Freitag, 11. November 2016

K+S AG: Blick auf einen gefallenen Engel aus der Chemiebranche

K+S AG: Blick auf einen gefallenen Engel aus der Chemiebranche

Heute wollte ich einmal ein wenig über die Aktie sprechen, die als Einzige aus der Vor-Abgeltungssteuer-Zeit in meinem Depot liegt: die der K+S AG.

Unter Tage in Bernburg - Salzsteinabbau - © K+S Aktiengesellschaft

K+S steht für Kali und Salz und der Name sagt mehr oder weniger direkt aus, was das Unternehmen macht: Förderung und Vertrieb von Kali- und Salzprodukten. Der Hauptsitz des Unternehmens liegt in Kassel/Hessen. Sie gehörten früher zu BASF und sind seit 1998 als eigenständiges Unternehmen an der Börse. Von September 2008 bis März 2016 waren sie im DAX vertreten. Mir war das Unternehmen schon sehr lange bekannt, da es einer der größten Arbeitgeber in der Region ist, aus der ich ursprünglich komme (Westthüringen, Grenze zu Hessen).

Betrachtung des Kursverlaufs:

K+S AG - Langzeitkursverlauf

Ein Blick auf das Chartbild des Unternehmens zeigt, dass K+S offensichtlich nichts für schwache Nerven ist. In den ersten 10 Jahren ging es eigentlich nur bergauf und viele der damalig Investierten haben sehr gut verdient. Um das Jahr 2000 gab es keinen Boom, wie man ihn damals von anderen Unternehmen kannte. Der kam erst um 2008, als - neben der Aufnahme von K+S in den DAX - die Nachfrage aus China nach den von Ihnen produzierten Rohstoffen die Preise hatte explodieren lassen. Wenn ich mich recht erinnere, stiegen sie z.B. für Kali zu der Zeit auf einen Wert von über 600 $/t. Der damalige und aktuelle CEO Steiner hatte sogar Hoffnungen auf noch höhere Preise und Umsätze geschürt (> 1000 $/t). Die kamen allerdings nicht. Stattdessen folgte die Finanzkrise mit hoher allgemeiner Unsicherheit und einem damit verbundenen starken Einbruch der Nachfrage (und der Kurse). Anschließend gab es bis Mitte 2013 die altbekannte Rohstoffmarkt-Hoffnung 'Alles wird gut. Die alten Preise werden schon wiederkommen.' Viele warten selbst heute immer noch darauf.

Im Juli 2013 kam es zu einem für den Kali-Markt einschneidenden Ereignis, welches bis heute nachwirkt: den Bruch des BPC-Kartells. Bis dahin konnte man den Kali-Markt als Musterbeispiel für ein Duopol hernehmen. Weltweit gab es 2 große Vertriebskartelle, welche die Preise hoch hielten: BPC auf der einen Seite (mit Uralkali und Belaruskali) und Canpotex auf der anderen Seite (mit Potash und Mosaic). Die unabhängigen Hersteller (wie K+S) profitierten auch davon. Doch Uralkali und Belaruskali wollten nicht mehr miteinander (siehe hier) und Uralkali fährt seither die Strategie 'Masse statt Klasse'. Es gab meines Empfindens nach noch nie so viele Kali-Experten an den Aktienmärkten, wie zur damaligen Zeit. (Sarkasmus an) Was mich nach den ganzen Nachrichten und Foren-Diskussionen von damals wundert : Warum ist K+S eigentlich immer noch nicht pleite? Gefühlte 80 % der 'Experten' hatten das doch damals vorhergesagt. (Sarkasmus aus)

Dass K+S wohl doch wertvoller als gedacht ist (oder ggf. nur zwischenzeitlich war?), lässt sich am Kursverlauf Mitte-Ende 2015 ablesen. Hier gab es eine Interessensbekundung von Potash, die wohl bereit waren, mehr als 40 € pro Aktie zu bezahlen. Das Management von K+S war allerdings der Meinung, das sei viel zu wenig, um das den Aktionären zur Entscheidung vorzulegen und Potash ließ es dann im Endeffekt gut sein (und schließt sich mittlerweile lieber mit Agrium zusammen). So kommen wir zum aktuellen Kurs von knapp 20 €. Mich würde interessieren, was das K+S-Management getan hätte, hätte es selbst mehr als eine relativ überschaubare Anzahl an Aktien des eigenen Unternehmens besessen? Vielleicht hätten sie den eigentlichen Besitzern des Unternehmens (uns Aktionären) evtl. etwas mehr Mitspracherecht gegönnt. Aber das ist reine Spekulation...

Probleme des Unternehmens:
K+S hat seit jeher mit einem Problem zu kämpfen: Die Produktionskosten in Europa sind um einiges höher, als z.B. in Russland, Weißrussland oder China. Bei hohen Verkaufspreisen ist das nicht so schlimm. Wenn die Preise allerdings zu stark zurückgehen (wie z.B. Ende 2008 oder nach Juli 2013), ist ab einem bestimmten Punkt 'die Kacke am dampfen', da zum Erwirtschaften eines Gewinns die Einnahmen höher als die Ausgaben sein müssen. Zusätzlich gibt es v.a. in Deutschland doch immer noch extrem viele Umweltschützer, welche dem Unternehmen das Leben schwer machen (Stichworte Pipeline zur Nordsee oder Versenkerlaubnis). Da bei der Produktion doch recht viel Abraum und 'versalzenes' Wasser entsteht, dieses aber nur in bestimmten Mengen z.B. in den Boden verpresst oder den Fluss Werra eingeleitet werden darf, gab es v.a. in diesem Jahr einige Zeiträume, in denen die Produktion zurückgefahren und sogar komplett gestoppt werden musste. Als langfristige Problemlösung für K+S soll das Projekt Legacy (engl. für Vermächtnis) dienen. Dafür wurde seit einigen Jahren in der kanadischen Pampa ein sehr modernes Werk gebaut, welches irgendwann mal um die 2,8 Mio. Tonnen pro Jahr an Kali liefern soll. Eigentlich war der Produktionsstart für dieses Jahr vorgesehen, aber es gab einen Unfall, der das ganze Vorhaben bisher leicht verzögert hat. Nun wird für das zweite Quartal 2017 mit der ersten produzierten Tonne gerechnet und für das Gesamtjahr 2017 mit 2 Tonnen. Wirklich viele News gibt es nicht, aber Kanada ist ja auch ein ganzes Stück weit weg. Da dauert es schon mal ein wenig länger :-) Näheres zu dem Projekt hier.

Geschäftszahlen der letzten 10 Jahre:

K+S AG - Geschäftszahlen - 2006-2016

Insgesamt jetzt nicht so der Burner. Die Umsätze konnten nicht wirklich nachhaltig gesteigert werden und waren nach der Veräußerung des Stickstoffgeschäfts in 2012 sogar stark rückläufig. Rohstoffmarkt-typisch ist das Ergebnis unter dem Strich sehr schwankend. Was überrascht: es wurde nur einmal ein Verlust gemacht in 2007. Viele hätten da sicherlich nach 2013 Schlimmeres erwartet. Der operative Cashflow sieht gut aus und macht Mut für die Zukunft. Der Free Cashflow ist durch den extrem teuren Legacy-Bau seit einiger Zeit negativ. Im Zuge dessen wurde die Verschuldung auch massiv nach oben gefahren und könnte - falls Legacy nicht so läuft, wie gehofft - zu einem echten Problem werden. Die Renditen schwanken auch stark. In 2007 waren sie extrem schlecht. In 2008 waren sie extrem gut. In 2009 dann wieder extrem schlecht. Danach in Ordnung und in diesem Jahr wieder sehr schlecht. Im letzten Quartal (Geschäftszahlen wurden gestern veröffentlicht) gab es sogar einen Verlust unterm Strich. Folge an der Börse: knapp 4 % im Plus :-)

Was gefällt mir an K+S?

  1. Entgegen meiner Erwartungen und Empfindungen sind sie seit vielen Jahren profitabel. V.a. das Salzgeschäft (hier ist K+S meines Wissens nach Weltmarktführer) hat in den letzten Jahren geholfen, das Ergebnis zu retten. Es zeigt sich, dass 2 Standbeine besser sind, als nur eins. Im letzten Quartal wurde allerdings ein kleiner Verlust eingefahren.
  2. Einige Kennzahlen zeigen historisch betrachtet eine gewisse Unterbewertung (KBV < 1). Der Free Cashflow dürfte (und muss eigentlich auch) irgendwann wieder ins Positive drehen. Zusätzlich sind sie von einigen Kennzahlen her preiswerter, als die Wettbewerber Potash, Mosaic und Uralkali.
  3. Die Dividendenrendite ist mit 3-4 % immer ganz annehmbar, v.a. wenn man zum richtigen Zeitpunkt eingestiegen ist. Ihrer Ausschüttungsvorgabe (rund 40 % des Jahresgewinns) bleiben sie treu, auch wenn sie damit manchmal bestimmte Aktionäre vor den Kopf stoßen, die sich konstantere Auszahlungen wünschen würden. Zu den Dividenen-Aristokraten werden sie wohl nie aufsteigen...
  4. Legacy und die zugehörige Infrastruktur (Eisenbahn, Hafen) nähert sich der Fertigstellung und sollte in den kommenden Jahren positiv zum Ergebnis beitragen.
  5. Mit Legacy ist K+S als potentielles Übernahmeziel noch interessanter geworden. Der Rohstoffgigant BHP Billiton ist ja z.B. nicht so wirklich in dem Bereich vertreten. Wenn ich mich im vergangenen Jahr hätte entscheiden müssen, hätte ich Potash meine Anteile wahrscheinlich verkauft. Aber zum Glück hat uns das Management ja davor bewahrt, eine solche Entscheidung treffen zu müssen. Im Moment gestaltet sich das Ganze einfacher: für 20 € trenne ich mich nicht von den Anteilsscheinen.
  6. Die Produktionsstopps in diesem Jahr wurden v.a. über Kurzarbeit abgefangen. Die Kosten für Kurzarbeit werden meines Wissens nach v.a. von der Bundesagentur für Arbeit getragen, so dass die Auswirkungen davon evtl. nicht ganz so extrem sind, wie man initial denken könnte. Zusätzlich konnte man evlt. die Lager leeren und die folgenden geringeren Angebotsmengen auf dem Markt sorgen bei gleichbleibender Nachfrage zu höheren Preisen, so dass K+S am Ende gewinnt. Aber das ist VWL-Grundstudium und wenn ich eins gelernt habe, ist es, dass diesbezüglich sowieso immer alles anders kommt, als man denkt :-)
  7. Ein relativ hoher Teil der Umsätze wird über 'Spezialitäten' erwirtschaftet. Diese haben einen höheren Preis und natürlich auch eine höhere Qualität, als das 'normale' Kali. Dies gibt K+S auch einen gewissen Wettbewerbsvorteil.
  8. V.a. in Europa haben sie ein wesentlich besseres Vertriebsnetz, als die Wettbewerber.
  9. Eigentlich mag ich das Management, da es langfristig denkt (siehe Legacy). Im Juli diesen Jahres gab es diesbezüglich z.B. die Übernahme von Magpower, welche wichtig für Ausbau des Asiengeschäfts ist. Zusätzlich hatte ich etwas vom Salzprojekt Ashburton Salt in Australien gelesen. To be continued würde ich sagen...
  10. Es gibt Leute, die sich sehr gut mit dem Unternehmen auskennen. Im Forum von Finanzen.net gibt es z.B. den Nutzer reitz (aka Umbrellagirl), der doch immer wieder sehr interessante Sachen zu den Diskussionen beiträgt. Allerdings ist es in dem Forum oft schwierig, die guten Beiträge zwischen dem restlichen geistigen Dünnschiss zu finden.
  11. Rein theoretisch ist es ja immer noch ein Markt der Zukunft: Zahl der Menschen wächst. Es muss mehr Nahrung produziert werden. Da die landwirtschaftliche Fläche begrenzt ist, muss die vorhandene Fläche effektiver genutzt werden. Und hier kommen Düngemittel ins Spiel. Probleme entstehen hierbei nur, wenn das Angebot stärker steigt, wie die Nachfrage...
  12. Sie haben immer sehr interessante Geschäftsberichte.
  13. Das Geschäft ist einfacher zu verstehen, als z.B. das von Gilead Sciences. Zur Not habe ich auch in meinem Bekanntenkreis einige Leute, welche ich fragen kann, wenn ich was wissen will.

Was gefällt mir nicht an K+S?

  1. Verschuldung könnte irgendwann zum Problem werden, falls es weitere Verzögerungen bei Legacy gibt oder aber die Umweltprobleme in Deutschland als dauerhaft angesehen werden können. Obwohl: Wenn es mit den Zinsen so weitergeht, bekommen sie evtl. bald Geld dafür, wenn sie Schulden aufnehmen. Für Deutschland und die Schweiz klappt das ja auch :-) Ihr letztes Schuldscheindarlehen über 600 Mio. €, auf welches sie lediglich etwa 1 % Zinsen zahlen (Quelle hier) konnten sie wohl ohne Probleme an den Mann bringen. Abstufungen der Kreditwürdigkeit durch Ratingagenturen wie zuletzt durch S&P dürften langfristig gesehen aber eher nicht so gut sein.
  2. Es gibt hohe sonstige Verbindlichkeiten (Bergbauliche Verpflichtungen von fast 900 Mio. € und Pensionsverpflichtungen von über 200 Mio. €).
  3. Im nächsten Jahr besteht Kitchen-Sink-Gefahr, da der aktuelle CEO Steiner abtritt und durch Dr. Burkhard Lohr ersetzt wird. Neue CEOs bereinigen ja eingangs immer mal gerne die Bilanz, damit sie später glänzen können. Und da Dr. Lohr aktueller Finanzvorstand bei K+S ist, wüsste er auf jeden Fall, wie es geht :-) Aber vielleicht werden wir ja auch positiv überrascht.
  4. Sehr überschaubare Beteiligung des Managements am Unternehmen. Typisch deutsch...
  5. Typisch deutsch - Teil 2: Was sind eigentlich Aktienrückkäufe?
  6. Da ich nicht auf SM stehe bzw. mich nicht gerne selbst quäle, ist K+S eigentlich nichts für mein Nervenkostüm.
  7. Was ist, wenn das Angebot auf dem Markt durch Legacy zu stark steigt und die Preise wieder stärker unter die Räder kommen?
  8. Relativ hohe Währungsabhängigkeit. Einnahmenseitig war der starke Dollar in den letzten Jahren gut. Ausgabenseitig ist Legacy in Kanada dadurch natürlich theoretisch teurer geworden. Aber das kann man sicherlich erst abschließend bewerten, wenn das Projekt mal fertig ist.
  9. Die Aktie selbst hat ein gewisses Loser-Image. Klassischer Fallen Angel eben. Das könnte man allerdings auch positiv sehen: weniger Leute, die die Kurse hochtreiben...

Bewertung:
Potash wollte um die 40 € bezahlen und das Management meinte dazu: viel zu wenig. Schlussfolgerung: K+S ist mindestens 60 € wert. Ende der Bewertung...

Spaß beiseite: Hier mal der Versuch einer EV/EBITDA-Bewertung. Das Management kommuniziert ja schon seit einigen Jahren das Ziel, in 2020 ein EBITDA von 1,6 Mrd. € erwirtschaften zu wollen. Potash wird mit einem EV/EBITDA von rund 12 gehandelt (sehr teuer). Mosaic mit einem von 10 (auch teuer). Nimmt man also mal ein Multiple von 6 an (Legacy ist ja immerhin neu und modern und in Europa und Südamerika ist die Marktposition von K+S ja ganz gut), würde man für 2020 auf ein EV von etwa 10 Mrd. € kommen. Aktuell liegen wir bei etwa 5,5 Mrd. €. Fazit auf EV/EBITDA-Basis: Potential ist also vorhanden.

Versuchen wir es einmal auf FCF-Basis: Über die Jahre wurde immer ein OCF von 500-850 Mio. € erwirtschaftet. Wenn die Investitionen in Legacy irgendwann mal kleiner werden, bleibt am Ende sicherlich ein FCF von sagen wir 300-400 Mio. übrig. Als FCF-Multiple verwende ich gerne 10, so dass wir auf einen 'Wert' von rund 3-4 Mrd. € kommen. Die aktuelle Marktkapitalisierung liegt bei 3,5 Mrd. €. Das Potential hier also eher begrenzt.

Eine dritte Bewertungsvariante wäre das KBV. Hier liegen wir aktuell bei 0,9. Als fair würde ich hier 1 annehmen, so dass es auch hier eine - wenn auch minimale - Unterbewertung vorliegt.

Fazit:
Kein Grund zur Freude aber auch kein Grund zur Panik. Ich behalte meine Aktien. Da die Gewichtung in meinem Depot schon relativ hoch ist, würde ich im Moment keine weiteren hinzu kaufen. Das Aufwärtspotential ist meiner Meinung nach etwas höher als das Abwärtspotential. Auf jeden Fall sollte man Nehmerqualitäten mitbringen, wenn man hier einsteigt. Interessant ist K+S allerdings auch vom politischen Standpunkt her, um zu sehen, wir hoch der Umweltschutz in Zukunft im Vergleich um Schutz von Arbeitsplätzen gehängt wird. Die Umweltbelastungen durch K+S wurden meiner Meinung nach bereits signifikant gesenkt und vielleicht sollte hier auch irgendwann mal gut sein. Sie sind einer der wichtigsten Arbeitgeber der Region Thüringen/Hessen. Da könnte man aus Politikersicht auch mal genauer hinschauen, wem man ans Bein pinkelt. Mit Legacy in der Hinterhand sind die Werke in Deutschland mal ganz schnell geschlossen und die daraus resultierenden vielen Arbeitslosen hätten dann viel Zeit, mit den anschließend glücklichen Fischen ne Runde in der Werra zu schwimmen...

Disclaimer:
Dieser Artikel stellt nur eine Meinungsäußerung dar und ist nicht als Kauf- oder Verkaufsempfehlung zu verstehen. Ich bin kein professioneller Investor oder Anlageberater. Für die gemachten Angaben wird keine Gewähr übernommen, da Fehler bei der Datenübernahme oder aber auch Fehlinterpretationen erfolgt sein können. Bevor du also in das Wertpapier investierst, solltest du dich selbst auf den offiziellen Seiten des Unternehmens schlau machen.

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