Dienstag, 24. Januar 2017

Myriad Genetics (MYGN): Was Angelina Jolie mit Biotechnologie zu tun hat

Myriad Genetics (MYGN): Was Angelina Jolie mit Biotechnologie zu tun hat

Vor kurzem habe ich im Zuge von weiterem Aufbau von Branchenwissen mal wieder ein wenig im Biotechnologiebereich gestöbert. Dort hatte ich mir ja bereits in der Vergangenheit (leider) eine kleinere Position in Gilead Sciences aufgebaut und weiß, dass diese ihr Portfolio gerne auf weitere Bereiche wie NASH, Onkologie oder Hepatitis B ausweiten möchten.

Der Bereich der Onkologie ist der Zweig der inneren Medizin, welcher sich mit dem Thema Krebs befasst. Er beinhaltet sowohl die Vorsorge, die Erkennung und auch die Behandlung von Krebs. Obwohl das Ziel der meisten Forschungen wohl in Richtung zuverlässige Heilung der Krankheit geht, gibt es auch viele Forschungen im Bereich der Früherkennung. Wie wichtig diese frühe Erkennung von Krebs bzw. die Einschätzung von Risiken für eine zukünftige Krebserkrankung sind, wird einem immer dann bewusst, wenn im Familien-, Freundes- oder Bekanntenkreis mal wieder jemand erkrankt ist und dann in relativ kurzer Zeit verstirbt. Fälle wie die von David Bowie, Alan Rickman, Guido Westerwelle oder Miriam Pielhau zeigten in 2016 auch der breiten Öffentlichkeit wieder einmal, wie häufig der Krebs doch zuschlägt. Das Unternehmen, welches ich heute vorstellen und analysieren wollte, ist v.a. im Krebsfrüherkennungsbereich tätig und trägt den Namen Myriad Genetics (MYGN - im Folgenden nur noch Myriad genannt).

Zum Unternehmen:
Myriad gibt es seit 1992 und ist in Salt Lake City, Utah beheimatet. Sie sind darauf spezialisiert, Genmaterial eines Menschen im Zuge von Tests auf bestimmte Sequenzen zu untersuchen, um die Wahrscheinlichkeit für Erkrankungen an Krebs zu berechnen. Sie bieten Tests für verschiedenste Krebsarten an wie z.B. Brust-, Darm-, Eierstock-, Schilddrüsen-, Prostata- und Hautkrebs. Besondere mediale Aufmerksamkeit kam ihnen zu, als Angelina Jolie 2013 ihre Brüste amputieren ließ, nachdem ein Myriad-Test bei ihr das sogenannte BRCA1-Gen identifizierte. Der von ihr durchgeführte Schritt fand zwar nicht überall Zustimmung (siehe auch kritischen Beitrag auf der Seite 'The Truth about Cancer'), reichte aber aus, um bei Myriad für einen gewissen Anstieg der Umsätze zu sorgen. Hauptgrund war, dass sich anschließend mehr Frauen testen ließen.

Das Geschäftsmodell von Myriad lässt sich folgendermaßen beschreiben: einerseits geht es darum, neue relevante Gensequenzen zu entdecken und andererseits darum, zuverlässige Tests dafür anzubieten. Diese sollen dann dazu führen, Krebs frühzeitig zu identifizieren (oder gar gänzlich zu vermeiden). Somit können dann theoretisch die Leiden der Patienten vermieden und anfallende Folgekosten (z.B. für Chemotherapie, Strahlentherapie) verringert werden. Klingt für mich nach einer Win-Win-Situation, wenn man nicht gerade Medizin oder Geräte in dem Bereich verkauft oder auf eine hohe Auslastung durch Patienten angewiesen ist.

Das Problem an der Geschichte ist, dass es in 2013 ein Gerichtsurteil gegen Myriad gab, indem das Gericht festlegte, dass man auf Gensequenzen keine Patente erhalten kann. Bisher erteilte Patente wurden für hinfällig erklärt, da diese Gensequenzen Produkte der Natur sind und keine 'Erfindung'. Seitdem gibt es auch diverse Unternehmen, die Alternativtests anbieten, wie z.B. LabCorp, Invitae, Ambry Genetics oder die Discountvariante für 249 $ von Color Genomics. Das Alleinstellungsmerkmal ist somit dahin und daher sucht Myriad seither v.a. durch Diversifikation (sprich Unternehmensübernahmen) sein Portfolio an Tests zu erweitern bzw. vorhandene Tests zu verbessern. Nach eigener Einschätzung haben sie die beste Pipeline in ihrem Marktsegment und ist auch sonst am besten positioniert. Dass sich damit gutes Geld verdienen ließ, kann man sehr gut an den Geschäftszahlen erkennen:

Geschäftszahlen seit 2006:

Die Umsätze sind seit 2006 sehr stark gestiegen. In 2010 wurde ihr defizitäres Medizingeschäft Myriad Pharmaceuticals abgespalten und führt seitdem unter dem Namen Myrexis ein Schattendasein. Bei den Gewinnen und Cashflows sind gewisse Schwankungen erkennbar. Man könnte sie aber trotzdem als stark bezeichnen. Auch die Renditen waren überdurchschnittlich. Das Geschäft selbst ist nicht sonderlich kapitalintensiv, wie man an den Cashflows erkennen kann. Bis letztes Jahr hatten sie eine Netto-Cashposition und meist eine Eigenkapitalquote von 80-90 %. Ihr Geschäftsjahr geht immer bis Ende Juni. Von daher sind die letzten verfügbaren Zahlen von Juli-September 2016. In diesen Zeitraum fiel dann auch die relativ kostspielige Übernahme (225 Mio direkt zzgl. ggf. noch 185 Mio. weiteren, wenn bestimmte Meilensteine erreicht werden) des Unternehmens Assurex und dessen Hauptprodukt GeneSight, welche die aktuellen Zahlen verzerren und eine Einschätzung der Zukunft schwierig machen. Allerdings könnte man auch sagen, dass der Markt das Potential ggf. falsch einschätzt. Das gilt es herauszufinden...

Assurex selbst hat einiges an Schulden mitgebracht (negatives Eigenkapital) und ist im Moment noch defizitär. Im ersten Halbjahr sind bei denen Verluste von 22 Mio. angefallen und es gab einen negativen OCF von knapp 20 Mio. Im September machten sie 7.2 Mio. an Umsatz (also rund 86 Mio./Jahr, wenn man es mal hochrechnet - sie haben 70 % Umsatzwachstum vorzuweisen). Nach Aussage des Managements wurden diese 7.2 Mio durch 18.000 Tests erwirtschaftet, so dass wir auf rund 400 $ Umsatz/Test kommen. Spätestens in 2018 soll Assurex kostendeckend arbeiten, was dahingehend wichtig ist, da die Umsätze bei Myriad durch eigene Tests rückläufig sind. Durch die Übernahme hat Myriad jetzt auch das erst Mal Schulden (rund 200 Mio.), auch wenn noch in etwa Barmittel und Investments in gleicher Höhe vorhanden sind.

Wie der Markt die Übernahme und das rückläufige eigene Geschäft aufgenommen hat, kann man am Chartbild sehr gut erkennen:

Seit ihrem Hoch bei rund 46 $ Ende 2015 haben sie über 60 % an Wert verloren. Marktkapitalisierung und Enterprise Value liegen mittlerweile nur noch bei rund 1 Mrd $. Auch in der Vergangenheit hat es schon viele Phasen des Auf und Ab gegeben. Wer z.B. in 1998 für rund 1,87 $ zugriff, konnte sich in rund 2 Jahren über einen 34-Bagger freuen. Wen es interessiert: laut den Myriad-SEC-Filings war der Hauptfortschritt von 1998-2000, dass sie ihren Nettoverlust von knapp 10 Mio. auf knapp 7.2 Mio. verringern konnten. Das waren schon verrückte Zeiten damals...

Was gefällt mir an Myriad:

  1. Sie waren in der Vergangenheit profitabel und werden es wohl auch in der Zukunft wieder werden, unabhängig von den bescheidenen Q1-Zahlen.
  2. Ihre Lobbyarbeit scheint wieder besser zu funktionieren, denn sie haben laut dem letzten 10Q 'preferred provider agreements' mit 2 Arztnetzwerken abgeschlossen, welchen rund 70 % der lokalen Onkologen angehören.
  3. Durch die Übernahme ist der Kurs aktuell in sagen wir einmal interessanten Regionen.
  4. Effektiv sind sie immer noch schuldenfrei. Sie haben jetzt zwar rund 200 Mio. an Finanzschulden (+ rund 180 Mio. an ausstehenden Erfolgszahlungen für Assurex), aber es sind eben immer noch rund 200 Mio. an freien Mitteln verfügbar.
  5. Über Assurex haben sie einiges an Verlustvorträgen erworben. Dies sollte sich steuerlich in den kommenden Jahren positiv bemerkbar machen.
  6. Die Managementbezahlung würde ich als in Ordnung einschätzen (siehe passende Zahlen für Myriad auf Morningstar). Was allerdings auffällt: der Großteil der Bezahlung erfolgt mittlerweile in RSUs. Dies wurde in 2014 von Optionen auf RSUs umgestellt, da wohl die Ausübungskurse für Optionen dann zu teuer gewesen wären. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt...
  7. Eine Verwässerung durch Optionen und RSUs ist im Moment nicht zu erwarten. Es sind 7.6 Mio. Optionen ausstehend mit Ausübungspreis von 24,45 $ (d.h. die wird niemand ausüben zum aktuellen Kurs). Zusätzlich sind 2 Mio. RSUs ausstehend mit Preis von 33,62 $.

Was gefällt mir nicht an Myriad:

  1. Die Assurex-Übernahme war schon recht teuer. In den vergangenen Jahren wurden bereits weitere Übernahmen durchgeführt und bisher ist der große Durchbruch noch nicht gelungen. In 2014 wurde Crescendo Bioscience für 270 Mio. in Cash übernommen. In 2015 wurde die Privatklinik Dr. Robert Schindlbeck GmbH & Co. KG in Nähe von München für knapp 20 Mio. übernommen und im Mai 2016 wurde mit der Sividon Diagnostics GmbH für rund 39 Mio.eine weitere Übernahme in Deutschland durchgeführt. Insgesamt hat sich jetzt ein Goodwill von über 300 Mio. angesammelt. Viel Platz für zukünftige Abschreibungen also...
  2. Das für Myriad negative Gerichtsurteil wurde bereits angesprochen inkl. der dadurch entstandenen neuen Konkurrenzsituation. Ihr Hauptumsatzbereich ist der des 'Hereditary Cancer Testing'. Dieser ist für knapp 80 % der Umsätze zuständig und in letzter Zeit rückläufig. Früher gab es in diesem Bereich viele Einzeltests, doch mittlerweile sind sie gezwungen, viele der Tests zusammenzufassen und als Gesamtpaket anzubieten, um einen Mehrwert gegenüber der Konkurrenz zu bieten. Man könnte also von auch von einer Kannibalisierung des eigenen Geschäfts sprechen.
  3. Trotz der Übernahmen gehen sie lediglich davon aus, dass der Umsatz im aktuellen Geschäftsjahr (740-760 Mio.) dem des Vorjahres entspricht. Die Profitabilität wird wohl nicht erreicht. Sie rechnen mit adjusted earnings von etwa 1-1.10 $. Nach GAAP landet man dann wohl nur bei etwa 0.50-0.60 $, was einem KGV von rund 25-30 ergibt.
  4. Es gibt eine sehr geringe Insiderbeteiligung. Der CEO hat lediglich rund 146' Aktien, nach dem, was ich bei Gurufocus sehen konnte. Also 'nur' für knapp 2 Mio. $.
  5. Es wurden zwar in der Vergangenheit viele Aktienrückkäufe durchgeführt und es gibt auch noch ein aktives Aktienrückkaufprogramm, aber wenn man sich die Kursentwicklung so angeschaut hat, hätte man doch einiges sparen können bzw. mehr Aktien erwerben können.
  6. Nicht wirklich mein Kompetenzbereich. War das erste Mal, dass ich mich mit dem Thema Krebstests auseinander gesetzt habe.

Bewertung:
Ich würde Myriad anhand seiner Cashflows bewerten. In all den Jahren nach dem Erreichen der Gewinnschwelle schwankten die Free Cashflows im Bezug auf den Umsatz immer zwischen 16 % und 40 %. Für meine 3 Szenarien würde ich mit FCF-Margen von 10 %, 15 % und 20 % rechnen - also historisch eher unterdurchschnittlich. Beim Umsatzwachstum würde ich von 0 %, 5 % und 10 % ausgehen. Ein weiterer Faktor wären die Aktienrückkäufe und die zugestandenen FCF-Multiplikatoren. Da ich mir unschlüssig bin bezüglich der Wahrscheinlichkeiten, setze ich jeweils 1/3 an. So würde das Ergebnis aussehen:

Fazit:
Trotz relativ vorsichtiger Annahmen käme ich auf ein Potential von knapp 50 %. Das sieht erst einmal gut aus. Allerdings habe ich bisher noch keine Aktien erworben und werde auch erst einmal noch abwarten. Dafür müsste ich mir erst einmal die Konkurrenz anschauen. Es ist für mich schwierig, in diesem Bereich Vorhersagen zu treffen. Gilead Sciences hat mir gezeigt, dass die 'Es wird schon nicht so schlimm werden'-Einstellung manchmal (oder meistens?) eben doch nicht angebracht ist. Von daher wandert Myriad erst einmal nur auf die Watchlist und ich werde periodisch prüfen, wie es aussieht. Ggf. sind die Geschäftszahlen dann nicht mehr so sehr durch die Auswirkungen der letzten kostspieligen Übernahme verzerrt. Dann könnte es zwar auch schon wieder zu spät sein, aber wie schon gesagt: 'Never catch a falling knife' hat auch schon mehr als einmal seine Gültigkeit bewiesen.

Disclaimer:
Dieser Artikel stellt nur eine Meinungsäußerung dar und ist nicht als Kauf- oder Verkaufsempfehlung zu verstehen. Ich bin kein professioneller Investor oder Anlageberater. Für die gemachten Angaben wird keine Gewähr übernommen, da Fehler bei der Datenübernahme oder aber auch Fehlinterpretationen erfolgt sein können. Bevor du also in das Wertpapier investierst, solltest du dich selbst auf den offiziellen Seiten des Unternehmens schlau machen.

Sonntag, 22. Januar 2017

Gebrauchtwagenverkauf an Hassan - Ein Erfahrungsbericht

Gebrauchtwagenverkauf an Hassan - Ein Erfahrungsbericht

Heute mal wieder ein Beitrag aus dem wahren Leben fernab der Börse und des Investierens: Meinen Gebrauchtwagenverkauf an Hassan. Mein langjähriges Fahrzeug hatte mich im Stich gelassen. Eine Reparatur machte aus wirtschaftlicher Sicht keinen Sinn, da selbst der KFZ-Sachverständige meines Vertrauens nicht zu 100 % sagen konnte, dass die angedachten Maßnahmen auch Wirkung zeigen würden. Somit war der Zeitpunkt gekommen, einen neuen Gebrauchtwagen zu erstehen und sich vom alten zu trennen. Beim Kauf sagte der Verkäufer dann, dass er mir den Alten quasi umsonst abnehmen würde. Aber Geld sollte ich dafür nicht mehr erwarten. Da allerdings eine gute Bekannte von mir vor kurzem für ihren alten Opel Agila noch 900 € bekommen hatte, war ich mehr als zuversichtlich, für meinen Audi A4 noch ein paar Euronen abstauben zu können. Da man ja nicht alle paar Monate mit dem Thema zu tun hat und ich meinen letzten Wagen (VW Polo mit Motorschaden) bei Ebay relativ problemlos versteigert hatte, wollte ich auch diesmal bei Ebay mein Glück versuchen. Nach ausgiebigen Studium des Internets zu Problemfällen bei Gebrauchtwagenversteigerungen entschloss ich mich dann nach Rücksprache mit dem schon erwähnten KFZ-Sachverständigen meines Vertrauens gegen Ebay und für eine Anzeige auf Mobile.de. Den vorher bereits für Ebay angedachten Verkaufstext möchte ich euch natürlich nicht vorenthalten:

Geplanter Auktionstext war Folgendes:
Mein lieber Audi A4: Über 9 Jahre sind wir zusammen durch dick und dünn gegangen. Damals warst du - ähnlich wie ich - noch jung, dein Kilometerstand im niedrigen 5-stelligen Bereich und deine 150 PS wussten bei einem Verbrauch von etwa 7 Liter Super zu gefallen. Deine Sitzheizung war genau das Richtige für einen Softi, wie mich. Du hast in den Folgejahren zahlreiche Städte und Länder mit mir besucht, einige teure Fotos verursacht, du hast mich immer zügig und zuverläsig an die Arbeit gefahren, du hast mich zu den ersten Dates mit meiner Frau gebracht und du hast geholfen, meine Mädels nach der Geburt schnell und sicher nach Hause zu bringen. Du warst ein toller Begleiter.

Allerdings finde ich es schade, dass du den letzten Ölwechsel, das Anbringen eines neuen Auspuffs, eines neuen Ölmessstabes und neuer Zündkerzen nicht mit dem erhofften Erlöschen der Motorkontrolleuchte würdigen konntest. Aber ich bin mir sicher, dass dir dein neuer Begleiter, dem hoffentlich bewusst ist, dass dein Ruckeln keine neuartige Massagefunktion ist, dich wieder in Ordnung bringen kann. Von daher ist es an der Zeit, Abschied zu nehmen und dich einem würdigen Abnehmer - deinem dann 3. Besitzer - zu überlassen.

Der würdige Abnehmer erwirbt einen:

  • Audi A4 2.0 FSI (8E), Baujahr 07/2004 mit 150 PS, manueller 5-Gang-Schaltung, Benziner, rund 255.000 km, TÜV noch bis 08/2017
  • Außenfarbe grau: Rostschäden an Dach und Türen wurden im Rahmen der Garantie von Audi vor etwa 2 Jahren ausgebessert.
  • 16 Zoll Stahlfelgen mit Winterrädern - Original-Audi-Alus mit Sommerreifen kommen dazu
  • Extras: CD-Radio, Klimaautomatik, Sitzheizung, Navigationssystem, Tempomat

Wichtiger Hinweis: Dies ist ein Verkauf eines fast 13 Jahre alten GEBRAUCHTWAGENS von PRIVAT. Von daher wird KEINE Gewährleistung übernommen und der Verkauf des Kraftfahrzeuges erfolgt unter Ausschluss der Sachmängelhaftung. Es gilt: Gekauft wie gesehen. Sie haben die Möglichkeit, sich das Fahrzeug bei Interesse vor dem Steigern anzusehen. Da er abgemeldet ist, ist keine Probefahrt mehr möglich.

Derjenige, der das Fahrzeug ersteigert, hat ihn innerhalb einer Woche abzuholen. Der Preis, der den Zuschlag erhält, ist gültig. Es gibt keine Nachverhandlung! Drohungen bei Abholung werden nicht akzeptiert. Die 110 ist in der Kurzwahl. Bitte bringen Sie bei Abholung ihren Ausweis mit, damit ein rechtsgültiger Kaufvertrag geschlossen werden kann.

Tag 1 - Anzeige und Verkauf:
Gesagt, getan. Also machten wir uns gemeinsam daran, eine Anzeige für Mobile.de zu erfassen. Die Daten des Fahrzeugs waren schnell eingetragen. Wir stellten es als nicht fahrbereiten Gebrauchtwagen ein. Passende Fotos hatte ich nach einem Besuch in der Waschanlage und einer Innenraumreinigung vorher schon angefertigt . Schon erstaunlich, was da so alles auftaucht, wenn man jahrelang mit Kindern im Auto umher fährt...

Nach der 'umsonst würde ich ihn nehmen'-Ansage des Verkäufers hätte ich bei Ebay nach Abzug der fälligen Gebühren so mit 800-1000 € gerechnet. Von daher war ich relativ erstaunt, dass mein Bekannter als Preis 2.800 € vorschlug. Gleichzeitig prophezeite er mir, dass sich innerhalb kürzester Zeit zahllose Leute melden würden. Wir klickten also nach nochmaliger Kontrolle der Daten auf 'Anzeige veröffentlichen'. In der Anzeigenübersicht konnte man dann durch Betätigen von F5/Aktualisieren im Browser sehen, dass bereits nach wenigen Sekunden mehr als 20 Leute die Anzeige gesichtet hatten. Es dauerte dann noch nicht einmal 1 Minute, bis das Telefo klingelte.

Zu unserem Erstaunen war jemand am Telefon, der der deutschen Sprache in akzentfreier Sprachweise mächtig war und das Gespräch nicht mit 'Isch gebb dir 1000 bar auf Kralle' eröffnete. Nach einigem hin- und her einigten wir uns auf einen Preis von 2.300 €. Hassan - so hieß der Kollege aus Hannover - wollte das Auto dann am nächsten Tag von einem Fahrer abholen lassen. Auch der Hinweis, dass es ein nicht wirklich fahrbereites Auto sei und dass wir es als relativ optimistisch ansahen, die ca. 600 km nach Hannover damit zurücklegen zu wollen, brachte ihn nicht von seinem Vorhaben ab. OK, dachten wir uns. Soll er machen. Die Daten der Anzeige kopierte er in ein eigenes Formular und schickte es uns per Email. Dann bat er uns, die Anzeige offline zu schalten und niemanden sonst zu sprechen. Das machte soweit Sinn für uns und somit deaktivierten wir die Anzeige. Bis dahin (ca. 5 Minuten später) hatte die Anzeige mehr als 70 Aufrufer und auf dem Telefon waren mehr als 10 weitere Anrufe. Zunächst einmal freuten wir uns, dass wir so schnell mit einem Interessenten einig geworden waren. Gleichzeitig war uns allerdings bewusst, dass es damit wohl noch nicht getan war. Und wir sollten Recht behalten.

Tag2 - Die Abholung:
Mein Bekannter holte den Fahrer (deutscher Student?) am Bahnhof ab. Nach ein wenig Smalltalk inspizierte er dann das Fahrzeug (Lackmessung, kurze Testfahrt) und stellte fest, dass das Fahrzeug genau dem entsprach, was wir auch in der Anzeige geschrieben hatten. Dann schaute er sich die Unterlagen an (Fahrzeugbrief, Fahrzeugschein, TÜV-Gutachten) und plötzlich fingen seine Augen an zu leuchten. Das Handy wurde gezückt und Hassan angerufen. Uns war doch tatsächlich ein Fehler unterlaufen: wir hatten 3 Vorbesitzer angegeben. Tatsächlich waren es allerdings nur 2 Vorbesitzer (inkl. mir). Eigentlich wertsteigernd. Hassan sah das allerdings nicht so und tat uns das in aggressiver und beleidigender Art und Weise kund. Zusätzlich war die erste Zulassung eine Tageszulassung beim Autohaus. Das war dann Hassans Kritikpunkt Nummer 2, denn wir hatten bei gewerblicher Nutzung Nein angegeben. Jetzt mussten wir erfahren, dass er ein Jurastudium angefangen hatte (wers glaubt...) und er fing an diverse BGB-Paragraphen herunterzureiten. Nach rund 3 Minuten eines ununterbrechbaren lautstarken Monologs seinerseits war er jetzt bereit, auf eine Klage gegen uns zu verzichten und das Fahrzeug für 1400 € abzunehmen. Durch unsere Falschangaben bekäme er ja jetzt erhebliche Probleme mit dem Zoll und könnte das Fahrzeug nicht wie geplant verkaufen. Wir unterbrachen das Gespräch erst einmal kurz, da mein Bekannter sich unsicher war, wie die rechtliche Situation im Bezug auf die gewerbliche Nutzung bei Tageszulassung aussah.

Das Gute in der Situation: er hatte Kontakt zu einem sehr guten Verkehrsanwalt und konnte auch kurzfristig zu diesem durchgestellt werden. Nach Schilderung der Gesamtsituation wurde dann klar, dass Hassan eine Masche fuhr, um den Preis zu drücken. Also genau so, wie wir es erwartet hatten. Etwas klüger bezüglich der rechtlichen Gegebenheiten konnten wir den Jurastudiumabbrecher anschließend auf Stand bringen und boten ihm eine Preisreduktion um 200 € an, was wir eigentlich nicht hätten machen müssen. Aber wir sind ja keine Unmenschen und nach einigen weiteren Schimpftiraden gab er dem Fahrer - der mittlerweile durchgefroren war (Jeans mit Schlitzen drin sind bei -8° nach spätenstens 2 Minuten suboptimal) - das OK. Im Endeffekt bekamen wir unser Geld (mehr als doppelt so viel, wie initial erwartet) und er das Auto. Weitere 5 Minuten später war er auf dem Weg nach Hannover. Rund 30 Minuten später wurde in den Verkehrsnachrichten etwas von einem Fahrzeugbrand auf der A8 gesendet. Ob es der Fahrer war, konnten wir bis heute nicht in Erfahrung bringen :-)

Was lernen wir daraus:

  1. Autos wenn möglich nicht bei Ebay verkaufen. Da kann man noch weniger steuern, mit wem man es am Ende zu tun hat. Zusätzlich kann man sich die Gebühren sparen.
  2. Ein Grundkurs im Sinne von 'Wie bleibe ich ruhig, wenn ich auf übelste Weise beschimpft werde' macht manchmal Sinn - sowohl im Arbeits- als auch im Privatleben.
  3. Gebrauchtwagen sind meistens mehr wert, als man als Laie erwartet. Umsonst muss man eigentlich kein Fahrzeug abgeben. Nachverhandlungen sind gang und gäbe - egal, was vorher ausgemacht und auch schriftlich fixiert wurde.
  4. Alle Angaben in der Anzeige sollten der Wahrheit entsprechen. Selbst Dinge, die für den Käufer vorteilhaft sind, werden am Ende als nachteilig dargestellt.
  5. Man sollte niemals allein verkaufen. Jemanden, der sich mit KFZ auskennt, hat eigentlich jeder in der Bekanntschaft. Dieser sollte wenn möglich beim Abholen auch zugegen sein. Wäre ich allein gewesen, hätte mich Hassan voll abgezogen.
  6. Man sollte sich vorher schon einmal die Nummer eines auf Verkehrsrecht spezialisierten Anwalts raussuchen, den man bei Bedarf schnell anrufen kann.
  7. Frechheit siegt im Gebrauchtwagengeschäft: Im Endeffekt hat Hassan durch 30 Minuten Dauerfeuer unter der Gürtellinie nochmal 200 € gut gemacht. Der erste Eindruck täuscht manchmal doch. Ich werde mit Hassan aus Hannover wohl demnächst erst einmal keine Geschäfte mehr machen.

Mittwoch, 18. Januar 2017

Buchvorstellung: Nicolas Schmidlin - Unternehmensbewertung & Kennzahlenanalyse

Buchvorstellung: Nicolas Schmidlin - Unternehmensbewertung & Kennzahlenanalyse

Schon zu meiner Studienzeit hatte ich Vorlesungen zum Thema Rechnungswesen und Finanzierung+Investition. Aber aus irgend einem Grunde habe ich mich dann - obwohl ich gute Noten darin hatte - doch eher auf die Programmierung konzentriert und im Bezug auf Investments keinerlei Weiterbildung betrieben. Nach einigen Jahren kam ich dann dahinter, dass es doch irgendwie möglich sein muss, strukturierter an das Thema Investieren heran zu gehen und Unternehmensanalysen durchzuführen. Erst spät wurde mir bewusst, dass ich die notwendigen Grundlagen eigentlich schon kannte, allerdings nur ins Hinterstübchen verbannt hatte. So richtig bewusst wurde es mir nach dem Lesen des Buches, welches ich euch heute vorstellen möchte und welches ich v.a. für Anfänger im Bereich der Unternehmensanalysen für ideal halte: Unternehmensbewertung & Kennzahlenanalyse von Nicolas Schmidlin.

Zum Autor:
Der recht junge Autor Nicolas Schmidlin (Jahrgang 1988) hat in Frankfurt sowie London studiert und das Buch bereits während seiner Studienzeit verfasst. Zusammen mit Marc Profitlich hat er die Fondsberatungsgesellschaft ProfitlichSchmidlin AG gegründet, welche auch selbst einen Fonds verwaltet. Da ich eher das Buch und nicht im Detail den Autor vorstellen möchte, würde ich zu den beiden keine weiteren Worte verlieren. Stattdessen verweise hier einfach mal ganz frech auf den 2015er Capital-Artikel über sie.

Zum Buch:
Ich habe die 1. Auflage aus 2011 gelesen, welche in 9 Kapital aufgeteilt ist, die sich über knapp 280 Seiten erstrecken. Nach einer allgemeinen Einführung zum Thema Investments in Aktien (+ das zwiespältige Verhältnis der Deutschen dazu) durch Philipp Vorndran verliert auch Herrn Schmidlin ein paar einleitende Worte und geht dann direkt in die Vollen. Bereits der erste Satz des ersten Kapitels ist dabei wichtig: "Das Rechnungswesen ist die Sprache der Unternehmen". Er ist dahingehend wichtig, da einem Folgendes bewusst sein muss: wie es bei Sprachen nun einmal so ist, muss man sie einerseits erst einmal lernen und andererseits braucht es viel Übung, um sie perfekt zu beherrschen.

Bezogen auf Geschäftsberichte gibt es mehrere sich ähnelnde Sprachen. In Deutschland war früher die Rechnungslegung nach dem HGB (Handelsgesetzbuch) vorrangig. Dies wurde in den 2000ern im Zuge der Europäisierung zu Gunsten der IFRS (International Financial Reporting Standards) geändert. Diese orientieren sich an den für amerikanische Unternehmen verwendeten US-GAAP-Regeln (United States Generally Accepted Accounting Principles) und führen im Vergleich mit den HGB-Regeln v.a. dazu, dass die ausgewiesenen Gewinne oft etwas höher sind, genau wie ausgewiesene Bilanzpositionen.

Anschließend geht er näher auf den allgemeinen Aufbau von Geschäftsberichten und Jahresabschlüssen ein. Die wichtigsten wären dabei:

  1. Gewinn und Verlustrechnung / Income Statement: hier zeigt er die Unterschiede der 2 Darstellungsvarianten Gesamtkostenverfahren und Umsatzkostenverfahren auf inkl. einiger damit verbundener Vor- und Nachteile. Z.B. kann man beim Gesamtkostenverfahren Materialquoten und Personalquoten berechnen.
  2. Bilanz / Balance Sheet: Aufteilung in Aktiva (Mittelverwendung) und Passiva (Mittelherkunft). D.h. Aktiva zeigt die Vermögensgegenstände (langfristig und kurzfristig - z.B. Sachanlagen, Forderungen, Bankguthaben, Firmenwerte) und Passiva zeigt, wie Vermögensgegenstände bezahlt wurden (z.B. eingezahltes Grundkapital, einbehaltene Gewinne, Kredite, Verbindlichkeiten aus LuL, Kapitalerhöhungen, Rückstellungen etc.)
  3. Kapitalflussrechnung / Cash Flow-Statement: er nennt es das zentrale Element für Unternehmensanalysen und zeigt beispielhaft auf, wie man per Kapitalflussrechnung präkere Situationen aufdecken kann, die bei Studium der GuV nicht aufgetreten wären. Anhand der Kapitalflussrechnungen von BASF und Sothebys erläutert er die einzelnen Bestandteile.
  4. Eigenkapitalveränderungsrechnung
  5. Anhang / Notes: Hier werden die einzelen Positionen von 1.-4. meist im Detail nochmals erläutert. Oft ist es so, dass bei 1.-4. bei der jeweiligen Position (z.B. Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten) eine Zahl steht und man dann im Anhang eine genaue Erläuterung der Position findet (z.B. konkrete Laufzeiten der Kredite und Zinssätze)

In Kapitel 2 geht er auf die Berechnung diverser Rentabilitätskennzahlen ein.

  1. Eigenkapitalrendite (Nettogewinn/Eigenkapital): Er zeigt auch auf, dass eine hohe EK-Rendite nicht zwangsläufig gut ist, da sie leicht durch Aufnahme von Fremdkapital verzerrt werden kann. Ein konkretes Beispiel hier ist IBM, welches zwar eine sehr hohe EK-Rendite ausweist, allerdings auch eine niedrige EK-Quote.
  2. Umsatzrendite (Nettogewinn/Umsatz): nützlich für Vergleich von Unternehmen in gleicher Branche. Branchenübergreifend wenig Aussagekraft.
  3. EBIT- und EBITDA-Marge (EBIT/Umsatz bzw. EBITDA/Umsatz): ähnliche Verwendung, wie Umsatzrendite. Allerdings 'bereinigt' um verzerrende Faktoren, wie z.B. gezahlte Zinsen.
  4. Kapitalumschlag (Umsatz/Bilanzsumme): Wieviel Kapital wird zur Generierung des Umsatzes benötigt? Ein höherer Kapitalumschlag ist besser, als ein niedriger. Ist auch wieder branchenabhängig auszuwerten.
  5. Gesamtkapitalrendite (für ihn (Jahresüberschuss + Fremdkapitalzinsen) / Bilanzsumme): Vorteil gegenüber der EK-Rendite ist, dass sie nicht so leicht verzerrt werden kann.
  6. ROCE (Return on Capital Employed = EBIT/Capital Employed)
  7. Umsatzverdienstrate (operativer Cashflow/Umsatz): je höher, desto besser

In Kapitel 3 folgt die Berechnung von Kennzahlen zur finanziellen Stabilität

  1. Eigenkapitalquote (Eigenkapital/Bilanzsumme): im Normalfall sind Unternehmen mit höherer EK-Quote solchen mit niedrigerer vorzuziehen, da bei ihnen die Wahrscheinlichkeit höher ist, unbeschadet aus Krisen hervorzugehen
  2. Gearing ((Finanzverbindlichkeiten - liquide Mittel)/Eigenkapitel): niedriges Gearing ist gut -> nennt Bereich kleiner 10-20 % ideal im Bezug auf finanzielle Stabilität -> auch negatives Gearing möglich, wenn Nettofinanzposition vorliegt
  3. Dynamischer Verschuldungsgrad ((Finanzverbindlichkeiten - liquide Mittel)/Free Cashflow): entspricht der theoretischen Schuldentilgungsdauer -> Werte unter 2 Jahren sind sehr gut und solche über 5 Jahren kritisch
  4. Net Debt / EBITDA: im Endeffekt ähnlich 3. zu sehen
  5. Sachinvestitionsquote (Sachinvestitionen/OCF): je niedriger, desto besser. Bei Betrachtung darauf achten, dass Sachinvestitionen geglättet werden (z.B. wenn alle 3 Jahre neuer Traktor gekauft werden muss, sieht es in 2 Jahren gut aus und in einem scheiße)
  6. Anlagenabnutzungsgrad (Abschreibungen auf Sachanlagen/Sachanlagen zu Anschaffungskosten)
  7. Wachstumsquote (Investitionen/Abschreibungen): bei über 100 % expansive Phase; bei unter 100 % prüfen, ob ggf. Abschreibungen zu hoch angesetzt sind
  8. Cash Burn Rate (Eigenkapital/Jahresfehlbetrag): Anzahl der Jahre, in denen das EK aufgebraucht ist -> v.a. bei NetNets wichtig -> sollte bei Sanierung natürlich abnehmen bzw. dahin gehen, dass kein Cash mehr verbrannt wird
  9. Umlauf- und Anlagenintensität: Umlaufvermögen/Bilanzsumme bzw. Anlagevermögen/Bilanzsumme
  10. Anlagendeckungsgrad I und II: goldene Bilanzregel = langfristiges Vermögen sollte auch langfristig finanziert sein -> ADG I = Eigenkapital/Anlagevermögen, ADG II= (Eigenkapital + langfristiges Fremdkapital) / Anlagevermögen
  11. Goodwill-Anteil (Goodwill / Eigenkapital): je niedriger, desto besser -> Goodwill ist meist das erste, was in Problemfällen (oder bei neuen CEOs) abgeschrieben wird und dann zu Verlusten in der GuV führt

In Kapitel 4 folgen Kennzahlen zum Working Capital Management: hier geht es rund um die Themen Inventare, Forderungen aus LuL und Verbindlichkeiten aus LuL. Es werden Kennzahlen wie Debitoren- und Kreditorenlaufzeiten berechnet, Liquidität verschiedener Grade (1., 2. und 3.), Vorratsintensität, Umschlagshäufigkeit, Geldumschlag, Auftragsreichweite.

In Kapitel 5 folgt dann das erste Mal eine Beschreibung qualitativer Aspekte. Es geht hier v.a. um die Analyse des Geschäftsmodells: es gilt herauszufinden, was ein Unternehmen macht, wie gut es das macht und welche Vorteile sich im Markt daraus ergeben. Als Werkzeuge bei der Analyse führt er unter anderem SWOT und BCG-Analysen an. Im Endeffekt geht es darum starke Unternehmen zu identifizieren oder aber solche, die in Zukunft mit hoher Wahrscheinlichkeit stark werden.

In Kapitel 6 geht er auf das Thema Ausschüttungspolitik ein. D.h. wie wird man als Anleger im Laufe der Zeit an den Gewinnen beteiligt. Hier gibt es 2 Varianten: Dividendenausschüttungen und Aktienrückkäufe. Dabei beschreibt er, wie man diese Punkte analysieren sollte. Z.B. sind hohe Dividenden nicht zwangsläufig gut, wenn sie das Wachstum behindern oder aber der 'Stabilität' willen mehr ausgeschüttet wird, als Free Cashflow gemacht wurde. Im Bezug auf Aktienrückkäufe, die ja v.a. der Steigerung des Gewinns/Aktie dienen sollen, führt er u.a. Daimler als Negativbeispiel an, da diese die Rückkäufe durchgeführt haben, als das Unternehmen überbewertet war. Gerry Weber in 2009 wird als Positivbeispiel aufgeführt.

In Kapitel 7 folgen Bewertungskennzahlen wie KGV, PEG, KBV, KCV und KUV. Zusätzlich geht er auf die Berechnung des Enterprise Value ein und damit verbundener Kennzahlen wie EV/EBITDA, EV/EBIT, EV/Sales oder EV/FCF. Den Enterprise Value-Abschnitt finde ich dahingehend interessant, da ich in der Vergangenheit durch Investitionen in Unternehmen mit negativem EV in Verbindung mit dem Faktor Geduld durchaus gute Renditen erzielen konnte (z.B. bei Heliad oder aber Balda). Trifft man auf ein solches Unternehmen, sollte man also immer einen zweiten Blick drauf werfen.

In Kapitel 8 - dem umfangreichsten Kapitel - folgen Methoden zur Unternehmensbewertung. Hier führt er die Bewertungsmethoden Ertragswertverfahren (über Discounted Cashflow), Marktwertverfahren (Multiplikatoren von KGV, KBV, KUV, KCV) und Substanzwertverfahren auf und erläutert diese an konkreten Beispielen. Anhand dieses lässt sich auch einmal nachvollziehen, wie denn Analysten immer auf ihre konkreten Kursangaben kommen. Fallbeispiele wie z.B. das der Rational AG sind dahingehend interessant, dass er mit seinen Berechnungen in 2011 gar nicht so weit von den tatsächlichen Zahlen entfernt war. Allerdings hatte er einen fairen Wert von 146,50 € berechnet und zwischenzeitlich war er sogar auf 480 gestiegen.

In Kapitel 9 folgt noch eine kurze Erläuterung des Themas Value Investing. Dies ist für ihn der Übergang der in den ersten 8 Kapiteln beschriebenen theoretischen Grundlagen in die konkrete Praxis eines Investors. Er bringt ein paar bekannte Buffett-Zitate und erläutert die wichtigsten Prinzipien: Margin of Safety, Diversifikation und langfristiges Denken.

Fazit:
Ich finde dieses Buch sehr gut und habe es bestimmte schon 4-5 mal gelesen. Es ist vor allem als kompaktes Nachschlagewerk geeignet, welches v.a. Anfängern in diesem Bereich helfen kann, sich dem Thema zu nähern. Die zahlreichen Praxisbeispiele (Yum Brands, Coca Cola, Rational AG etc.) machen die einzelnen Abschnitte meiner Meinung nach greifbarer. Sehr gut finde ich zusätzlich, dass sowohl auf deutsche wie auch auf englische Entsprechungen eingegangen wird. Dies erleichtert es ungemein, einen Blick auf SEC-Filings zu werfen. Das Wichtigste, dass man aus diesem Buch mitnehmen sollte, ist, dass viele Wege nach Rom führen. Es gibt keine Methode, einen Unternehmenswert exakt zu bestimmen. Die beschriebenen Werkzeuge dienen lediglich dazu, gute Unternehmen von schlechten unterscheiden zu können und näherungsweise einen Gegenwartswert für das Unternehmen zu bestimmen. Durch die Value Investing-Prinzipien Margin of Safety, Diversifikation und langfristiges Denken schafft man es dann, mit einem breit (nicht zu breit!) gefächerten Portfolio auf lange Sicht gute Renditen zu erwirtschaften. Diverse Webseiten (siehe auch Gurufocus-Beitrag) erleichtern einem dabei die Arbeit mit den quantitativen Faktoren ungemein, sowie z.B. auch die Vergleichbarkeit innerhalb einer Branche. Die rund 25 € für das Buch sind gut investiertes Geld.

Samstag, 14. Januar 2017

Dürkopp Adler AG - Ein Hidden Champion im Bereich von Nähmaschinen?

Dürkopp Adler AG - Ein Hidden Champion im Bereich von Nähmaschinen?

Auf das erste Unternehmen dieses Jahres bin ich durch einen einfachen Screenerlauf aufmerksam geworden. Dabei hatte ich nach deutschen Unternehmen gesucht, die in den vergangenen 5 Jahren Umsatz, Nettogewinn und auch Eigenkapital steigern konnten und die dabei eine EK-Rendite von > 15 % aufwiesen. Eines dieser Unternehmen war Dürkopp Adler aus Bielefeld, der Stadt, die es nicht gibt.

Zum Unternehmen:
Dürkopp Adler ist im Bereich von Industrienähmaschinen tätig. Der Name leitet sich vom Firmengründer Nikolaus Dürkopp und der Nähmaschinenmarke Adler ab. In der langjährigen Firmengeschichte, die bis ins Jahr 1860 zurück reicht, wurden unter anderem auch Fahrräder, Autos, Motorräder und Rüstungsgegenstände (im 2. Weltkrieg) hergestellt. In seiner jetzigen Form (d.h. nach dem Zusammenschluss mit der Kochs Adler AG zur Dürkopp Adler AG) gibt es das Unternehmen seit 1990. In 2005 übernahm die ShangGong Holding (jetzt SGSB-Gruppe) rund 94 % der Anteile, die sie auch bis jetzt noch besitzt. Die Chinesen stellen fast den kompletten Aufsichtsrat und auch einen Teil des Vorstandes (den wirtschaftlichen Teil davon). ShangGong/SGSB war/ist selbst in der Nähmaschinenbranche beheimatet (siehe Beschreibung von SGSB), so dass die Übernahme vom Geschäftsbereich her gesehen durchaus Sinn gemacht hat.

Der Großteil der Kunden kommt - wie man sich sicherlich denken kann - aus der Textilbranche und der Automobilbranche. Im Textilbereich werden Nähmaschinen für Kleidungsstücke und Schuhe hergestellt und im Automobilbereich gibt es z.B. bei der Herstellung von Autositzen, Kopfstützen und Armstützen passende Anwendungsfälle. Zusätzlich bieten sie auch Lösungen im Bereich von Polstermöbeln an. Alles in allem ein relativ einfach zu verstehendes Geschäftsmodell. Laut eigener Aussagen ist Dürkopp Adler Technologieführer bei mittelschweren Industrienähmaschinen und durch kontinuierliche Forschung und Entwicklung versuchen sie, diese Stellung zu behalten.

Zum Chartverlauf:

Wenn ich mir diesen Chartverlauf mal so anschaue, würde ich sagen, dass die Chinesen mit ihrem Einstieg Mitte 2005 bei etwa 3,50 € wohl ein glückliches Händchen bewiesen haben. Ende 2008 hatten sie ihren Tiefpunkt bei etwas über 2 €, was allerdings bei Betrachtung ihrer Hauptkunden keine wirkliche Überraschung ist. Wie wir gleich an der Geschäftszahlen sehen können, haben sie in 2011/2012 den Turnaround geschafft und seit dem geht es sowohl zahlenmäßig als auch kursmäßig steil bergauf, was man von einem Maschinenbauer in einer zyklischen Branche so nicht direkt hätte erwarten können.

Zu den Geschäftszahlen:

Vor 10 Jahren lag der Umsatz in etwas genau so hoch, wie jetzt. Allerdings waren ihre Margen damals auch niedriger. In 2010 wurde der Geschäftsbereich der Fördertechnik als Dürkopp Fördertechnik GmbH an die österreichische Knapp AG verkauft. Daher ist das Unternehmen heute nicht wirklich identisch mit dem vor 10 Jahren. Die Zahlen von 2006-2010 schwankten sehr stark. Seit 2010 geht es auf Seiten des Umsatzes wieder stetig bergauf und auch Gewinn und Cashflow sind nachgezogen. Zuletzt lag die Eigenkapitalrendite kontinuierlich über 20 %, was eigentlich für eine starke Marktstellung spricht. Auch Cashflow-seitig sieht es auf dem Papier wirklich sehr gut aus. Da ist man von deutschen Maschinenbauern auch anderes gewohnt. Die Verschuldung wurde zurückgefahren und mittlerweile sitzen sie auf einem beruhigenden Finanzpolster von über 30 Mio. €, so dass sie vor 2 Jahren angefangen haben, eine Dividende zu zahlen.

Was gefällt mir an Dürkopp Adler:

  1. In den letzten Jahren wurden wirklich gute Geschäftszahlen vorgelegt. Seit 2009 gab es keine Verluste mehr.
  2. Es wird recht viel Cash produziert. Von daher sieht die Verschuldungssituation des Unternehmens im Moment sehr gut aus. Für F&E wird pro Jahr ein überschaubarer Betrag ausgegeben.
  3. Sie scheinen eine gute Qualität herzustellen. Da ich allerdings nicht aus der Branche bin, kann ich da nicht viel zu sagen. In einem Zeit-Artikel über Dürkopp Adler aus 2013 konnte ich lesen, dass die Chinesen wohl anfangs v.a. am Know How interessiert waren und dieses über ein Joint Venture teilweise abziehen wollten. Die Ergebnisse dieses Joint Ventures waren dann wohl aber nicht wirklich perfekte Produkte, so dass die Kunden lieber zum Original griffen - Made in Germany.
  4. Ich konnte keinerlei Analystenberichte oder -kommentare finden.
  5. Seit 2 Jahren dürfen sie auch wieder Dividenden auszahlen. Dies war ihnen vorher durch ausgewiesene Bilanzverluste nicht möglich.
  6. Die Webseite und der IR-Bereich von Dürkopp Adler sind recht informativ. Finanzberichte sind ab 2002 verfügbar. Da habe ich schon durchaus schlimmeres im deutschen Small-Cap-Bereich gesehen.
  7. Sie sagen selbst, dass sie in einer zyklischen Branche unterwegs sind. Gleichzeitig sehen sie sich aber auch gewappnet für die nächste Krise in der Branche.
  8. Es gibt ein paar stille Reserven in der Bilanz. U.a. sind einige Immobilien schon abgeschrieben, haben aber einen wesentlich höheren Marktwert.
  9. Die Dividende dürfte für manche verlockend sein. V.a. wenn man sieht, dass bisher nur ein Bruchteil der Gewinne bzw. des FCF ausgeschüttet wurde und ein ganzer Teil jetzt auf Halde liegt.
  10. Die variable Vergütung beim Vorstand ist vom ROCE abhängig. Die des Aufsichtsrates von der Höhe der Dividende.
  11. Überdurchschnittliche Renditen. Vor allem, wenn man sich mal die Zahlen der Konkurrenzunternehmen anschaut. Also z.B. Brother Sewing Machines Europe GmbH (77 Mio. € Umsatz und 4,5 Mio. Gewinn bei Eigenkapital von 25 Mio. und Bilanzsumme von 38 Mio. - laut Bundesanzeiger), Janome (Japan - siehe 2016er Janome-Geschäftszahlen) oder Juki (Japan - siehe Juki-Geschäftszahlen). Von den anderen Konkurrenten (Bernina International (Schweiz), Feiyue (China), Singer/SVP Worldwide (Bermuda) und Tacony (USA) konnte ich leider keine Zahlen finden.
  12. Nach der Finanzkrise gab es einen massiven Stellenabbau, um das Ruder rumzureißen. Dies wurde offensichtlich erfolgreich geschafft. Der Umsatz pro Mitarbeiter lag in 2009 bei 58,7' und in 2015 bei 111,4'. Die Personalkosten pro Mitarbeiter pro Jahr lagen in 2009 bei 36', in 2010 bei 24,7' und in 2015 bei 30,7'. Da haben wohl Entlassungen in Deutschland und Verlagerung nach Tschechien und Rumänien geholfen, das Geschäft ertragreicher zu machen. Schlecht für die Mitarbeiter, gut für die (größtenteils chinesischen) Investoren.
  13. Nähmaschinen klingen jetzt nicht so aufregend, wie Biotec, E-Fahrzeuge oder Nanotechnologie. Man könnte es also Zukunftstechnologie irgendwie übersehen oder falsch einschätzen. Die Weltbevölkerung wächst. Somit muss auch mehr Kleidung hergestellt werden. Die Löhne in den Billiglohnländern steigen, so dass dort evtl. auch Menschen gegen Maschinen getauscht werden, um die Produktion zu steigern. Und hier nimmt man dann evtl. eher eine hochwertige Maschine aus Deutschland, für die man mit hoher Wahrscheinlichkeit auch in ein paar Jahren noch Ersatzteile bekommt, als eine Billigmaschine Made in China...
  14. Sie haben einen eigenen Youtube-Kanal mit ein paar interessanten Videos, in denen man ihre Maschinen in Aktion sehen kann. Durchaus beeindruckend.

Was gefällt mir nicht an Dürkopp Adler:

  1. Die chinesischen Investoren lassen sich nicht wirklich in die Karten schauen. Sie haben seit Jahren eine gleich-hohe Beteiligung. Eine vollständige Übernahme wurde wohl nie angestrebt, warum auch immer. Wer einsteigen sollte, muss sich bewusst sein, dass er es hier eben mit Min Zhang zu tun hat und nicht mit Warren Buffett als Ankerinvestor. Die SGSB-Gruppe ist selbst börsennotiert und hat noch weitere Beteiligungen vorzuweisen (u.a. Pfaff GmbH und KSL GmbH in Deutschland). Die Tochterunternehmen arbeit wohl auch zusammen, was Synergieeffekte bringt. Evtl. ist das auch ein Grund dafür, dass die Zahlen bei Dürkopp Adler so gut aussehen, denn die Zahlen von SGSB selbst sind nicht sonderlich beeindruckend.
  2. Es gibt nur knapp 6 % an Streubesitz (d.h. in Summe etwa 490' Aktien). Ist also mehr als übersichtlich, auch wenn man als Privatinvestor nicht so ins Gewicht fällt. So viele Möglichkeiten bleiben da nicht in Zukunft. Entweder Delisting, was man auch früher haben könnte oder aber alles bleibt bei der aktuellen Situation (d.h. wie die letzten 11 Jahre auch) oder aber irgendwann gibt es ein Squeeze Out.
  3. Es gibt 31m Pensionsverbindlichkeiten. Die wurden allerdings zuletzt kleiner. Da sind wohl ein paar Rentner und Hinterbliebene weggestorben.
  4. Sie sind mittlerweile um einiges teurer geworden. Von den Kennzahlen her sind sie zwar immer noch nicht so teuer, wie der gefühlte Durchschnitt an börsennotierten Unternehmen in Deutschland, aber ein KGV von 12 ist eben um einiges höher, als ein KGV von 7,6 bei den 2015er Kennzahlen und ein KBV von 3,3 ist für einen Maschinenbauer schon recht hoch.
  5. Ein großer Teil der Gewinne der letzten Jahre kommt auch durch den starken Dollar, da relativ viel Geschäft im außereuropäischen Ausland gemacht wird.
  6. Die Handelsvolumen sind nicht die höchsten (so um die 10' € pro Tag). Möchte man also einsteigen, sollte man auf jeden Fall auf ein Limit achten.

Bewertung und Fazit:
Eine Bewertung (z.B. per DCF) wollte ich für dieses Unternehmen nicht machen, da ich mir nicht zutraue, hier mit meinem aktuellen Kenntnisstand irgendwelche Prognosen vorzunehmen. Ich würde ggf. erst einmal den Geschäftsbericht von 2016 abwarten, um zu schauen, ob die Cashflows auch weiterhin so gut sind, wie sie es bis 2015 waren. Ein KGV von 12 sieht nicht so teuer aus (v.a. im Vergleich zu anderen deutschen Mittelständlern und Unternehmen, die ähnlich rentabel sind). Allerdings ist es so, dass es eindeutig ein zyklisches Unternehmen ist und man sich wohl eher am oberen Ende, als am unteren Ende des Zyklus befindet. Nach aktuellem Stand (d.h. da keine AdHocs oder so gekommen sind), würde ich erwarten, dass die Zahlen von 2016 etwas höher ausfallen, als die von 2015. Da der Kurs aber schon um über 50 % angezogen hat seit Mitte des letzten Jahres, ist es eindeutig kein Schnäppchen mehr. Ich lass also erst einmal die Finger davon. Falls jemand mehr weiß, kann er gerne einen Kommentar hinterlassen.

Sonntag, 8. Januar 2017

Ein wiederentdeckter Klassiker: Peter Lynch - Beating the Street

Ein wiederentdeckter Klassiker: Peter Lynch - Beating the Street

Vor knapp einem Monat hatte ich hier ja bereits One up on Wall Street von Peter Lynch vorgestellt und im dortigen Fazit beschlossen, mir die beiden Nachfolger zu besorgen. Diese sind in der Zwischenzeit eingetroffen + konsumiert und so wollte ich heute einmal ein paar Worte zum meiner Meinung nach würdigen Nachfolger Beating the Street aus dem Jahr 1993 verlieren. Mein Exemplar konnte ich preiswert bei Amazon bestellen, es stammt aus der Westmont Public Library und wurde 2013 das letzte mal ausgeliehen.

Zum Buch:
Auf knapp 300 Seiten geht er dort auf seine Karriere bei Fidelity ein und verliert viele weise Worte über seine zahlreichen erfolgreichen und auch teilweise weniger erfolgreichen Investments. Eingangs beschreibt er, warum er 1990 nach knapp 13 überaus erfolgreichen Jahren (Performance > 20 % p.a. über diesen Zeitraum) ausgestiegen ist. Hauptgrund war, dass er seine Familie mehr sehen wollte. Wie er es so schon schrieb, war es ihm irgendwann unheimlich, dass er die Geschätszahlen und Kurse diverser Unternehmen kannte, aber Probleme hatte, sich die Geburtstage seiner Kinder zu merken.

Im ersten richtigen Kapitel zeigt er auf, wie Amateurinvestoren professionellen Investoren voraus sein können. Dabei bedient er sich den Siebtklässlern der Bostoner St. Agnes Schule, die über 2 Jahre Geld virtuell Geld investiert haben. Ihre Performance lag in dem Zeitraum bei über 70 %, womit sie knapp 99 % der professionellen Investoren ausgestochen haben. Die Aktien, die sie gekauft hatten waren z.B. Wal Mart, Nike, Walt Disney, Gap, Limited und Pentech. Es wurde nur investiert, wenn sie erklären konnten, was das Unternehmen macht und warum sie es für ein gutes Investment halten (Prinzip Invest in what you know). Danach geht er auf Investment Clubs ein, welche oft ähnlich vorgehen. Hauptvorteil dieser ist, dass monatlich der gleiche Betrag investiert wird - in guten wie in schlechten Zeiten - und Investments werden verteilt auf mindestens 5 Aktien (Prinzipien des Cost Averaging und der Diversifikation).

Im Folgekapitel erzählt von der Money Manager Konferenz, an der er jährlich neben anderen bekannten Investoren wie Ron Barron, Jeff Neff oder Mario Gabelli teilnahm. Im Endeffekt machten sie sich immer Sorgen über die Wirtschaft und waren eher pessimistisch. Das einzige Jahr, in dem sie sich keine Sorgen machten, war 1987, das Jahr mit dem Crash im Oktober. Seine Folgerung: You can't see the future through a readview mirror. Das Buch ist hier dahingehend interessant, dass es Anfang der 90er geschrieben wurde und er explizit gesagt hat, dass es auch zukünftig in regelmäßigen Abständen Abstürze von 10 % und mehr geben wird, die ja dann auch kamen und auch zukünftig kommen werden. Das Einzige, was man dann machen muss, ist die Apokalypse-Vorhersagen zu ignorieren und bei den Aktien aufzustocken, von denen man am meisten überzeugt ist. Ein tolle Aussage diesbezüglich war auch 'The ultimate success or failure will depend on your ability to ignore the worries of the world long enough to allow your investments to succeed'.

Im nächsten Abschnitt macht er einen kurzen Ausflug in die Welt der Fonds. Dort fand ich es bemerkenswert, dass er schon damals schrieb, dass 75 % schlechter als der Index abschnitten und die meisten mit einem Indexfonds besser aufgehoben sind. Er brachte dabei einen Vergleich mit der Dartscheibe: statt für Zufallsstockpicking mit Dart auf Scheibe zu werfen sollte man am besten direkt die ganze Dartscheibe kaufen. Hier wären wir wieder bei meiner Aussage aus meinem Plädoyer für Stockpicking, dass Indexfonds das Richtige für Leute ist, die nicht die Zeit haben, sich intensiv mit Unternehmen auseinander zu setzen. Diese sollten einfach regelmäßig Indexfonds kaufen und am Ende werden sie positiv überrascht auf das Ergebnis schauen.

Als nächstes geht er detaillierter als in One up on Wall Street auf seine Geschichte bei Fidelity bzw. Magellan ein. Die Fondsgesellschaft, für die er tätig war, ging im Endeffekt aus dem Zusammenschluss zweier Fondsgesellschaten hervor und hatte als großen Vorteil im Bezug auf zukünftige Besteuerung 50 Mio. an Verlustvorträgen. Die Assets under Management (AUM) lagen initial nur bei 18 Mio. $. Nachdem er 1977 Hauptverantwortlicher wurde, machte er erst einmal Tabula Rasa und ersetzte größtenteils die Investments seiner Vorgänger durch seine eigenen. Bis der Fonds Anfang der 80er für neue Investoren geöffnet wurde, konnte er viel ausprobieren und eigentlich auch Fehler im Verborgenen machen. Er schreibt selbst, dass er Anfangs keine echte Strategie hatte und oftmals nur zufällig bei Interviews mit Mitarbeitern von potentiellen Investments auf andere Unternehmen aufmerksam wurde (Frage: Welche Konkurrenten bewundern sie und warum?). Irgendwann war er an dem Punkt angekommen, dass er nicht mehr mit Redemptions zu kämpfen hatte (d.h. Geld wurde nicht mehr aus Fonds abgezogen), sondern dass er viel Geld zur freien Verfügung hatte. Daraufhin machte er sich auch international auf die Suche nach Investments (u.a. in Schweden, Norwegen, Deutschland und Italien). Sehr amüsant sind hier seine Ausführungen zum Thema Autobahn in Deutschland. Bei 160 km/h (so schnell war er vorher noch nie gefahren) wurde er richtig nervös. Dann hat er sich getraut, mit 190 km/h einen zu überholen und schaute dabei in den Rückspiegel, nur um dort zu sehen, dass ein Mercedes-Fahrer lediglich einen knappen Meter hinter ihm war. Sein Kommentar dazu: Ich konnte dessen Fingernägel sehen und dass er einen guten Kosmetiker hatte. 1985 war Fonds auf 5 Mrd. $ angewachsen, 1986 machte er 570 persönliche Besuche bei Unternehmen, 1987 war er bei 10 Mrd. $ angelangt und eigentlich schon erschöpft. D.h. damals hätte er schon aufhören wollen, aber dann kam 'The Great Correction' und so kam es, dass er doch noch bis 1990 weiter machte.

Im längsten Kapitel des Buches geht er auf seine 1992 im Finanzmagazin Barons empfohlenen Unternehmen ein. D.h. er beschreibt, warum er sie empfohlen hat und am Ende zieht er eine Bilanz, inwieweit seine Investmentthesen aufgegangen sind. Da sie am Ende des Jahres 37 % Gewinn eingefahren hatten und der S&P500 nur knapp 8 % zugelegt hatte, würde ich sagen, dass es der 'Rentner' Peter Lynch immer noch drauf hatte. Einige seiner Empfehlungen waren dabei Body Shop (wurde 2006 von L'Oreal für 652 Mio. Pfund gekauft), Shaw Industries (Geschäftsbereich Teppiche, 2001 von Berkshire übernommen) oder Fannie Mae, dem Hypothekenfinanzierer, der 2008 vom Staat gerettet werden musste.

Am interessantesten fand ich seinen Abschnitt zum Thema S&Ls (Sparkassen). Er führt hier einige interessante Charakteristiken auf, auf deren Grundlage er S&Ls ausgewählt hat (u.a. Equity/Assets, Dividende, Buchwert, 90-Tage überfällige Darlehen, Höhe des Immobilienbesitzes (d.h. von Schuldnern übernommen)). Dabei fühlte ich mich ein wenig an den Oddballstocks-Autor Nate Tobik erinnert, der auch relativ viel über Banken schreibt und die Seite Complete Bank Data betreibt. Normalerweise sollte man ja keine IPOs kaufen. Dies gilt/galt aber laut Lynch nicht für S&Ls, wenn diese an die Börse gingen, denn hier gab es keine Alteigentümer, welche dann teilweise das Geld bekamen. Alle, die in der Sparkasse ein Konto hatten, waren quasi auch Eigentümer. Da die Direktoren auch Aktien kauften, waren sie natürlich an einem sehr niedrigen IPO-Preis interessiert. Das Geld ging dann fast 1:1 in die Bilanz ein und nicht nur teilweise, wie bei normalen IPOs. Somit konnte man oft Schnäppchen machen. Hier wäre mal interessant, zu sehen, ob das heute auch noch gilt...

Das mit den IPOs galt für ihn übrigens auch bei Privatisierungen (wie bei uns z.B. bei Telekom, Post oder evtl. irgend wann mal der Deutschen Bahn). Er hatte Erfolg bei der mexikanischen und spanischen Telekom und auch bei einigen Wasser-Unternehmen in Großbritanien. In dem Privatisierungskapitel war auch einer der lustigsten Sätze zu finden: Privatisierung ist ein komisches Konzept. Man nimmt etwas, was der Öffentlichkeit gehört, verkauft es an die Öffentlichkeit und nennt das dann Privatisierung.

Im Abschlusskapitel fasst er wichtige Investmentprinzipien noch einmal zusammen und nennt diese dann Golden Rules. Dabei findet man dann solche Klassiker wie "You have to know what you own and why you own it" oder "Owning stocks is like having children - don't get involved with more than you can handle". Vor allem das Letztgenannte ist bei ihm (zeitweise hatte er über 1400 verschiedene Aktien) allerdings als eher amüsant anzusehen.

Fazit:
Alles in allem fand ich Beating the Street auch wieder sehr gut und sehe es als perfekte Fortsetzung/Ergänzung zu One up on Wall Street. Es ist wieder sehr humorvoll geschrieben und man kann erneut sehr viele allgemeine Dinge über das Investieren lernen. Durch die Beschreibung seiner einzelnen Analysen/Bewertungen kann man sich auch einiges Praxisrelevantes abschauen. Insgesamt ist das Buch - auch wenn es bereits fast 25 Jahr alt ist - sehr zu empfehlen. Da es damals ein Bestseller war, gibt es das Buch noch haufenweise auf dem Markt und somit kann man es gebraucht für ein paar Euronen abstauben. Ich persönlich würde mich sehr freuen, wenn er irgendwann einmal ein weiteres Buch herausbringt, in dem er u.a. was zu seinen Erfahrungen mit der Dot-Com-Blase oder aber der Finanzkrise schreibt. Sein Lieblingsunternehmen Fannie Mae war ja dabei ziemlich unter die Räder gekommen, auch wenn sich mutige Investoren, die sich vor Anfang 2013 ein paar Aktien gekauft haben, mittlerweile einen Multi-Bagger im Depot haben.

Montag, 2. Januar 2017

Lernen, effektiver zu arbeiten: Cal Newport - Deep Work

Lernen, effektiver zu arbeiten: Cal Newport - Deep Work

Da dies der erst Beitrag des neuen Jahres ist, wollte ich zuerst allen Lesern ein erfolgreiches Jahr 2017 wünschen. Für mich hat das Jahr dahingehend gut begonnen, dass ich jetzt die Zeit für ein paar Dinge finde, die ich schon lange vor mir hergeschoben habe. Den Januar werde ich vor allem für persönliche Weiterbildung nutzen. Möglich ist dies durch meine mit der Selbständigkeit verbundenen freien Zeiteinteilung und passives Einkommen. In den vergangenen Jahren haben wir es geschafft 2 Kinder zu produzieren und zusätzlich meine Frau dahingehend aus- und weiterzubilden, dass diese finanziell vollkommen unabhängig von mir ist. 2016 war dahingehend optimal, dass sie nun stolze Besitzerin einer Physiotherapiepraxis ist und für mich ein wenig Druck genommen wurde, ständig arbeiten zu müssen. Sie ist jetzt neben meinen Investments Hauptteil meines passiven Einkommens. Für Januar zumindest :-)

Dass ich im Januar auf keinem Projekt bin, heißt nicht, dass ich nichts tue. Stattdessen bin ich heute wie immer recht früh aufgestanden und habe mich in mein ruhiges Arbeitszimmer verzogen, um mich dem knapp 280 Seiten umfangreichen Buch Deep Work des amerikanischen Autors Cal Newport zu widmen.

Zum Autor:
Der Autor Cal Newport (Jahrgang 1982 - also in etwa mein Alter) ist ein Informatik-Professor an der Georgetown Universität in Washington. Er hat 2004 am renomierten Dartmouth-College seinen Abschluss gemacht und 2009 den Doktorgrad am noch renomierteren Massachusetts Institute of Technology (MIT) erworben. Seit dem lehrt er unter anderem in den Bereichen verteilte Algorithmen und schreibt Bücher, veröffentlicht Fachartikel und Beiträge auf seinem Blog.

Zum Buch:
Deep Work handelt davon, wie man in unserer heutigen Welt mit ständiger Ablenkung (Social Media, Smartphone, Email) wieder dahin kommt, produktive und qualitativ hochwertige Arbeit zu leisten. Jeder von uns kennt das wahrscheinlich: das Smartphone liegt neben einem und bei jeder Whats App-Nachricht nimmt man es in die Hand. Die meist nebensächliche Nachricht (oft ein 'lustiges' Bild oder Video) wird dann an andere weitergeleitet. Und wenn man das Smartphone gerade in der Hand hat, kann man auch noch mal schnell schauen, was es in Facebook neues gibt. Dort sieht man dann Beileidsbekundungen zum Tod eines Promis, an den man eigentlich seit vielen Jahren nicht mehr gedacht hatte und eigentlich auch nicht interessiert war. Aber den Artikel auf Focus Online liest man sich doch mal schnell durch. Dann sieht man die Eilnachricht, dass irgendwo wieder eine Bombe explodiert ist und möchte natürlich auch darüber alles zeitnah wissen. Und am Ende sind wieder 20 Minuten vorbei, in denen man eigentlich etwas Produktives hätte schaffen können. Das Informationszeitalter ist Fluch und Segen zugleich.

In den einleitenden Kapiteln des Buches beschreibt er den Status Quo unserer Zeit. Sehr viele Menschen sind in Berufen unterwegs, in denen es vor allem um die Aufbereitung und Verarbeitung von Informationen geht. Das Geld wird heutzutage in vielen Fällen mit dem Denken und nicht mehr so sehr mit körperlicher Arbeit verdient. Durch die schon genannten Gründe wird man oft aus seinem Rhythmus gerissen und es fällt einem schwer, wirklich produktiv an einem Problem arbeiten zu können. Aus meiner Tätigkeit als Softwareentwickler kenne ich das nur zu gut. Am besten kann ich arbeiten, wenn ich in einer ruhigen Umgebung bin und ich mich in einem Problem verbeißen kann, ohne dass von mir erwartet wird, an irgendwelchen Meetings teilzunehmen, EMails zu beantworten oder Telefonkonferenzen zu lauschen. Ich habe es dabei schon sehr oft geschafft, in eine Art Tunnel zu kommen, in der ich alles um mich herum ausblenden kann, bis ein konkretes Problem gelöst ist. Diesen Zustand bei der Arbeit liebe ich, denn dann vergeht zusätzlich die Zeit wie im Flug. Für diesen Zustand hat Newport den Begriff Deep Work vorgesehen, der im Gegensatz zur Shallow Work steht.

Newport führt einige Beispiele für Deep Work auf, die sehr lesenswert sind. Unter anderem geht er kurz auf Bill Gates und die Entstehung von Microsoft ein. Gates war im Stande, bis zur Erschöpfung zu arbeiten, dann während des Schreibens von Code auf der Tastatur einzuschlafen und nach ca. 1-2 Stunden weiter zu machen. Damit schaffte er es, eine erste BASIC-Version innerhalb von knapp 8 Wochen zu erstellen, welche dann als Grundlage für das weitere Geschäft von Microsoft dienen sollte.

Ein weiteres interessantes Beispiel ist das von Jason Benn, der zunächst als BWLer einfache repetetive Tätigkeiten in Excel ausführen musste. Diese automatisierte er anschließend über Makros, was ihn dann dazu führte, zu erkennen, dass nicht die repetetive Tätigkeit die Zukunft war, sondern das Erstellen von Programmen. So schulte er innerhalb kürzester Zeit zu einem Softwareenwickler um, indem er schnell und durch Anwendung von Deep Work viele Programmierbücher durcharbeitete. Zum Abschluss nahm er am 100-h pro Woche Dev Bootcamp teil und war am Ende - obwohl Quereinsteiger - einer der besten Absolventen. So schaffte er es in nur wenigen Monaten von einem 40' $ Job zu einem 100' $ Job in der IT.

Die 4 Regeln:
Der zentrale Teil des Buches sind die 4 Regeln, mit denen man Deep Work umsetzen kann. Diese wären:

  • Regel 1: Work Deeply (arbeite mit hoher Konzentration und Intensität)
  • Regel 2: Embrace Boredom (Langeweile Langeweile sein lassen)
  • Regel 3: Quit Social Media (sich von sozialen Medien wenn möglich zurückziehen)
  • Regel 4: Drain the Shallows (Arbeiten ohne Tiefgang minimieren)

Für die Umsetzung von Regel 1 muss man schauen, was im eigenen Beruf möglich ist. Für manche Leute ist das Monostatische Modell gut (d.h. vollkommene Abgeschiedenheit ohne irgendwelche Ablenkungen), für andere das Bimodale Vorgehen (zeitweise vollkommen abgeschieden, zeitweise 'normal') und für den nächsten das Rhythmische Modell (im Wechsel - z.B. von 4.30 Uhr - 9 Uhr Deep Work, von 9 bis 17 Uhr 'normal'). Durch Schaffung von Ritualen (z.B. Morgenkaffee, Mittagsspaziergang) kann man es schaffen, in den richtigen Modus zu kommen bzw. zwischen den Modi hin- und her zu schalten. Ich persönlich finde es z.B. hilfreich, nach dem Aufwachen ein paar einfache Rechenaufgaben im Kopf zu lösen, um Morgens mein Gehirn 'hoch zu fahren'. Evtl. sollte ich auch mal wieder unser Nintendo DS reaktivieren, um täglich ein paar Minuten Dr. Kawashimas Gehirn Jogging zu spielen.

Regel Nummer 2 ist relativ simpel umzusetzen. Man muss in manchen Situationen einfach einmal die Langeweile Langeweile sein lassen und nicht bei jeder Gelegenheit wie z.B. dem 5-minütigen Warten auf die S-Bahn das Smartphone zücken.

Regel Nummer 3 ist für mich auch relativ einfach umzusetzen, da ich Facebook selten nutze und Twitter gar nicht. Newport rät einem hier zu einem Experiment, bei dem man sich einfach mal bewusst aus den Sozialen Medien zurückziehen soll, ohne es anderen zu sagen. Stellt man dann fest, dass es anderen überhaupt nicht aufgefallen ist, sollte man sich einfach die Frage stellen, ob es wirklich notwendig ist. Das Schwierige hier ist es, zu erkennen, dass die Sozialen Medien so aufgebaut sind, dass sie in gewisser Weise abhängig machen.

Regel Nummer 4 dürfte für die meisten am schwierigsten umzusetzen sein, denn diese bezieht sich auf die oft alltäglichen Arbeiten ohne Tiefgang, die aber oft als notwendig angesehen werden. Hier geht es vor allem um das Senden und Empfangen von EMails. Newport rät hier z.B. dazu, nicht ständig erreichbar zu sein und z.B. für die Bearbeitung von EMails wenn möglich nur bestimmte Zeiten vorzusehen. Das Überwachen des Postfaches lenkt nur ab.

Fazit:
Alles in allem fand ich das Buch sehr lesenswert. An vielen Stellen konnte ich mich bzw. meine Situation wiederfinden und die gemachten Vorschläge dürften mir wie auch allen anderen Lesern des Buches helfen, ihr Situation und vor allem ihre Leistung zu verbessern. Ich persönlich werde versuchen, ein paar der Sachen in den nächsten Tagen einmal umzusetzen. Am Ende sollte ich dahin kommen, dass ich die damit gewonnene Zeit anderweitig nutzen kann. Also nicht zum sinnfreien Surfen im Web auf Seiten wie Huffington Post (ich warte noch auf den Artikel "Diese Frau ging aufs Klo und sie werden nicht glauben, was sie nach 5 Minuten erblickte" :-)) sondern eher für meine Familie, Sport oder weitere Bücher.