Mittwoch, 21. Dezember 2016

Syntel (SYNT): IT-Beratungsunternehmen mit erschreckendem Chartbild

Syntel (SYNT): IT-Beratungsunternehmen mit erschreckendem Chartbild

Beim Durchforsten meiner Watchlist bin ich auf Syntel, ein amerikanisch/indisches IT-Consultingunternehmen aufmerksam geworden, welches in den letzten Monaten eine recht interessante Aktion durchgeführt hat. Diese Aktion hat zu einer noch wesentlich interessanteren Investmentsituation geführt. Um es vorweg zu nehmen: ich habe mir mal ein paar der Aktien dieses Unternehmens gekauft. Wichtig ist allerdings, dass sich hier jeder seine eigenen Gedanken macht und alle Fakten und Aussagen dieses Artikels selbst einmal prüfen sollte. Ich bin kein professioneller Investor und Finanzberater. Dieser Artikel stellt keine Aufforderung zum Kauf, Verkauf oder Halten von Aktien der genannten Unternehmen dar. Nachdem das gesagt wurde, fangen wir doch einmal von vorne an.

Zum Unternehmen:
Syntel wurde 1980 in Troy (Michigan, USA) mit einem Initialinvestment von 2.000 $ vom damals 27-jährigen indisch-amerikanischen Unternehmer Bharat Desai und dessen Frau Neerja Sethi gegründet. Desai war bis 2009 CEO und ist seit dem Aufsichtsratsvorsitzender. Die beiden halten zusammen immer noch rund 33 % der Anteile (Desai 8.3 Mio Aktien und Sethi 20.1 Mio. - Info von der SYNT-Eigentümerseite auf Gurufocus). Sie arbeiteten vor der Firmengründung gemeinsam bei Tata Consulting Services in den USA und boten nach der Gründung General Motors und einigen Behörden IT-Beratungsleistungen an. Anschließend bauten sie ihr Geschäft immer weiter aus (siehe auch Firmengeschichte von Syntel ). 1997 folgte der Gang an die Börse und mittlerweile erwirtschaften sie einen Umsatz von fast 1 Mrd. $ weltweit. Das Wachstum erfolgte dabei nur organisch (d.h. ohne Übernahmen von Unternehmen). Aktuell haben sie etwa 23.000 Mitarbeiter, den Großteil davon in Indien. Da sie in der IT-Beratungsbranche tätig sind, gelten viele der allgemeinen Aussagen aus den Artikeln zu IT-Consultingunternehmen, Accenture und Infosys auch für sie.

Chartbild:

Wie schon erwähnt gingen sie 1997 an die Börse. Wie für die meisten IT-Unternehmen gab es um 2001 den Tiefpunkt und seitdem ging es eigentlich stetig bergauf. In 2008 kann man die Finanzkrise ganz gut erkennen, am auffälligsten ist allerdings der Absturz Ende 2016. Mehr zu diesem später.

Geschäftszahlen 2006-2016:

Syntel hat in den letzten Jahren ein beeindruckendes Wachstum hingelegt. Selbst während und vor allem nach der Finanzkrise konnten sie ihre Umsätze und Gewinne noch einmal signifikant steigern. Sie waren durchgehend profitabel und haben dabei trotz stark wachsendem Cashberg überdurchschnittliche Renditen erwirtschaftet. Die EK-Rendite lag nie unter 21 %, die GK-Rendite nie unter 17 %. Auch die EBIT-Marge war in den letzten 4-5 Jahren sehr konstant rund um die 30 %, was für ein recht stabiles Geschäft spricht. Der Goodwill ist auch jetzt noch so hoch, wie vor 10 Jahren - nahe 0. Daran kann man erkennen, dass sie nur organisch gewachsen sind. Es wurden keine nennenswerten Übernahmen getätigt. Wie kam es also zu dem Absturz?

Der Absturz:
Hohe Cashberge wecken Begehrlichkeiten (siehe Apple). Investoren (und solche die es werden wollen) würden im Allgemeinen am liebsten Ausschüttungen über Dividenden oder Aktienrückkäufe sehen, die Wall Street Guys am liebsten Aktivitäten an der M&A-Front (=Unternehmenskäufe, die sie dann beratend begleiten können). Wie viele andere Unternehmen auch hatte Syntel das Problem, dass das Geld im Ausland lag (v.a. Indien und UK). D.h. es konnte nicht so einfach in die USA transferiert werden, da für die Rückführung Steuern zu zahlen sind. Apple löste das Problem bisher so, dass sie in den USA Schulden aufgenommen haben für Dividenden und Aktienrückkäufe. Der Cashberg verblieb in den jeweiligen Ländern. Nebenher warten sie wahrscheinlich wie viele andere Unternehmen auch auf einen entsprechenden Tax Holiday.

Syntel war nicht so geduldig und verkündete im September etwas überraschend die Zahlung einer Sonderdividende von 15 $ pro Aktie (insgesamt 1.26 Mrd. $). Diese wurde zwischenzeitlich aus den Cashbeständen, welche in die USA gebracht wurden, und zusätzlich aufgenommenen Schulden beglichen. Für die Rückführung fielen einmalige Sonderausgaben für Steuern in Höhe von knapp 270 Mio. $ an. Statt eines Nettocashbestandes von 880 Mio. $ Ende 2015 hat Syntel nun einen von Schuldenstand von effektiv 391 Mio. $. Das Eigenkapital wurde im letzten 10Q mit -220 Mio. $ angegeben. Im Normalfall heißt ein negatives Eigenkapital nichts gutes und ist verbunden mit einer Kapitalerhöhung. Warum ich die Situation bei Syntel mag und eingestiegen bin, erläutere ich jetzt.

Was gefällt mir an Syntel?

  1. Sie sind sehr profitabel und haben in den letzten Jahren keine Verluste gemacht. Das Geschäftsmodell mit dem IT-Outsourcing dürfte auch weiterhin seine Bedeutung behalten.
  2. Das IT-Beratungsgeschäft ist nicht sonderlich kapitalintensiv. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass man größtenteils nur Arbeitskraft und ein paar Rechner benötigt. Die CAPEX-Ausgaben von Syntel liegen meist nur so zwischen 20-30 Mio. $/Jahr. Wachstum geschieht über die Akquise neuer Kunden und Projekte verbunden mit der Aufstockung an Angestellten (wenn notwendig). Mit ihrem "Customer for Life"-Mantra drücken sie aus, dass sie bestehende Kunden durch hochwertige Dienstleistungen an sich binden wollen.
  3. Da die CAPEX-Ausgaben recht überschaubar sind und Syntel v.a. organisch wächst, landet der Großteil der Gewinne auch auf den Bankkonten. In den letzten beiden Jahren konnten Free Cashflows von jeweils über 200 Mio. erwirtschaftet werden und auch in 2016 sieht es, wenn man die Sonderausgaben mal rausrechnet, ganz gut aus. Die jetzt angehäuften Schulden sollten also selbst bei ausbleibendem Wachstum relativ schnell abgebaut werden können und das 'Spiel' geht von vorne los.
  4. Mit einer Marktkapitalisierung von 1,7 Mrd. $ sind sie ein relativ kleines Licht am IT-Beratungshimmel und dürften für viele Investoren dadurch unter dem Radar fliegen. Zusätzlich gibt es für viele potentielle Interessenten jetzt Faktoren, die Investments in Syntel vorerst verbieten (also z.B. keine unregelmäßigen Dividendenzahler, keine Unternehmen mit negativem Eigenkapital, keine Unternehmen, die Verluste machen).
  5. In letzter Zeit gab es einige Insiderkäufe zu verzeichnen, wenn auch in überschaubaren Mengen.
  6. Der Gründer hat immer noch viel zu sagen und sollte auch weiterhin an einer guten Aktienkursentwicklung interessiert sein.
  7. Die normalisierten Margen sind immer noch sehr hoch.
  8. Historisch betrachtet sind sie so preiswert, wie lange nicht. Das Kurs-Umsatz-Verhältnis war in den letzten Jahren noch nie ansatzweise so niedrig. Die normalisierten Gewinne (d.h. ohne die Belastung durch die Steuer) würden zu einem einstelligen KGV führen. Die EV/EBIT-Kennzahl ist auch so niedrig, wie zuletzt in der Finanzkrise. Sie liegt mit knapp 8 zusätzlich deutlich unter dem Branchenschnitt von 12-13.
  9. Deren Branche liegt in meinem Circle of Competence.
  10. Mit der SyntBots-Technologie haben sie seit 2015 eine recht innovative Lösung im Angebot. Die SyntBots sollen v.a. dabei helfen, manuelle Prozesse zu reduzieren. Anwendungsbereiche dafür sind Supporttätigkeiten, Testfallerstellung, das Testen selbst, Monitoring. Ein konkretes Beispiel wäre der Systemabsturz einer Anwendung. In viele Fällen ist hier bisher eine manuelle Reaktion notwendig inkl. Sicherung der Logfiles, Neustart der Server, Schauen, ob Fehler schon bekannt ist, Erfassung eines Fehlerberichts etc. Mit deren SyntBots lassen sich diese Prozesse wohl teilweise automatisieren, wodurch natürlich Arbeitskräfte eingespart werden und unter Umständen auch die Down-Zeiten verringert werden können. Wenn ich das so lese, wäre evtl. das von mir analysierte Support.com für sie ein interessantes Übernahmeziel.
  11. Sie zahlen immer noch relativ wenig für ihre Kredite. Unter anderem läuft ein Kredit bei der Bank of America aktuell mit Zinsen von rund 2 %. Nachteil dieses Darlehens: die Verzinsung ist variabel (LIBOR + 1,5 %).

Was gefällt mir nicht an Syntel?

  1. Durch die Sonderdividende ist ein wenig untergegangen, dass sie - wie die meisten anderen indischen IT-Unternehmen auch - im Moment gewisse Probleme mit dem Wachstum haben. Zuletzt waren die Umsätze und operativen Gewinne im Vergleich zum Vorjahresquartal sogar zurückgegangen. Im Conference Call haben sie es v.a. auf die Zurückhaltung von Kundenentscheidungen im Gesundheitswesen zurückgeführt. Ich kann mir dabei durchaus vorstellen, dass viele Kunden erst einmal den Ausgang der US-Präsidentsschaftswahlen abwarten wollten, in der sich ja Donald Trump letzendlich durchgesetzt hat.
  2. Der letzte CEO wurde recht unvermittelt und ohne Vorankündigung vor ein paar Wochen ersetzt (siehe Syntel-CEO ersetzt). Aussagen zum Warum wurden nicht getroffen.
  3. Es sind halt doch viele Inder beteiligt, welche im Endeffekt die Geschäfte übernehmen. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass die Qualität da in manchen Fällen zu wünschen übrig lassen kann. Zusätzlich hat man auch immer das Problem mit der hohen Fluktuation in der Arbeiterschaft. Auch bei Syntel liegt die sogenannte Attrition Rate mit 25.4 % recht hoch. Bei Accenture liegt sie bei rund 15 %, bei Infosys bei etwa 18 %. Oft ist es so, dass nicht die fähigsten Mitarbeiter bleiben...
  4. Die Auslastung der Kollegen ist verbesserungswürdig. Die Utilization liegt bei 94.5% Onsite (d.h. bei Kundenprojekten in US + Europa), 78.9% Offshore (d.h. in Indien) und 82.3% global. Rund 25% der Mitarbeiter arbeiten Onsite und 75% Offshore.
  5. Die Sonderdividende war sicherlich nicht optimal. Man fragt sich ein wenig, warum sie nicht Ausgang der Wahl abgewartet haben. Mad Donnie, der neue Mann des Volkes in Amerika, hat ja bisher schon gezeigt, wie er den bösen Leuten der Wall Street in den Arsch tritt (Außenminister von Exxon, Finanzminister von Goldman Sachs...). Von daher hätte man zumindest bis nächstes Jahr noch auf einen Tax Holiday spekulieren können... Aber im Endeffekt hat ja erst diese Dividendenaktion zu den aktuellen Kursen geführt und somit hat sie ja auch was Gutes.
  6. Es gibt für Syntel ein branchentechnisches Klumpenrisiko. Über 50 % der Umsätze werden mit Banking und Finanzindustrie gemacht. Die nächstgrößere Branche ist HealthCare. Zusätzlich werden fast 90 % der Umsätze in den USA gemacht. Das heißt zwar einerseits, dass es z.B. in Europa noch gewisses Wachstumspotential gibt, aber eben auch, dass man extrem stark von der amerikanischen Konjunktur abhängig ist. Die Länder- und Branchen-Diversifikation ist bei Infosys und auch Accenture um einiges besser.
  7. Dass die Top3-Kunden knapp 47 % der Umsätze bringen (Nr. 4-30 bringen weitere 43 %) kann man auch als Risiko ansehen.
  8. In Deutschland wird die Aktie kaum gehandelt. D.h. man sollte sich bei Interesse über die NASDAQ eindecken.
  9. Die Farbgebung der Syntel-Webseite würde eher zu einem Bestattungsunternehmen passen. Sehr viel schwarz und grau...

Versuch einer Bewertung:

Ausgangspunkt meiner Bewertung war der Umsatz in 2016. Ich habe damit 3 Szenarien ausgearbeitet, welche einen EBIT für Ende 2020 bestimmten. Anhand eines EV/EBIT-Faktors kam ich dann zu einem EnterpriseValue, welcher sich für 2020 ergeben würde. Aus diesem bestimmte ich dann eine Marktkapitalisierung (durch Schätzung des Schuldenabbaus bzw. Neuaufbau eines Cashberges) und am Ende ergab sich ein gewichteter Kurs. Da dieser signifikant über dem aktuellen von rund 20 $ lag und somit auch ein gewisser Sicherheitspuffer vorhanden ist, habe ich mich für den Kauf von einigen Aktien entschlossen.

Fazit:
Es gibt zwar einige Punkte, die Syntel besser machen kann. Aber es gibt eben auch vieles, was ich an ihnen mag. Ich habe mich zu einem Kauf entschlossen, da ich in der Gesamtheit der Faktoren eine gewisse Unterbewertung sehe. Das operative Geschäft ist ähnlich robust und profitabel, wie das der Wettbewerber. Allerdings muss man bei Syntel ein ganzes Stück weniger dafür bezahlen. In den kommenden Jahren sollte die Bilanz dann auch wieder besser werden. Meiner Meinung nach ist es - wenn der Gründer bzw. dessen Frau mitspielt - durchaus denkbar, dass sie irgendwann auch mal übernommen werden. Infosys hat ja auch einen riesigen Cashberg und die wollen ihre Umsätze bis 2020 ja auch noch signifikant steigern, was auf organischem Wege evtl. schwierig werden könnte. Aber das hatte ich ja in meiner Bewertung von Infosys auch schon geschrieben

Disclaimer:
Dieser Artikel stellt nur eine Meinungsäußerung dar und ist nicht als Kauf- oder Verkaufsempfehlung zu verstehen. Ich bin kein professioneller Investor oder Anlageberater. Für die gemachten Angaben wird keine Gewähr übernommen, da Fehler bei der Datenübernahme oder aber auch Fehlinterpretationen erfolgt sein können. Bevor du also in das Wertpapier investierst, solltest du dich selbst auf den offiziellen Seiten des Unternehmens schlau machen.

3 Kommentare:

  1. Syntel ist ja gestern noch mal gut zurückgekommen und noch preiswerter. Bronte hat das Thema aufgegriffen: http://brontecapital.blogspot.de/2017/02/syntel-plea-for-help.html - wie ist denn deine Meinung dazu?
    Das nächste meetup in München ist übrigens am 09. März. Vllt klappt es ja bei dir!

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    1. Hallo ebdem,

      danke für den Bronte-Link. Sehr interessant (auch die Kommentare). Die Zahlen waren für mich jetzt erst mal nicht so überraschend. Auch der etwas negative Ausblick nicht. Trump versucht ja irgendwie, den Outsourcingfirmen Steine in den Weg zu legen. Und das ist dann evtl. deren Berücksichtigung dieser 'Unsicherheit'. Mich hatte an der Stelle eher gewundert, dass sie in den vergangenen Wochen so gut gelaufen sind...

      Abwarten und Tee trinken sag ich da mal ...

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  2. Atos hat ein Übernahmeangebot über 41 $ abgegeben. Das erklärt - neben den guten Geschäftszahlen - den Kursanstieg der letzten Monate.

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