Sonntag, 8. Januar 2017

Ein wiederentdeckter Klassiker: Peter Lynch - Beating the Street

Ein wiederentdeckter Klassiker: Peter Lynch - Beating the Street

Vor knapp einem Monat hatte ich hier ja bereits One up on Wall Street von Peter Lynch vorgestellt und im dortigen Fazit beschlossen, mir die beiden Nachfolger zu besorgen. Diese sind in der Zwischenzeit eingetroffen + konsumiert und so wollte ich heute einmal ein paar Worte zum meiner Meinung nach würdigen Nachfolger Beating the Street aus dem Jahr 1993 verlieren. Mein Exemplar konnte ich preiswert bei Amazon bestellen, es stammt aus der Westmont Public Library und wurde 2013 das letzte mal ausgeliehen.

Zum Buch:
Auf knapp 300 Seiten geht er dort auf seine Karriere bei Fidelity ein und verliert viele weise Worte über seine zahlreichen erfolgreichen und auch teilweise weniger erfolgreichen Investments. Eingangs beschreibt er, warum er 1990 nach knapp 13 überaus erfolgreichen Jahren (Performance > 20 % p.a. über diesen Zeitraum) ausgestiegen ist. Hauptgrund war, dass er seine Familie mehr sehen wollte. Wie er es so schon schrieb, war es ihm irgendwann unheimlich, dass er die Geschätszahlen und Kurse diverser Unternehmen kannte, aber Probleme hatte, sich die Geburtstage seiner Kinder zu merken.

Im ersten richtigen Kapitel zeigt er auf, wie Amateurinvestoren professionellen Investoren voraus sein können. Dabei bedient er sich den Siebtklässlern der Bostoner St. Agnes Schule, die über 2 Jahre Geld virtuell Geld investiert haben. Ihre Performance lag in dem Zeitraum bei über 70 %, womit sie knapp 99 % der professionellen Investoren ausgestochen haben. Die Aktien, die sie gekauft hatten waren z.B. Wal Mart, Nike, Walt Disney, Gap, Limited und Pentech. Es wurde nur investiert, wenn sie erklären konnten, was das Unternehmen macht und warum sie es für ein gutes Investment halten (Prinzip Invest in what you know). Danach geht er auf Investment Clubs ein, welche oft ähnlich vorgehen. Hauptvorteil dieser ist, dass monatlich der gleiche Betrag investiert wird - in guten wie in schlechten Zeiten - und Investments werden verteilt auf mindestens 5 Aktien (Prinzipien des Cost Averaging und der Diversifikation).

Im Folgekapitel erzählt von der Money Manager Konferenz, an der er jährlich neben anderen bekannten Investoren wie Ron Barron, Jeff Neff oder Mario Gabelli teilnahm. Im Endeffekt machten sie sich immer Sorgen über die Wirtschaft und waren eher pessimistisch. Das einzige Jahr, in dem sie sich keine Sorgen machten, war 1987, das Jahr mit dem Crash im Oktober. Seine Folgerung: You can't see the future through a readview mirror. Das Buch ist hier dahingehend interessant, dass es Anfang der 90er geschrieben wurde und er explizit gesagt hat, dass es auch zukünftig in regelmäßigen Abständen Abstürze von 10 % und mehr geben wird, die ja dann auch kamen und auch zukünftig kommen werden. Das Einzige, was man dann machen muss, ist die Apokalypse-Vorhersagen zu ignorieren und bei den Aktien aufzustocken, von denen man am meisten überzeugt ist. Ein tolle Aussage diesbezüglich war auch 'The ultimate success or failure will depend on your ability to ignore the worries of the world long enough to allow your investments to succeed'.

Im nächsten Abschnitt macht er einen kurzen Ausflug in die Welt der Fonds. Dort fand ich es bemerkenswert, dass er schon damals schrieb, dass 75 % schlechter als der Index abschnitten und die meisten mit einem Indexfonds besser aufgehoben sind. Er brachte dabei einen Vergleich mit der Dartscheibe: statt für Zufallsstockpicking mit Dart auf Scheibe zu werfen sollte man am besten direkt die ganze Dartscheibe kaufen. Hier wären wir wieder bei meiner Aussage aus meinem Plädoyer für Stockpicking, dass Indexfonds das Richtige für Leute ist, die nicht die Zeit haben, sich intensiv mit Unternehmen auseinander zu setzen. Diese sollten einfach regelmäßig Indexfonds kaufen und am Ende werden sie positiv überrascht auf das Ergebnis schauen.

Als nächstes geht er detaillierter als in One up on Wall Street auf seine Geschichte bei Fidelity bzw. Magellan ein. Die Fondsgesellschaft, für die er tätig war, ging im Endeffekt aus dem Zusammenschluss zweier Fondsgesellschaten hervor und hatte als großen Vorteil im Bezug auf zukünftige Besteuerung 50 Mio. an Verlustvorträgen. Die Assets under Management (AUM) lagen initial nur bei 18 Mio. $. Nachdem er 1977 Hauptverantwortlicher wurde, machte er erst einmal Tabula Rasa und ersetzte größtenteils die Investments seiner Vorgänger durch seine eigenen. Bis der Fonds Anfang der 80er für neue Investoren geöffnet wurde, konnte er viel ausprobieren und eigentlich auch Fehler im Verborgenen machen. Er schreibt selbst, dass er Anfangs keine echte Strategie hatte und oftmals nur zufällig bei Interviews mit Mitarbeitern von potentiellen Investments auf andere Unternehmen aufmerksam wurde (Frage: Welche Konkurrenten bewundern sie und warum?). Irgendwann war er an dem Punkt angekommen, dass er nicht mehr mit Redemptions zu kämpfen hatte (d.h. Geld wurde nicht mehr aus Fonds abgezogen), sondern dass er viel Geld zur freien Verfügung hatte. Daraufhin machte er sich auch international auf die Suche nach Investments (u.a. in Schweden, Norwegen, Deutschland und Italien). Sehr amüsant sind hier seine Ausführungen zum Thema Autobahn in Deutschland. Bei 160 km/h (so schnell war er vorher noch nie gefahren) wurde er richtig nervös. Dann hat er sich getraut, mit 190 km/h einen zu überholen und schaute dabei in den Rückspiegel, nur um dort zu sehen, dass ein Mercedes-Fahrer lediglich einen knappen Meter hinter ihm war. Sein Kommentar dazu: Ich konnte dessen Fingernägel sehen und dass er einen guten Kosmetiker hatte. 1985 war Fonds auf 5 Mrd. $ angewachsen, 1986 machte er 570 persönliche Besuche bei Unternehmen, 1987 war er bei 10 Mrd. $ angelangt und eigentlich schon erschöpft. D.h. damals hätte er schon aufhören wollen, aber dann kam 'The Great Correction' und so kam es, dass er doch noch bis 1990 weiter machte.

Im längsten Kapitel des Buches geht er auf seine 1992 im Finanzmagazin Barons empfohlenen Unternehmen ein. D.h. er beschreibt, warum er sie empfohlen hat und am Ende zieht er eine Bilanz, inwieweit seine Investmentthesen aufgegangen sind. Da sie am Ende des Jahres 37 % Gewinn eingefahren hatten und der S&P500 nur knapp 8 % zugelegt hatte, würde ich sagen, dass es der 'Rentner' Peter Lynch immer noch drauf hatte. Einige seiner Empfehlungen waren dabei Body Shop (wurde 2006 von L'Oreal für 652 Mio. Pfund gekauft), Shaw Industries (Geschäftsbereich Teppiche, 2001 von Berkshire übernommen) oder Fannie Mae, dem Hypothekenfinanzierer, der 2008 vom Staat gerettet werden musste.

Am interessantesten fand ich seinen Abschnitt zum Thema S&Ls (Sparkassen). Er führt hier einige interessante Charakteristiken auf, auf deren Grundlage er S&Ls ausgewählt hat (u.a. Equity/Assets, Dividende, Buchwert, 90-Tage überfällige Darlehen, Höhe des Immobilienbesitzes (d.h. von Schuldnern übernommen)). Dabei fühlte ich mich ein wenig an den Oddballstocks-Autor Nate Tobik erinnert, der auch relativ viel über Banken schreibt und die Seite Complete Bank Data betreibt. Normalerweise sollte man ja keine IPOs kaufen. Dies gilt/galt aber laut Lynch nicht für S&Ls, wenn diese an die Börse gingen, denn hier gab es keine Alteigentümer, welche dann teilweise das Geld bekamen. Alle, die in der Sparkasse ein Konto hatten, waren quasi auch Eigentümer. Da die Direktoren auch Aktien kauften, waren sie natürlich an einem sehr niedrigen IPO-Preis interessiert. Das Geld ging dann fast 1:1 in die Bilanz ein und nicht nur teilweise, wie bei normalen IPOs. Somit konnte man oft Schnäppchen machen. Hier wäre mal interessant, zu sehen, ob das heute auch noch gilt...

Das mit den IPOs galt für ihn übrigens auch bei Privatisierungen (wie bei uns z.B. bei Telekom, Post oder evtl. irgend wann mal der Deutschen Bahn). Er hatte Erfolg bei der mexikanischen und spanischen Telekom und auch bei einigen Wasser-Unternehmen in Großbritanien. In dem Privatisierungskapitel war auch einer der lustigsten Sätze zu finden: Privatisierung ist ein komisches Konzept. Man nimmt etwas, was der Öffentlichkeit gehört, verkauft es an die Öffentlichkeit und nennt das dann Privatisierung.

Im Abschlusskapitel fasst er wichtige Investmentprinzipien noch einmal zusammen und nennt diese dann Golden Rules. Dabei findet man dann solche Klassiker wie "You have to know what you own and why you own it" oder "Owning stocks is like having children - don't get involved with more than you can handle". Vor allem das Letztgenannte ist bei ihm (zeitweise hatte er über 1400 verschiedene Aktien) allerdings als eher amüsant anzusehen.

Fazit:
Alles in allem fand ich Beating the Street auch wieder sehr gut und sehe es als perfekte Fortsetzung/Ergänzung zu One up on Wall Street. Es ist wieder sehr humorvoll geschrieben und man kann erneut sehr viele allgemeine Dinge über das Investieren lernen. Durch die Beschreibung seiner einzelnen Analysen/Bewertungen kann man sich auch einiges Praxisrelevantes abschauen. Insgesamt ist das Buch - auch wenn es bereits fast 25 Jahr alt ist - sehr zu empfehlen. Da es damals ein Bestseller war, gibt es das Buch noch haufenweise auf dem Markt und somit kann man es gebraucht für ein paar Euronen abstauben. Ich persönlich würde mich sehr freuen, wenn er irgendwann einmal ein weiteres Buch herausbringt, in dem er u.a. was zu seinen Erfahrungen mit der Dot-Com-Blase oder aber der Finanzkrise schreibt. Sein Lieblingsunternehmen Fannie Mae war ja dabei ziemlich unter die Räder gekommen, auch wenn sich mutige Investoren, die sich vor Anfang 2013 ein paar Aktien gekauft haben, mittlerweile einen Multi-Bagger im Depot haben.

1 Kommentar:

  1. Schön, dass du die alten Schinken ausgräbst! Habe den Vorgänger ebenfalls gelesen und finde die Art wie er schreibt unheimlich gut. Auch für Leser ohne beste Englischkenntnisse empfehlenswert!

    AntwortenLöschen