Kleinunternehmen und Privatkunden auf der einen Seite und Druckerein auf der andern Seite zusammen zu bringen, um diverse Artikel, wie Visitenkarten, Briefpapier oder sonstige Werbematerialien erstellen zu können. Er erkannte relativ früh, dass es einen Markt für sogenannte Mikroaufträge bei Marketingmaterial und sonstigen selbsterstellten Druckerzeugnissen gibt, welcher durch Nutzung von Software nur noch für jeden von überall aus zu geringen Kosten zugänglich gemacht werden müsste. Über Jahre hinweg wuchs das Unternehmen in rasantem Tempo. Zuletzt wurde ein Umsatz von mehr als 1.7 Mrd. $ erwirtschaftet. Ende 2014 wurde eine Namensänderung von Vistaprint in Cimpress N.V. durchgeführt. Das Cim in Cimpress steht hierbei für 'computer integrated manufactoring'. Der Hauptsitz des Unternehmens ist in den Niederlanden und mittlerweile kann man wahrscheinlich durchaus behaupten, dass es einer der weltweiten Marktführer wenn nicht sogar der Weltmarktführer in seinem Bereich (Mass Customization Products) ist.

Chartverlauf:

Allgemein betrachtet ging es seit dem Börsengang inkl. starken Schwankungen (z.B. 2008 bis 2010) bergauf. In den letzten 2 Jahren hat sich der Kurs in etwa verdoppelt. Die Q1-Zahlen kamen nicht ganz so gut an, würde ich behaupten. Von daher sind wir aktuell wieder ein Stück vom Allzeithoch bei etwa 103 $ entfernt.

Geschäftszahlen:

Das starke Wachstum bei Umsatz, EBITDA und bei den Cashflows ist nicht zu übersehen. Die EK-Rendite ist zuletzt auch stark gestiegen, was aber mehr am gesunkenen Eigenkapital denn an gesteigerter Produktivität liegt. Bis 2011 gab es kaum Finanzschulden. Ab 2011 ist die Verschuldung allerdings stark gestiegen und am Goodwill kann man erkennen, dass das Geld v.a. für Übernahmen genutzt wurde. In den vergangenen Jahren gab es eigentlich jedes Jahr eine größere Übernahme. U.a. wurde Ende 2015 die deutsche Online-Druckerei „WIRmachenDRUCK“ für über 140 Mio. € übernommen. Hier einmal ein interessantes Interview zu dem Thema. In den Geschäftsberichten selbst sind die zahlreichen Marken aufgeführt, die mittlerweile zu Cimpress gehören.

Was gefällt mir an Cimpress:

  1. Sie waren bisher durchgehend profitabel, auch wenn im ersten Quartal des aktuellen Geschäftsjahres ein Verlust steht.
  2. Starkes Wachstum auf ganzer Linie. Besonders gefällt mir hier das Wachstum bei den Cashflows, denn diese sind seit einigen Jahren wesentlich höher, als die Nettogewinne. Bei der Bestimmung des FCF habe ich die Ausgaben für Akquisitionen in den letzten Jahren einmal herausgerechnet, auch wenn das Wachstum hier viel damit zusammen hängt. Wenn man den reinen FCF mal gegen die nach oben getriebene Verschuldung hält, sieht diese gar nicht mehr so schlimm aus. Diese wäre rein theoretisch mit dem FCF aus dem letzten Geschäftsjahr in 5 Jahren komplett abbaubar.
  3. Der Gründer Robert Keane hat eine klare Vision. Er erinnert dabei ein wenig an Jeff Bezos von Amazon, denn auch er stellt den Kunden in den Mittelpunkt und möchte v.a. durch neue Dienstleistungen bzw. die Integration der verschiedenen Marken und der bereits angebotenen Dienstleistungen wachsen. Hier ein Link zu einem sehr interessanten Interview mit ihm aus 2014, in dem er einerseits über die Vergangenheit spricht, aber auch über die (damals) Zukunft des Unternehmens.
  4. Es gibt immer wieder starke Kursschwankungen, die einem ggf. einmal einen guten Einstieg ermöglichen. Um es vorweg zu nehmen: im Moment sind sie mir zu teuer, um einzusteigen.
  5. Sie sind meiner Meinung nach ein typischer "Disruptor" - so wie z.B. Amazon im Handelsgeschäft oder Wikipedia bei Lexika. Sie haben ein laufendes Geschäftfeld (Druckerei und Design) meiner Meinung nach verändert. In dem oben verlinkten Interview sagt Mr. Keane aber auch etwas Wichtiges zu dem Thema. Und zwar, dass man das Ganze auch als Chance sehen muss. Sie selbst sind seit einiger Zeit dabei, eine MCP (mass customization platform) zu erstellen, um auch B2B-Integration (also Geschäft zu Geschäft) in diesem Bereich weltweit zu vereinfachen. Es geht dabei - so wie ich es verstanden habe - darum, Händler/Dienstleistungsanbieter (wie Designer) und Ausführer (z.B. Druckerein) zusammen zu bringen. Daraus würde ich ableiten, dass sie die vorhandenen Druckerein und Dienstleister nicht kaputt machen wollen, sondern sie wollen sie integrieren und deren Zusammenarbeit fördern. Den lokal ansässigen Kreativen (Designern) sind sie aber wahrscheinlich trotzdem teilweise ein Dorn im Auge.
  6. Sie sind noch nicht weltweit vertreten und haben somit noch einiges an Platz zum Wachsen. Als Marktführer haben sie schon jetzt gewisse Größenvorteile und somit eine stärkere Position im Verdrängungswettbewerb.
  7. Die Vistaprint-Seite ist einfach zu bedienen. Man kommt schnell zum Ergebnis und im Zuge der Fertigstellung eines Auftrags bekommt man noch diverse 'Vorschläge' unterbreitet, die auf dem verwendeten Design aufbauen. Viele Anwender werden da sicherlich Ideen zu Produkten bekommen, an die sie initial gar nicht gedacht haben (z.B. Kugelschreiber, Tassen, Kalender etc.). Die anderen Angebote/Webseiten habe ich mir nicht weiter angeschaut.

Was gefällt mir nicht an Cimpress:

  1. Die mittlerweile relativ hohe Verschuldung könnte sich irgendwann rächen. Sie bezahlen jetzt schon relativ hohe Zinsen dafür. Sie haben z.B. einen nachrangigen Schuldschein über 275 Mio., der 2022 fällig wird und 7 % Zinsen kostet. Das ist meiner Meinung nach sehr viel in der heutigen Zeit. Auf die knapp 650 Mio. an Finanzschulden inkl. Krediten mit variablen Zinssätzen haben sie in Q1 fast 10 Mio. an Zinsen bezahlt. Pro Jahr wären das 40 Mio. $. Der durchschnittliche Zinssatz liegt also bei über 6 %. Hier kann sich jeder selbst ausrechnen, wie es aussieht, sollten wir mal die Niedrigzinsphase verlassen.
  2. Die Margen sind im Laufe der Zeit kleiner geworden. Dies spricht v.a. für gesteigerten Wettbewerb innerhalb der einzelnen Länder (Nachahmer der Vistaprint-Dienstleistungen?). Hier gibt es wahrscheinlich viele unterschiedliche Anbieter in den verschiedenen Bereichen (T-Shirts, Tassen, bedrucktes Papier, Homepageerstellung), die v.a. über den Preis um Kunden kämpfen. Ich denke da z.B. direkt an das Thema Fotos und damit verbundene Produkte wie Fotobücher, Kalender etc. In Deutschland gibt es zahlreiche Anbieter in diesem Bereich (Lidl Fotos, Aldi Fotos, DM Fotos, CEWE Fotos), die im Endeffekt alle das Gleiche anbieten. Wir haben z.B. zu Hause schon diverse Anbieter ausprobiert und auch wieder gewechselt wegen grottiger Software. An den Endprodukten könnte ich nicht sagen, das ist von dem und jenes ist von dem... Sie sind austauschbar. Im Laufe der Ausarbeitung dieses Beitrags habe ich zusätzlich gesehen, dass Vistaprint auch Fotobücher im Angebot hat... Die gesunkenen Margen könnten allerdings auch damit zusammen hängen, dass sie ihre Ausgaben für innovative Softwarelösungen ähnlich Amazon in die Höhe getrieben haben, ohne kurzfristig gesehen auf die Gewinne zu achten. Zusätzlich haben sie ihre Versandkosten gesenkt, was auch wieder schlecht für die Margen ist. Bin mal gespannt, wann es zur Kundenbindung Vistaprint Prime gibt :-)
  3. Sie waren eigentlich aktientechnisch noch nie so richtig preiswert. Auf die Endkurse ihrer Geschäftsjahre bezogen war das niedrigste KGV bei ihnen einmal knapp 25. Typisch Wachstumsunternehmen halt. Das bietet aber auch Chancen, denn die Kurse gehen oft zurück, wenn das Wachstum mal temporär ausbleibt (wie in Q1). Was ich in diesem Zusammenhang vom Verlust in Q1 zu halten habe, weiß ich nicht so genau, denn dieser soll ja v.a. auf Einmaleffekte zurückzuführen sein (kleine Überflutung in Hauptdruckerei und höhere Earn Out-Kosten durch Erfolg bei Wir-Machen-Druck). Aber wenn man mal die Zahlen vom letzten Geschäftsjahr hernimmt und den aktuellen Kurs von knapp 85 $ ansetzt, landet man bei einem KGV von etwa 50 und einem KFCF von 20. Das ist mir persönlich zu teuer - v.a. bei Wachstumsaussichten von vielleicht 'nur' 10-15 % im Jahr.
  4. Der Erfolg ihrer MCP-Plattform ist für mich nicht abschätzbar. Sie klingt auf dem Papier sehr interessant und beim übernommenen Unternehmen Wir-Machen-Druck scheint sie auf deren Art ja auch schon so funktionieren. Wieviel Geld sich damit verdienen lässt, kann ich aber nicht abschätzen.
  5. Die EBIT-Marge als relativ zuverlässiger Indikator für Geschäftsstabilität (siehe auch interessanten Blogbeitrag zu dem Thema) schwankt doch relativ stark bei ihnen.
  6. Das Ende von Q1 hat gezeigt, dass man auch gewisse naturbedingte Risiken hier nicht außer Acht lassen sollte, denn es gab wohl eine kleine Überflutung in deren Hauptdruckerei, welche für 2 Tage für Stillstand gesorgt hat. Lass da mal ne größere Überflutung oder sonst was sein.
  7. Wenn der Gründer und auch andere Board-Mitglieder Aktien verkaufen, sieht das erst mal nicht so toll aus. Der Gründer Robert Keane besitzt laut Gurufocus im Moment noch etwa 1.77 Mio. Aktien und hat bei um die 100 $ in diesem Jahr Aktien verkauft (für etwa 13 Mio. $). Allerdings sind die 1.77 Mio. Aktien sind immer noch 150 Mio. $ wert, so dass Herr Keane wohl durchaus an einem weiteren Erfolg des Unternehmens interessiert sein sollte.

Bewertung und Fazit:
Bei Cimpress tue ich mich mit einer Bewertung echt schwer. Es gibt hier nichts, was mich direkt auf eine Unterbewertung schließen lässt. Da ich mich in der Branche zu wenig auskenne, kann ich auch nicht einschätzen, wieviel Umsatz und Gewinn sich mit der Plattform, die sie entwickeln, zukünftig verdienen lässt. Es kann also durchaus sein, dass ich hier was Entscheidendes übersehe. Es geht mir da aber ähnlich, wie bei Amazon, bei denen ich zwar treuer Kunde bin, aber einfach schlecht einschätzen, was das Potential der einzelnen Bereiche ist. Bei Amazon bin ich der Meinung, dass das erfolgreiche AWS genau so wenig einen dreistelligen KGV rechtfertigt, wie bei Cimpress einen KGV von 50. Würden sie jetzt mit einem einstelligen KGV oder KFCF gehandelt, würde ich evtl. versuchen tiefer zu graben. Aber so würde ich zum aktuellen Zeitpunkt trotz guter Vision und guter angebotener Dienstleistung aktuellen Wachstum und der gestiegenen Verschuldung die Wahrscheinlichkeit eines Kursanstieg geringer einschätzen, als die für ein weiteres Absinken des Kurses. Das Unternehmen wandert erst mal auf die Watchlist. Kaufen werde ich in nächster Zeit aber wohl keine Aktien von Cimpress.

Disclaimer:
Dieser Artikel stellt nur eine Meinungsäußerung dar und ist nicht als Kauf- oder Verkaufsempfehlung zu verstehen. Ich bin kein professioneller Investor oder Anlageberater. Für die gemachten Angaben wird keine Gewähr übernommen, da Fehler bei der Datenübernahme oder aber auch Fehlinterpretationen erfolgt sein können. Bevor du also in das Wertpapier investierst, solltest du dich selbst auf den offiziellen Seiten des Unternehmens schlau machen.

Freitag, 11. November 2016

K+S AG: Blick auf einen gefallenen Engel aus der Chemiebranche

K+S AG: Blick auf einen gefallenen Engel aus der Chemiebranche

Heute wollte ich einmal ein wenig über die Aktie sprechen, die als Einzige aus der Vor-Abgeltungssteuer-Zeit in meinem Depot liegt: die der K+S AG.

Unter Tage in Bernburg - Salzsteinabbau - © K+S Aktiengesellschaft

K+S steht für Kali und Salz und der Name sagt mehr oder weniger direkt aus, was das Unternehmen macht: Förderung und Vertrieb von Kali- und Salzprodukten. Der Hauptsitz des Unternehmens liegt in Kassel/Hessen. Sie gehörten früher zu BASF und sind seit 1998 als eigenständiges Unternehmen an der Börse. Von September 2008 bis März 2016 waren sie im DAX vertreten. Mir war das Unternehmen schon sehr lange bekannt, da es einer der größten Arbeitgeber in der Region ist, aus der ich ursprünglich komme (Westthüringen, Grenze zu Hessen).

Betrachtung des Kursverlaufs:

K+S AG - Langzeitkursverlauf

Ein Blick auf das Chartbild des Unternehmens zeigt, dass K+S offensichtlich nichts für schwache Nerven ist. In den ersten 10 Jahren ging es eigentlich nur bergauf und viele der damalig Investierten haben sehr gut verdient. Um das Jahr 2000 gab es keinen Boom, wie man ihn damals von anderen Unternehmen kannte. Der kam erst um 2008, als - neben der Aufnahme von K+S in den DAX - die Nachfrage aus China nach den von Ihnen produzierten Rohstoffen die Preise hatte explodieren lassen. Wenn ich mich recht erinnere, stiegen sie z.B. für Kali zu der Zeit auf einen Wert von über 600 $/t. Der damalige und aktuelle CEO Steiner hatte sogar Hoffnungen auf noch höhere Preise und Umsätze geschürt (> 1000 $/t). Die kamen allerdings nicht. Stattdessen folgte die Finanzkrise mit hoher allgemeiner Unsicherheit und einem damit verbundenen starken Einbruch der Nachfrage (und der Kurse). Anschließend gab es bis Mitte 2013 die altbekannte Rohstoffmarkt-Hoffnung 'Alles wird gut. Die alten Preise werden schon wiederkommen.' Viele warten selbst heute immer noch darauf.

Im Juli 2013 kam es zu einem für den Kali-Markt einschneidenden Ereignis, welches bis heute nachwirkt: den Bruch des BPC-Kartells. Bis dahin konnte man den Kali-Markt als Musterbeispiel für ein Duopol hernehmen. Weltweit gab es 2 große Vertriebskartelle, welche die Preise hoch hielten: BPC auf der einen Seite (mit Uralkali und Belaruskali) und Canpotex auf der anderen Seite (mit Potash und Mosaic). Die unabhängigen Hersteller (wie K+S) profitierten auch davon. Doch Uralkali und Belaruskali wollten nicht mehr miteinander (siehe hier) und Uralkali fährt seither die Strategie 'Masse statt Klasse'. Es gab meines Empfindens nach noch nie so viele Kali-Experten an den Aktienmärkten, wie zur damaligen Zeit. (Sarkasmus an) Was mich nach den ganzen Nachrichten und Foren-Diskussionen von damals wundert : Warum ist K+S eigentlich immer noch nicht pleite? Gefühlte 80 % der 'Experten' hatten das doch damals vorhergesagt. (Sarkasmus aus)

Dass K+S wohl doch wertvoller als gedacht ist (oder ggf. nur zwischenzeitlich war?), lässt sich am Kursverlauf Mitte-Ende 2015 ablesen. Hier gab es eine Interessensbekundung von Potash, die wohl bereit waren, mehr als 40 € pro Aktie zu bezahlen. Das Management von K+S war allerdings der Meinung, das sei viel zu wenig, um das den Aktionären zur Entscheidung vorzulegen und Potash ließ es dann im Endeffekt gut sein (und schließt sich mittlerweile lieber mit Agrium zusammen). So kommen wir zum aktuellen Kurs von knapp 20 €. Mich würde interessieren, was das K+S-Management getan hätte, hätte es selbst mehr als eine relativ überschaubare Anzahl an Aktien des eigenen Unternehmens besessen? Vielleicht hätten sie den eigentlichen Besitzern des Unternehmens (uns Aktionären) evtl. etwas mehr Mitspracherecht gegönnt. Aber das ist reine Spekulation...

Probleme des Unternehmens:
K+S hat seit jeher mit einem Problem zu kämpfen: Die Produktionskosten in Europa sind um einiges höher, als z.B. in Russland, Weißrussland oder China. Bei hohen Verkaufspreisen ist das nicht so schlimm. Wenn die Preise allerdings zu stark zurückgehen (wie z.B. Ende 2008 oder nach Juli 2013), ist ab einem bestimmten Punkt 'die Kacke am dampfen', da zum Erwirtschaften eines Gewinns die Einnahmen höher als die Ausgaben sein müssen. Zusätzlich gibt es v.a. in Deutschland doch immer noch extrem viele Umweltschützer, welche dem Unternehmen das Leben schwer machen (Stichworte Pipeline zur Nordsee oder Versenkerlaubnis). Da bei der Produktion doch recht viel Abraum und 'versalzenes' Wasser entsteht, dieses aber nur in bestimmten Mengen z.B. in den Boden verpresst oder den Fluss Werra eingeleitet werden darf, gab es v.a. in diesem Jahr einige Zeiträume, in denen die Produktion zurückgefahren und sogar komplett gestoppt werden musste. Als langfristige Problemlösung für K+S soll das Projekt Legacy (engl. für Vermächtnis) dienen. Dafür wurde seit einigen Jahren in der kanadischen Pampa ein sehr modernes Werk gebaut, welches irgendwann mal um die 2,8 Mio. Tonnen pro Jahr an Kali liefern soll. Eigentlich war der Produktionsstart für dieses Jahr vorgesehen, aber es gab einen Unfall, der das ganze Vorhaben bisher leicht verzögert hat. Nun wird für das zweite Quartal 2017 mit der ersten produzierten Tonne gerechnet und für das Gesamtjahr 2017 mit 2 Tonnen. Wirklich viele News gibt es nicht, aber Kanada ist ja auch ein ganzes Stück weit weg. Da dauert es schon mal ein wenig länger :-) Näheres zu dem Projekt hier.

Geschäftszahlen der letzten 10 Jahre:

K+S AG - Geschäftszahlen - 2006-2016

Insgesamt jetzt nicht so der Burner. Die Umsätze konnten nicht wirklich nachhaltig gesteigert werden und waren nach der Veräußerung des Stickstoffgeschäfts in 2012 sogar stark rückläufig. Rohstoffmarkt-typisch ist das Ergebnis unter dem Strich sehr schwankend. Was überrascht: es wurde nur einmal ein Verlust gemacht in 2007. Viele hätten da sicherlich nach 2013 Schlimmeres erwartet. Der operative Cashflow sieht gut aus und macht Mut für die Zukunft. Der Free Cashflow ist durch den extrem teuren Legacy-Bau seit einiger Zeit negativ. Im Zuge dessen wurde die Verschuldung auch massiv nach oben gefahren und könnte - falls Legacy nicht so läuft, wie gehofft - zu einem echten Problem werden. Die Renditen schwanken auch stark. In 2007 waren sie extrem schlecht. In 2008 waren sie extrem gut. In 2009 dann wieder extrem schlecht. Danach in Ordnung und in diesem Jahr wieder sehr schlecht. Im letzten Quartal (Geschäftszahlen wurden gestern veröffentlicht) gab es sogar einen Verlust unterm Strich. Folge an der Börse: knapp 4 % im Plus :-)

Was gefällt mir an K+S?

  1. Entgegen meiner Erwartungen und Empfindungen sind sie seit vielen Jahren profitabel. V.a. das Salzgeschäft (hier ist K+S meines Wissens nach Weltmarktführer) hat in den letzten Jahren geholfen, das Ergebnis zu retten. Es zeigt sich, dass 2 Standbeine besser sind, als nur eins. Im letzten Quartal wurde allerdings ein kleiner Verlust eingefahren.
  2. Einige Kennzahlen zeigen historisch betrachtet eine gewisse Unterbewertung (KBV < 1). Der Free Cashflow dürfte (und muss eigentlich auch) irgendwann wieder ins Positive drehen. Zusätzlich sind sie von einigen Kennzahlen her preiswerter, als die Wettbewerber Potash, Mosaic und Uralkali.
  3. Die Dividendenrendite ist mit 3-4 % immer ganz annehmbar, v.a. wenn man zum richtigen Zeitpunkt eingestiegen ist. Ihrer Ausschüttungsvorgabe (rund 40 % des Jahresgewinns) bleiben sie treu, auch wenn sie damit manchmal bestimmte Aktionäre vor den Kopf stoßen, die sich konstantere Auszahlungen wünschen würden. Zu den Dividenen-Aristokraten werden sie wohl nie aufsteigen...
  4. Legacy und die zugehörige Infrastruktur (Eisenbahn, Hafen) nähert sich der Fertigstellung und sollte in den kommenden Jahren positiv zum Ergebnis beitragen.
  5. Mit Legacy ist K+S als potentielles Übernahmeziel noch interessanter geworden. Der Rohstoffgigant BHP Billiton ist ja z.B. nicht so wirklich in dem Bereich vertreten. Wenn ich mich im vergangenen Jahr hätte entscheiden müssen, hätte ich Potash meine Anteile wahrscheinlich verkauft. Aber zum Glück hat uns das Management ja davor bewahrt, eine solche Entscheidung treffen zu müssen. Im Moment gestaltet sich das Ganze einfacher: für 20 € trenne ich mich nicht von den Anteilsscheinen.
  6. Die Produktionsstopps in diesem Jahr wurden v.a. über Kurzarbeit abgefangen. Die Kosten für Kurzarbeit werden meines Wissens nach v.a. von der Bundesagentur für Arbeit getragen, so dass die Auswirkungen davon evtl. nicht ganz so extrem sind, wie man initial denken könnte. Zusätzlich konnte man evlt. die Lager leeren und die folgenden geringeren Angebotsmengen auf dem Markt sorgen bei gleichbleibender Nachfrage zu höheren Preisen, so dass K+S am Ende gewinnt. Aber das ist VWL-Grundstudium und wenn ich eins gelernt habe, ist es, dass diesbezüglich sowieso immer alles anders kommt, als man denkt :-)
  7. Ein relativ hoher Teil der Umsätze wird über 'Spezialitäten' erwirtschaftet. Diese haben einen höheren Preis und natürlich auch eine höhere Qualität, als das 'normale' Kali. Dies gibt K+S auch einen gewissen Wettbewerbsvorteil.
  8. V.a. in Europa haben sie ein wesentlich besseres Vertriebsnetz, als die Wettbewerber.
  9. Eigentlich mag ich das Management, da es langfristig denkt (siehe Legacy). Im Juli diesen Jahres gab es diesbezüglich z.B. die Übernahme von Magpower, welche wichtig für Ausbau des Asiengeschäfts ist. Zusätzlich hatte ich etwas vom Salzprojekt Ashburton Salt in Australien gelesen. To be continued würde ich sagen...
  10. Es gibt Leute, die sich sehr gut mit dem Unternehmen auskennen. Im Forum von Finanzen.net gibt es z.B. den Nutzer reitz (aka Umbrellagirl), der doch immer wieder sehr interessante Sachen zu den Diskussionen beiträgt. Allerdings ist es in dem Forum oft schwierig, die guten Beiträge zwischen dem restlichen geistigen Dünnschiss zu finden.
  11. Rein theoretisch ist es ja immer noch ein Markt der Zukunft: Zahl der Menschen wächst. Es muss mehr Nahrung produziert werden. Da die landwirtschaftliche Fläche begrenzt ist, muss die vorhandene Fläche effektiver genutzt werden. Und hier kommen Düngemittel ins Spiel. Probleme entstehen hierbei nur, wenn das Angebot stärker steigt, wie die Nachfrage...
  12. Sie haben immer sehr interessante Geschäftsberichte.
  13. Das Geschäft ist einfacher zu verstehen, als z.B. das von Gilead Sciences. Zur Not habe ich auch in meinem Bekanntenkreis einige Leute, welche ich fragen kann, wenn ich was wissen will.

Was gefällt mir nicht an K+S?

  1. Verschuldung könnte irgendwann zum Problem werden, falls es weitere Verzögerungen bei Legacy gibt oder aber die Umweltprobleme in Deutschland als dauerhaft angesehen werden können. Obwohl: Wenn es mit den Zinsen so weitergeht, bekommen sie evtl. bald Geld dafür, wenn sie Schulden aufnehmen. Für Deutschland und die Schweiz klappt das ja auch :-) Ihr letztes Schuldscheindarlehen über 600 Mio. €, auf welches sie lediglich etwa 1 % Zinsen zahlen (Quelle hier) konnten sie wohl ohne Probleme an den Mann bringen. Abstufungen der Kreditwürdigkeit durch Ratingagenturen wie zuletzt durch S&P dürften langfristig gesehen aber eher nicht so gut sein.
  2. Es gibt hohe sonstige Verbindlichkeiten (Bergbauliche Verpflichtungen von fast 900 Mio. € und Pensionsverpflichtungen von über 200 Mio. €).
  3. Im nächsten Jahr besteht Kitchen-Sink-Gefahr, da der aktuelle CEO Steiner abtritt und durch Dr. Burkhard Lohr ersetzt wird. Neue CEOs bereinigen ja eingangs immer mal gerne die Bilanz, damit sie später glänzen können. Und da Dr. Lohr aktueller Finanzvorstand bei K+S ist, wüsste er auf jeden Fall, wie es geht :-) Aber vielleicht werden wir ja auch positiv überrascht.
  4. Sehr überschaubare Beteiligung des Managements am Unternehmen. Typisch deutsch...
  5. Typisch deutsch - Teil 2: Was sind eigentlich Aktienrückkäufe?
  6. Da ich nicht auf SM stehe bzw. mich nicht gerne selbst quäle, ist K+S eigentlich nichts für mein Nervenkostüm.
  7. Was ist, wenn das Angebot auf dem Markt durch Legacy zu stark steigt und die Preise wieder stärker unter die Räder kommen?
  8. Relativ hohe Währungsabhängigkeit. Einnahmenseitig war der starke Dollar in den letzten Jahren gut. Ausgabenseitig ist Legacy in Kanada dadurch natürlich theoretisch teurer geworden. Aber das kann man sicherlich erst abschließend bewerten, wenn das Projekt mal fertig ist.
  9. Die Aktie selbst hat ein gewisses Loser-Image. Klassischer Fallen Angel eben. Das könnte man allerdings auch positiv sehen: weniger Leute, die die Kurse hochtreiben...

Bewertung:
Potash wollte um die 40 € bezahlen und das Management meinte dazu: viel zu wenig. Schlussfolgerung: K+S ist mindestens 60 € wert. Ende der Bewertung...

Spaß beiseite: Hier mal der Versuch einer EV/EBITDA-Bewertung. Das Management kommuniziert ja schon seit einigen Jahren das Ziel, in 2020 ein EBITDA von 1,6 Mrd. € erwirtschaften zu wollen. Potash wird mit einem EV/EBITDA von rund 12 gehandelt (sehr teuer). Mosaic mit einem von 10 (auch teuer). Nimmt man also mal ein Multiple von 6 an (Legacy ist ja immerhin neu und modern und in Europa und Südamerika ist die Marktposition von K+S ja ganz gut), würde man für 2020 auf ein EV von etwa 10 Mrd. € kommen. Aktuell liegen wir bei etwa 5,5 Mrd. €. Fazit auf EV/EBITDA-Basis: Potential ist also vorhanden.

Versuchen wir es einmal auf FCF-Basis: Über die Jahre wurde immer ein OCF von 500-850 Mio. € erwirtschaftet. Wenn die Investitionen in Legacy irgendwann mal kleiner werden, bleibt am Ende sicherlich ein FCF von sagen wir 300-400 Mio. übrig. Als FCF-Multiple verwende ich gerne 10, so dass wir auf einen 'Wert' von rund 3-4 Mrd. € kommen. Die aktuelle Marktkapitalisierung liegt bei 3,5 Mrd. €. Das Potential hier also eher begrenzt.

Eine dritte Bewertungsvariante wäre das KBV. Hier liegen wir aktuell bei 0,9. Als fair würde ich hier 1 annehmen, so dass es auch hier eine - wenn auch minimale - Unterbewertung vorliegt.

Fazit:
Kein Grund zur Freude aber auch kein Grund zur Panik. Ich behalte meine Aktien. Da die Gewichtung in meinem Depot schon relativ hoch ist, würde ich im Moment keine weiteren hinzu kaufen. Das Aufwärtspotential ist meiner Meinung nach etwas höher als das Abwärtspotential. Auf jeden Fall sollte man Nehmerqualitäten mitbringen, wenn man hier einsteigt. Interessant ist K+S allerdings auch vom politischen Standpunkt her, um zu sehen, wir hoch der Umweltschutz in Zukunft im Vergleich um Schutz von Arbeitsplätzen gehängt wird. Die Umweltbelastungen durch K+S wurden meiner Meinung nach bereits signifikant gesenkt und vielleicht sollte hier auch irgendwann mal gut sein. Sie sind einer der wichtigsten Arbeitgeber der Region Thüringen/Hessen. Da könnte man aus Politikersicht auch mal genauer hinschauen, wem man ans Bein pinkelt. Mit Legacy in der Hinterhand sind die Werke in Deutschland mal ganz schnell geschlossen und die daraus resultierenden vielen Arbeitslosen hätten dann viel Zeit, mit den anschließend glücklichen Fischen ne Runde in der Werra zu schwimmen...

Disclaimer:
Dieser Artikel stellt nur eine Meinungsäußerung dar und ist nicht als Kauf- oder Verkaufsempfehlung zu verstehen. Ich bin kein professioneller Investor oder Anlageberater. Für die gemachten Angaben wird keine Gewähr übernommen, da Fehler bei der Datenübernahme oder aber auch Fehlinterpretationen erfolgt sein können. Bevor du also in das Wertpapier investierst, solltest du dich selbst auf den offiziellen Seiten des Unternehmens schlau machen.