Dienstag, 23. Oktober 2018

Bruce Greenwald - 'Value Investing - From Graham to Buffett and Beyond'

Bruce Greenwald - 'Value Investing - From Graham to Buffett and Beyond'

Mein letztes 'Auf dem Weg zur Arbeit'-Buch war 'Value Investing - From Graham to Buffett and Beyond'. Dabei handelt es sich um einen knapp 300-seitigen Mix aus einer akademischen + gleichzeitig doch praxisnahen Betrachtung des Themas Value Investing sowie der Vorstellung von 8 ausgewählten Value Investoren. Das Buch erschien 2001 und wurde hauptsächlich vom bekannten Columbia University-Wirtschaftsprofessor Bruce Greenwald verfasst.

Zum Buch:

Auf den ersten 150 Seiten stellt Bruce Greenwald seine Sichtweise auf das Thema Value Investing vor. Er geht dabei vor allem darauf ein, wie sich der Wert eines Unternehmens zusammensetzt (=Asset Value + Earnings Power Value + Value of Growth) und welche Möglichkeiten es gibt, einen Näherungswert für diesen Gesamtwert zu bestimmen. Für eine Kauf- und Verkaufentscheidung ist dieser Wert dann mit dem aktuell am Markt aufgerufenen Preis zu vergleichen, wobei man - da es ja nur ein Näherungswert ist - eine sogenannte Sicherheitsmarge mit einfließen lassen sollte.

Anhand verschiedener 'echter' Fallbeispiele wie Hudson General, WD-40 und Intel geht er auf die verschiedenen Bestandteile des Gesamtwertes eines Unternehmens ein. D.h. bei Hudson General nimmt er die Bilanz auseinander (inkl. versteckter Assets), bei WD-40 bestimmt er den Earnings Power Value und bei Intel zeigt er, wie man dem Wachstum eines Unternehmens einen Wert zuweisen kann. Die gewählten Beispiele machen seine Herangehensweise relativ transparent, zeigen aber auch, dass eine Unternehmensanalyse in Summe dann auch recht umfangreich werden kann. Etwas verwirrend fand ich teilweise seine -verzeiht den Ausdruck - 'Korinthenkackerei' wo er hier mal 0.6 Mio. wegrechnet und da mal wieder hin um dann am Ende eine 'Bereinigung' des Näherungswertes von vielleicht einem Prozent zu erreichen. Kann man machen - muss man aber nicht.

Auf den letzten knapp 150 Seiten stellt er die Arbeitsweisen folgender (mehr oder weniger) bekannten Value Investoren vor: Warren Buffett (v.a. über Auszüge aus seinen Aktionärsbriefen), Mario Gabelli, Glenn Greenberg, Robert Heilbrunn, Seth Klarman, Michael Price, Walter + Edwin Schloss und Paul Sonkin. Diesen Teil fand ich auch sehr interessant, da man noch einmal schwarz auf weiß gezeigt bekommt, dass innerhalb der Disziplin des Value Investing auch 'Mehrere Wege nach Rom führen'.

Fazit:

Mir hat das Buch recht gut gefallen. Vor allem die Beschreibung der Arbeit der mir (bis auf die Namen) eher unbekannten Investoren fand ich sehr interessant. Buffett, Gabelli, Klarman und die Schlosses waren mir schon bekannt, aber auch die Herangehensweisen der anderen Investoren (und vor allem ihre Track Records wie z.B. die 25 % p.a. von Greenberg von 1984-2000) waren sehr nett zu lesen. Teilweise verliert er sich ein wenig zu sehr in Details und die Vorstellung von Buffett war für meinen Geschmack etwas zu umfangreich (wenn man dessen Biographie bzw. andere Zusammenfassungen seiner Aktionärsbriefe schon gelesen hat), aber das sei ihm verziehen. Die knapp 12 Euro, für die man es bei Amazon gebraucht erstehen kann, sind aber auf jeden Fall gut investiert.

Von Bruce Greenwald gibt es auf Youtube übrigens zahlreiche interessante Videos. Hier z.B. einmal ein interessantes Interview mit ihm (damit man mal ein Bild zum Namen vor Augen hat):

Samstag, 25. August 2018

EV/FCF-Verhältnis als Alternative zum KGV (Kurs-Gewinn-Verhältnis)

EV/FCF-Verhältnis als Alternative zum KGV (Kurs-Gewinn-Verhältnis)

Eine der bekanntesten und beliebtesten Kennzahlen ist ja das KGV bzw. Kurs-Gewinn-Verhältnis. Das findet man auf den meisten Finanzseiten auch immer an prominenter Position gleich neben dem Kurs und es wird von vielen Leuten als die Bewertungskennzahl schlechthin angesehen. Ich bin hier der Meinung, dass die Kennzahl besser ist, als nichts, aber dass sie durchaus auch kritisch gesehen werden kann. Das KGV errechnet sich aus dem Preis der Aktie geteilt durch den Gewinn der Aktie. Grob ausgedrückt kann man daran erkennen, wie viele Jahre es dauern würde, den Preis, welcher aktuell zu zahlen ist, bei Vollausschüttung konstanter Gewinne wieder herauszubekommen. Kostet eine Aktie beispielsweise 10 Euro und der Gewinn pro Aktie liegt bei 2 Euro, erhält man ein KGV von 5. D.h. umgekehrt, dass ich meine 10 Euro wieder heraushätte, wenn mir das Unternehmen den Gewinn in den nächsten 5 Jahren 1:1 auszahlt (5 Jahre * 2 €/Jahr = 10 €).

Das Problem an der Sache: das KGV ist nur eine Momentaufnahme und es werden viele wichtige Fakten (sprich die Realität) nicht mit berücksichtigt. Diese wären z.B. dass die Bilanzstruktur (Guthaben, Schulden) nicht mit einfließt, dass ausgewiesener Gewinn nicht gleich Geld auf dem Konto ist, dass Gewinne schwanken können, dass zum Wachstum (oder manchmal auch einfach zum Erhalt des Status Quo) investiert werden muss etc. In Amazon oder Netflix investiert ja z.B. aktuell niemand, weil er/sie anhand der aktuell vorliegenden Zahlen ernsthaft erwartet, erst in 150 Jahren seinen Einsatz wieder zu bekommen (+ bei Tesla evtl. nie :-)).

Ich würde erfahrenen Investoren, welche ihre Investmententscheidungen u.a. anhand von Kennzahlen treffen, immer erst einmal 2 Fragen stellen:

  1. Was ist für dich wichtiger: die Marktkapitalisierung (Anzahl ausstehender Aktien * aktueller Kurs) oder aber der Enterprise Value (grob gesagt Marktkapitalisierung - Zahlungsmittel + Finanzschulden + Minderheitenanteile)? Meine Antwort wäre hier eindeutig der EV, da hier auch die Bilanz mit betrachtet wird. Mir ist nämlich ein schuldenfreies Unternehmen mit einer Marktkapitalisierung von 100 Mio. und 50 Mio. auf dem Konto lieber, als ein Unternehmen mit einer Marktkapitalisierung von 140 Mio., 20 Mio. Cash und 80 Mio. ausstehenden Krediten - vergleichbare Einkünfte vorausgesetzt.
  2. Was ist für dich wichtiger: der ausgewiesene Nettogewinn oder aber der Free Cash Flow (also der Betrag, der auch tatsächlich nach Abzug von Investitionen auf dem Konto verblieben ist)? Meine Antwort wäre hier auch in den meisten Fällen der Free Cash Flow, da einem damit bewusster wird, dass eine geschriebene Rechnung (wird in GuV berücksichtigt, genau wie nicht-cashwirksame Punkte wie Abschreibungen oder aber Aktienoptionen) noch lange keine bezahlte Rechnung ist. Man sollte also auch immer einen Blick in die Kapitalflussrechnung werfen.

Schlussfolgerung aus Antworten: Nutze EV/FCF statt KGV

Was liegt also näher, statt des KGV das EV/FCF-Verhältnis für die Bewertung zu benutzen? Komischerweise habe ich noch keine Finanzseite gefunden, welche diese Kennzahl ausweist. Nicht mal das Kennzahlenparadies Gurufocus. Ich persönlich benutze diese Kennzahl immer wieder gerne für Vergleiche innerhalb einer Branche bzw. auch zur Riskikominimierung. Bei der Berechnung des EV muss man sich nämlich zwangsläufig mit der Bilanz auseinandersetzen und findet so oft auch Unternehmen, welche sich in einer exzellenten Position befinden, weil sie z.B. viel Cash auf der hohen Kante haben und keine Schulden zurückzuzahlen sind. Für die gilt dann meistens: ohne Schulden sind Unternehmen bisher selten pleite gegangen. Und auch ein Blick in die Kapitalflussrechnung ist Pflicht, da man dort gut erkennen kann, was an Cash reinkommt, was so an Optionen bezahlt wird, was so abgeschrieben wird und wie das Unternehmen investiert (wird z.B. nur eher organisch gewachsen oder anorganisch durch Unternehmensübernahmen).

In jüngerer Vergangenheit habe ich durch die Nutzung dieser Kennzahl durchaus ein paar positive Investmententscheidungen getroffen (z.B. dass ich Hibbett Sports im August letzten Jahren nicht verkauft habe, dass ich kurzzeitig Perion Network in mein Portfolio aufgenommen hatte oder aber dass ich bei F5 Networks und Robert Half International aktuell investiert bin). Retrospektiv gesehen hat mich die Nutzung der Kennzahl auch vor falschen Investments bewahrt (ich denke da nur mal Mox Telecom, die damals einen niedrigen einstelligen KGV hatten, aber stark negative Cash Flows - die sind dann pleite gegangen). Gleichzeitig hätte ich sie auch nutzen sollen, um voreilige Verkäufe zu unterlassen (wie z.B. bei Apple vor ein paar Jahren oder aber Hibbett Sports Anfang diesen Jahres). Aber man lernt ja nie aus und es ist auch unmöglich, immer richtig zu liegen. Bei richtiger Diversifikation reicht es im Normalfall aus, wenn man in etwas mehr als 50 % der Fälle richtig liegt. Wir müssen uns einfach bewusst sein, dass nicht jeder wie Warren Buffett oder Charlie Munger sein kann.

Kritik:

Die EV/FCF-Kennzahl ist natürlich kein Allheilmittel und auch eher für etablierte Unternehmen geeignet (bei schnell wachsenden Unternehmen ist der FCF meist negativ). Bei Wachstumsunternehmen mit negativem FCF hilft es dann meistens, nicht die Momentaufnahme zu betrachten, sondern das, was evtl. sein könnte, wenn denn mal tatsächlich nachhaltig Cash generiert wird. Stefan Waldhauser vom High-Tech-Investing-Blog bzw. The-Digital-Leaders-Fund wird mir da sicher zustimmen. Bei mir persönlich ist das z.B. ein Punkt, welcher mich aktuell von einem Einstieg bei der Datagroup abhält. Wenn dort alles gut läuft, generieren sie irgendwann gute Cash Flows. Was ist aber, wenn es weiter so schwankend läuft, wie in den vergangenen 12 Jahren und ständig neue Unternehmen zugekauft werden (müssen)? Zusätzlich fehlte in den 9-Monats-Zahlen die Kapitalflussrechnung...

Insgesamt gesehen sollte man die EV/FCF-Kennzahl auch immer noch mit dem Wachstum ins Verhältnis setzen (so wie es beim PEG auch gemacht wird, bei dem das KGV durch die Wachstumsrate beim Gewinn/Aktie zu teilen ist -> d.h. ein KGV von 40 bei einem Wachstum von 40 % ist besser, als ein KGV von 15 und einem Wachstum von 2 % - hier verweise ich gerne auf die Bücher von Peter Lynch bzw. auf das Buch The Zulu Principle von Jim Slater). Aber das wäre dann schon wieder mal als Thema für einen Folgeartikel denkbar.

Fazit:

Es gibt Alternativen zum KGV und ich persönlich habe sie auch in mein Bewertungsexcel aufgenommen. Wenn ihr bei Stammtischgesprächen oder aber langweiligen Parties glänzen wollt, so gebt einfach einige der dargestellten Argumente zum Besten. Kauft nicht alles mit einem niedrigen KGV und kauft nicht alles mit einem niedrigen EV/FCF (wobei eure Erfolgswahrscheinlichkeit damit etwas höher liegen dürfte). Wenn ihr Gefallen an Erläuterungen zu weiteren Kennzahlen haben solltet, sei euch die Seite DIY-Investor empfohlen.

Disclaimer:

In diesem Artikel wurden einige Unternehmen genannt. Die getroffenen Aussagen sind nicht als Empfehlung jeglicher Art zu werten. D.h. ich habe nicht gesagt, dass ein Leser Aktien eines der Unternehmen kaufen, halten oder verkaufen sollte. Ich wollte nur zum Ausdruck bringen, dass es neben dem KGV auch noch andere hilfreiche Kennzahlen gibt, welche teilweise aussagekräftiger sein können.

Dienstag, 21. August 2018

Datagroup SE - IT-Outsourcing 'Made in Germany'

Datagroup SE - IT-Outsourcing 'Made in Germany'

Seit einiger Zeit hatte ich ja schon den deutschen IT-Dienstleister Datagroup SE auf meiner TODO-Liste stehen. Jetzt habe ich endlich mal die Zeit gefunden, es mir ein wenig näher anzuschauen. Aufmerksam geworden bin ich auf die durch ein Youtube-Video des 'Aktien mit Kopf'-Produzenten Kolja Barghoorn, in dem er den CEO und Firmengründer Max Schaber interviewt hatte. Die angesprochenen Videos könnte ihr hier und hier finden. Ich fand einige der Aussagen in den Videos interessant und entschied daher, dass die Datagroup eine nähere Betrachtung verdient.

Zum Unternehmen:

Stammsitz der Datagroup ist ein recht modernes Gebäude in Pliezhausen bei Stuttgart. Der Vorstandsvorsitzende Max Schaber hat das Unternehmen 1983 gegründet. Dass (laut Wikipedia) das erste Produkt damals Software für eine Physiotherapiepraxis war, macht das Unternehmen für mich schon einmal sympatisch (meine Frau hat auch eine solche). Früher waren sie reine Systemanbieter/Softwarehersteller und heute v.a. ein Cloud- und Outsourcingdienstleister.

Der Claim des Unternehmens ist 'We manage your IT'. Sie bieten Betrieb und Weiterentwicklung von IT-Infrastrukturen an, also Outsourcing im klassischen Sinn. Anstatt dass also jede Firma eigene Entwickler, Administratoren und Supportdienstleister beschäftigt, eine eigene Infrastruktur aufbaut und diese nur zu 50-60 % auslastet, kann man es mittlerweile auslagern an externe Dienstleister, die dann ihr Personal und ihre Infrastruktur effektiver nutzt. Dies soll dann auf Dauer eine höhere Servicequalität zu einem geringeren Preis bringen. Zumindest in der Theorie...

Was die Datagroup für mich ein wenig von den anderen mir bekannten Anbietern abhebt ist der Fakt, dass ein Großteil der Dienstleistungen 'deutsch' gehalten wird. Ich persönlich habe ja mit Outsourcing immer ein wenig das Problem, dass es zwar manchmal Sachen preiswerter macht, die Qualität aber des Öfteren auf der Strecke bleibt. Dort, wo die Datagroup also deutsche Helpdeskmitarbeiter zur Verfügung stellt und entsprechend schult, hatte ich in der Vergangenheit sehr oft mit den Swetlanas und Ranshids dieser Welt zu tun, bei denen neben technischen oft auch noch sprachliche Defizite hinzu kamen. Damit lässt sich die relativ gesehen hohe Kundenzufriedenheit bei der Datagroup erklären. Die Datagroup ist auch auf der Lünendonk-Liste der 20 führende IT-Service-Unternehmen in Deutschland enthalten.

Ihr Zielmarkt sind Unternehmen mit Umsätzen zwischen 100 Mio. und 5 Mrd. €. Ihre hauptsächlich angebotene Lösung nennt sich CORBOX. Dies steht für „Corporate IT – Out of the Box“ und umfasst aktuell 12 Servicefamilien (Data Center, Network, End User, Application Management, SAP, Printing, Communication & Collaboration, Big Data, Service Desk, Security, Monitoring, Continuity). Alles dabei ist 'Made in Germany'. Für die Bereitstellung der Dienstleistungen gibt es einen Mix aus zentralen Standorten (Servicefabriken z.B. SAP) und Standorten in Metropolregionen (z.B. für Printing).

Was die Konkurrenten der Datagroup angeht, wird man auch auf der Lünendonk-Liste fündig und hier sieht man diverse bekannte Namen wie DXC, T-Systems, Atos (welche gerade mein ehemaliges Portfoliounternehmen Syntel übernehmen), IBM, Fiducia, die Cenit AG oder auch die QSC AG.

Das Wachstum findet sowohl organisch statt (d.h. Verlängerung/Erweiterung bestehender Kundenengagements), als auch seit jeher anorganisch durch komplette Firmenübernahmen und Aufnahme von Mitarbeitern anderer Unternehmen. Z.B. wurden im vergangenen Jahr 306 SAP-Experten von DXC übernommen (DXC Technology in 2017 durch Zusammenschluss von Teilen von Computer Sciences Corporation (CSC) und Hewlett Packard Enterprises (HPE) entstanden). Was die SAPler angeht, so sollten diese aktuell recht gefragt sein am Markt und es sollten sich gut Umsatz generieren lassen mit ihnen, sofern die Konjunktur sich nicht stark eintrübt. Die SAP-Experten sind allerdings kostenseitig auch nicht die preiswertesten (kosten alle sicherlich in Vollzeit geschätzt so um die 100'-120' € jährlich). D.h. Chance und Risiko sind da nah beieinander. Ich habe in 2008/2009 aus nächster Nähe gesehen, was mit SAPlern in Krisensituationen passieren kann. Aber das nur am Rande...

Hier mal der Chartverlauf:

Börsengang im September 2006. Tiefstkurs bei rund 1,80 € Ende 2008. Danach v.a. aufwärts mit dem Höhepunkt jenseits der 46 € im Januar diesen Jahres. Seither befindet sich der Wert eher im Rückwärtsgang. Der Chartverlauf lässt sich im Geschäftsverlauf durchaus wiederfinden, wobei Charttechniker hier wahrscheinlich sagen würden, dass die Zahlen dem Chart gefolgt sind :-)

Geschäftszahlen 2006-2018 (9 Monate):

Relativ stabiles Wachstum beim Umsatz (mit Schwächeperiode 203-2015). Nettoergebnis und Cashflowseitig fehlt ein wenig die Konstanz, was dann am Ende eine Bewertung erschwert (OCF und FCF sind übrigens geschätzt für die letzten 9-Monats-Zahlen). In jüngerer Vergangenheit wurde die Bilanz ein wenig gestärkt über eine Kapitalerhöhung. Ein Teil der Einnahmen wurde auch schon wieder für eine Firmenübernahme ausgegeben. Die Anzahl an Aktien ist mittlerweile auf 8,349 Mio. angewachsen. Die Margen sind in Ordnung, aber für ein IT-Unternehmen nicht wirklich beeindruckend. Wenn man sich die ersten Geschäftsberichte anschaut (so ab 2006) wurden die Zahlen auch noch ein wenig geschönt. D.h. da wurde dann gerne mal ein bereinigter Nettogewinn ausgewiesen, bei dem die Abschreibungen auf Firmenwerte nicht enthalten war. Das ist allerdings eher witzlos, wenn man zu einem großen Teil durch Firmenübernahmen wächst. Das wurde zum Glück irgendwann eingestellt. Warum ein solches Wachstumsunternehmen eine relativ hohe Dividende zahlen muss, erschließt sich mir nicht ganz, aber das ist Ansichtssache. Wahrscheinlich soll man auch hier erkennen, dass es ein deutsches Unternehmen ist :-)

Was gefällt mir an der Datagroup:

  1. Haben bisher gut geliefert und ihrer Lösungen kommen am Markt auch gut an. Mit ihrer aktuellen Größe und Zielgruppe dürfte auch weiterhin ein Umsatzwachstum von 10-20 % in den kommenden Jahren erreichbar sein. Laut ihrer H1-Präsentation streben sie für 2020/21 einen Umsatz im Bereich von 500 Mio. an, eine EBITDA-Marge von 13 % und eine EBIT-Marge von 10 %.
  2. Das 'deutsche' Serviceangebot lässt sich gut vermarkten bei den Firmen hierzulande. Dies umfasst unter anderem auch so Themen wie 'Ihre Daten bleiben auf deutschen Servern', wobei ich der Meinung bin, dass es in der Praxis schwierig wird, das zu 100 % sicherzustellen. Aber das ist Ansichtssache. Vermarkten lässt sich das in Zeiten von DSGVO und Cambridge Analytica aber auf jeden Fall gut.
  3. Wenn ein Mitbegründer eines Unternehmens dieses mehr als 30 Jahre lang aktiv begleitet hat und sich nicht auf den Lorbeeren ausruht, kann man das durchaus auch als Pluspunkt sehen. Da er auch Großaktionär ist (über die HHS Beteiligungsgesellschaft mbH mit 50,8% - HHS steht sicherlich für Hans-Hermann Schaber), dürfte ihm an einem weiteren positiven Geschäftsverlauf gelegen sein.
  4. Der stark gestiegene Aktienkurs wurde im vergangen Jahr zum Einsammeln von Kapital und zur Verbesserung der Bilanz genutzt. Im Zuge dessen hat die HHS Beteiligungsgesellschaft mbH  auch rund 400' Aktien zur Verfügung gestellt (d.h. für 11-12 Mio. verkauft, wenn man 28 € als Preis annimmt - wahrscheinlich für Weihnachtsgeschenke).
  5. Es ist zwar ein hart umkämpfter Markt, aber auf Dauer ist dann doch die Servicequalität entscheidend, auch wenn der Service ggf. ein wenig mehr kostet, als bei der Konkurrenz.
  6. Keine Verwässerung durch ausstehende Aktienoptionen.
  7. Sorgen für eigenen Fachkräftenachwuchs, um dem Fachkräftemangel entgegen zu treten. Von den knapp 2000 Mitarbeiter haben sie einige Fachkräfte in Ausbildung (70).

Was gefällt mir nicht an der Datagroup:

  1. Ich frage mich, ob auf lange Sicht gesehen auch eine internationale Ausrichtung angestrebt ist oder ob man auch weiterhin größtenteils lediglich den deutschen Markt penetriert.
  2. Relativ hohe Bewertung mittlerweile. Es gibt teurere Unternehmen im deutschsprachigen IT-Bereich (siehe RIB Software oder Bechtle), aber auch auf den ersten Blick preiswertere (z.B. die KPS AG oder evtl. zukünftig einmal Seven Principles).
  3. Warum zahlen sie eine so hohe Dividende? Sie sollten das Geld lieber in weiteres Wachstum stecken bzw. Schulden zurückzahlen. Oder ist das einfach nur eine indirekte Zahlung an den Vorstand?
  4. Relativ hoher Goodwill durch die ganzen Firmenübernahmen. Potentielle Übernahmekandidaten dürften aktuell auch relativ teuer sein.
  5. Die Pensionsverpflichtungen sind schon recht hoch. Im Zuge der Aufnahme der knapp 300 SAPler wurde zwar auch ein Teil der vorhandenen Rücklagen mitgegeben, aber die Rückstellungen von knapp 42,3 Mio. sind eine nicht zu unterschätzende Belastung für die Zukunft. Im Bezug auf Pensionsverpflichtungen allgemein habe ich folgenden interessanter Artikel gefunden: hier. Im Normalfall gibt der Geschäftsbericht Aufschluss über Pensionsverpflichtungen. Das, was als Pensionsrückstellung in der Bilanz steht, ist im Allgemeinen das, was zukünftig noch anfallen wird und für das das notwendige Kapital noch nicht wirklich zwangsläufig da sein muss. Dabei wird von der tatsächlichen Schuld das vorhandene Treuhandvermögen abgezogen. Bei Datagroup bestanden z.B. zum Ende des GJ Anwartschaften von 66.5 Mio und Treuhandvermögen von 28.9 Mio. und das resultiert in Pensionsrückstellung von 37.6 Mio zum Ende des letzen GJ (und ist aktuell mit 42.37 Mio. noch höher). Der äußerst positive Cashflow im vergangenen Jahr ist zu einem Großteil der Übertragung von Treuhandvermögen geschuldet und nicht dem operativen Erfolg.
  6. Das EBITDA als wichtigste operative Kennzahl zu nennen, gefällt mir nicht so (siehe auch Munger, Klarman and Buffett on EBITDA). Zinsen, Steuern und Abschreibungen sind nun mal Kosten, die nicht zu vernachlässigen sind - v.a. für Unternehmen, die gerne anorganisch wachsen und hohe Schulden angehäuft haben. Unternehmen, bei denen das Management z.B. anhand der Gewinne oder EBIT-Margen bezahlt wird sind mir lieber, als solche mit EBITDA. Die neigen nämlich etwas weniger zu kostspieligen Übernahmen, die dann irgendwann Goodwill-Abschreibungen zur Folge haben.
  7. Das Umsatzwachstum von über 22 % in den ersten 9 Monaten des GJ ist durchaus beeindruckend, auch wenn die operative Marge (6,7 % nach 7,8 % im Vorjahreszeitraum bzw. 8,3 % im Gesamtjahr '17) schwächer ausgefallen ist und auch die Nettomarge niedriger war. Warum keine Kapitalflussrechnung enthalten war, kann ich leider nicht sagen. Sie erwarten für Gesamtjahr etwa 265 Mio. Umsatz und 30 Mio EBITDA. Die Margen sind unter dem Strich schon relativ gering. Wenn bei einem IT-Unternehmen von 199 Mio. 'nur' rund 8 Mio. übrig bleiben, ist das jetzt alles andere als atemberaubernd. Und wir befinden uns gerade nicht wirklich an einem Tiefpunkt der Konjunktur. Es ist auch ein wesentlich kapitalintensiveres Geschäft, als z.B. Consulting oder das reine Softwaregeschäft. Der Aufbau und das Auf-Stand-halten von Rechenzentren ist und bleibt teuer.
  8. Der Konkurrenzkampf in diesem Bereich ist meiner Meinung nach relativ groß und auch die Konjunkturabhängigkeit.

Versuch einer Bewertung:

Ich habe mal versucht, das Unternehmen zu bewerten. Da sie ja so viel Wert auf EBITDA legen, hätte man es z.B. auf Grundlage des EV/EBITDA machen können (das aktuelle Multiple von 9,5 ist in Ordnung in dem Bereich), aber ich bin ja immer ein wenig FCF-fixiert und habe es deswegen auch wieder mit dem FCF bewertet. Ich habe mir mal 3 Szenarien ausgedacht mit unterschiedlichen Umsatzwachstumsraten, FCF-Margen und zu den Szenarien passenden Kurs-FCF-Multipliern. Die Wahrscheinlichkeiten habe ich mal jeweils mit 1/3 angenommen. Dabei komme ich auf einen Wert, der über dem aktuellen Kurs liegt, allerdings für das Jahr 2022. Somit ist mir die Sicherheitsmarge im Bezug auf den aktuellen Kurs etwas zu gering.

Fazit:

Die Datagroup ist ein interessantes deutsches IT-Unternehmen. Für mich kommt es allerdings aktuell nicht in Frage, da ich persönlich schon ein recht IT-lastiges Portfolio habe und mir die Bewertung der Datagroup nicht so ganz gefällt. Wie heißt es so schön: andere Väter haben auch schöne Töchter. Wären wir jetzt so bei 25 €, würde ich evtl. über einen Einstieg nachdenken. So aber bleibe ich an der Seitenlinie und warte auf eine günstigere Bewertung.

Wichtiger Hinweis:

Die Zahlen wurden von mir selbst zusammengetragen und können (Interpretations-)Fehler enthalten. Für die Richtigkeit wird keine Gewähr übernommen. Ich besitze aktuelle keine Aktien des Unternehmens. Dieser Artikel stellt nur eine Meinungsäußerung dar, aber keine Aufforderung zum Handeln in irgendeiner Art und Weise. Sollte sich jemand entschließen, in das genannte Wertpapier zu investieren, so sollte derjenige bzw. diejenige selbst entsprechende Nachforschungen und Überlegungen anstellen.

Sonntag, 19. August 2018

Charlie Munger - 'Poor Charlie's Almanack - The Wit and Wisdom of Charles T. Munger'

Charlie Munger - 'Poor Charlie's Almanack - The Wit and Wisdom of Charles T. Munger'

Zu Charles Munger:

Für diejenigen, die Charles Munger nicht kennen: er ist ein 1924 geborener Amerikaner, Rechtsanwalt, Investor und der Vize bei Berkshire Hathaway - der Investmentholding von Warren Buffett. Bekannt ist er vor allem für die Aussage 'I have nothing to add', welche die Besucher der Berkshire-Hauptversammlungen nach Buffett-Monologen in der Vergangenheit des Öfteren zu hören bekamen. Allgemein anerkannt ist sein positiver Einfluss auf Buffett. Er lenkte dessen Investmentverhalten in andere Bahnen und im Endeffekt führte das dazu, dass Berkshire zu dem wurde, was es heute ist. D.h. kein Textilunternehmen und keine Sammlung von Zigarrenstummel mehr, sondern eine Holding von hervorragend geführten, profitablen Unternehmen, erfolgreichen Geschäftsmodellen und damit einhergehend mit auch zukünftig hohen Überlebens- und Wachstumschancen bei eingeschränktem Risiko.

Munger ist extrem belesen. Folgendes Zitat aus dem Buch 'Poor Charlie's Almanack' fasst dies sehr gut zusammen: "In my whole life, I have known no wise people (over a broad subject matter area) who didn't read all the time - none, zero. You'd be amazed at how much Warren reads - and at how much I read. My children laugh at me. They think I'm a book with a couple of legs sticking out." Es gibt zwar einige Bücher über Charles Munger, aber nur wenige Bücher von ihm. Und das bekannteste davon ist sicherlich 'Poor Charlie's Almanack', welches es in einer 'normalen' Auflage gibt (in blau) und auch in einer verkürzten Fassung (in grün). Ich hatte mir die verkürzten Fassung gekauft.

Zum Buch 'Poor Charlie's Almanack - The Wit and Wisdom of Charles T. Munger':

Munger war und ist ein großer Bewunderer des Gründervaters, Verlegers, Erfinders, Wissenschaftlers, Diplomaten und Geschäftsmannes Benjamin Franklin, welcher vielen durch seine Abbildung auf dem 100-Dollar-Schein bekannt sein dürfte. Dieser veröffentlichte ab 1732/33 ein Jahrbuch namens 'Poor Richard’s Almanack', in dem er allerlei Lebensweisheiten einfließen ließ. Was lag für Munger also näher, sein Wissen und seine Ansichten auch in einer an 'Poor Richard’s Almanack' angelehnten Art und Weise zu veröffentlichen. Dies erfolgte dann in 2005 als 'Poor Charlie's Almanack - The Wit and Wisdom of Charles T. Munger'.

Auf 240 Seiten wird extrem humoristisch aber gleichzeitig auch lehrreich auf seinen Einluss auf Buffett, seine Ansichten im Bezug auf Investments und die menschliche Psychologie eingegangen. Den Hauptteil des Buches machen 4 Vorträge aus, welche er an diversen akademischen Einrichtungen wie Harvard, der University of Southern California oder Stanford gehalten hatte. Der 4. und längste Vortrag namens 'The Psychology of Human Misjudgement' stellt dabei eine Zusammenfassung von 3 separaten Einzelvorträgen dar.

Neben Investmentthemen werden auch viele allgemeine Dinge besprochen, wie z.B. wie man Erfolg im Leben haben wird (u.a. durch das Fernhalten von bewusstseinsverändernden Substanzen und durch das gelegentliche (oder doch eher ständige) Betrachten von Problemstellungen aus anderen Blickwinkeln - ich sage nur 'Invert, always Invert') oder aber wie sich bestimmte Verhaltensweisen von Menschen erklären, beeinflussen und ausnutzen lassen (25 tendencies).

Die Art und Weise, wie die Aussage und Vorträge innerhalb des Buches verarbeitet werden, hat mir sehr gut gefallen. Es gibt extrem viele Abbildungen und Karrikaturen, welche einerseits unterhaltend und auflockernd, aber gleichzeitig auch erläuternd wirken. Das macht das Buch insgesamt extrem abwechslungsreich und regt dazu an, es doch immer mal wieder in die Hand zu nehmen und darin herumzublättern. Witzig fand ich, dass es bekannte Schreibfehler ins Buch geschafft haben: auf S. 52 hat doch tatsächlich jemand Buffett mit lediglich einem t geschrieben - ein Fehler, der sich bis in die heutige Zeit gerettet hat :-) Auf den letzten Seiten wird auch noch einmal Mungers Leben zusammengefasst dargestellt mit diversen wichtigen Ereignissen wie z.B. seinem ersten Treffen mit Buffett 1959 bei einem Dinner der Familie Davis.

Fazit:

Das Buch ist nicht ganz billig und nicht wirklich handlich, aber gleichzeitig Pflichtliteratur. Ich habe es bis jetzt mehrmals durchgeblättert, einmal gelesen und werde es wohl auch in Zukunft immer mal wieder in die Hand nehmen. Insgesamt gesehen also absolut empfehlenswert.

Dienstag, 24. Juli 2018

Matthew Symonds - 'Softwar: An Intimate Portrait of Larry Ellison and Oracle' (2003)

Matthew Symonds - 'Softwar: An Intimate Portrait of Larry Ellison and Oracle'

Kürzlich habe ich das Buch 'Softwar: An Intimate Portrait of Larry Ellison and Oracle' gelesen und es hat mir insgesamt gut gefallen. Ich hatte es schon längere Zeit im Regal stehen, da ich als Java-Entwickler mit Studienschwerpunkt Datenbanken schon viele Jahre Produkte der Firma Oracle nutze und in gewissem Sinne auch mehr über den - oberflächlich betrachtet arrogant wirkenden - Larry Ellison erfahren wollte. Das Buch kam 2003 heraus und wurde vom britischen Autor Matthew Symonds geschrieben, nachdem dieser Larry Ellison rund 3 Jahre sowohl privat als auch beruflich begleitete.

Zu Larry Ellison:

Er ist ein 1944 in New York geborener US-Amerikaner jüdischer Herkunft, der im Alter von 9 Monaten von seiner Mutter an Tante und Onkel gegeben wurde, die ihn anschließend adoptierten. Dass er adoptiert war, erfuhr er erst später. Seine leibliche Mutter traf er erst im Alter von 48 Jahren. Er brach sein Studium ab und arbeitete anschließend in der IT-Branche. Durch das Lesen von diversen eher theoretischen Veröffentlichungen während Leerlaufzeiten und Nachtschichten auf der Arbeit kam er auf die Idee, eine neue relationale Datenbank zu entwickeln.

Bei relationalen Datenbanken werden vereinfacht gesagt Daten 'normalisiert' und dann auf verschiedene Datenbanktabellen verteilt, welche miteinander in Verbindung stehen über sogenannte Primärschlüssel und Fremdschlüssel. Auf die Daten wird dann per SQL zugegriffen, um Informationen zu erfragen. Auf jeden Fall entstand dadurch die Oracle Datenbank und später auch das gleichnamige Unternehmen. IBM dominierte zu der Zeit den Datenbankmarkt mit der DB2 auf Mainframes (Großrechnern). Oracle ging letztendlich als Sieger im DB-Markt für Unix- und Windowsrechner hervor (+ läuft auch auf Mainframes) und kann auch heute noch als Marktführer bei Datenbanken betrachtet werden. Ich war bisher auf keinem Projekt tätig, bei dem keine Oracle-Datenbank im Einsatz war.

Das Buch beschreibt auf knapp 400 Seiten größtenteils den Aufstieg und die ständige Weiterentwicklung von Oracle im Bereich der Datenbanken und Unternehmensapplikationen. Dabei wird auf diverse technische und innerbetriebliche Probleme eingegangen, mit denen Ellison zu kämpfen hatte. Ich wusste z.B. nicht, dass sie Anfang der 90er Jahre aufgrund von Fehlmanagement kurz vor der Pleite standen oder dass es innerhalb des Unternehmens immer wieder Grabenkämpfe gab (z.B. Ray Lane vs. Safra Catz (jetzige Co-CEO)). Als Grundvoraussetzung der Weiterentwicklung des Unternehmens brauchte Ellison immer wieder neue Feindbilder. Stellvertretend seien hier Sybase, Informix, Microsoft, Peoplesoft, Siebel und SAP genannt (wichtig: das Buch ist aus 2003). Aus heutiger Sicht würden wahrscheinlich Google, Amazon, Mongo DB und Salesforce (Salesforce-Gründer Marc Benioff stieg 99 bei Oracle aus, um sein Unternehmen zu gründen) dazu kommen.

Sehr interessant fand ich, dass Ellison zwar durchaus ein Lautsprecher/Großmaul ist/war, aber gleichzeitig auch - ähnlich seinem sehr guten Freund Steve Jobs - ein Visionär, der seiner Zeit oft voraus eilte. Beispiele dafür:

  • Er erkannte das Potential von Relationalen Datenbanken und den Markt für solche abseits der Großrechner. Dies führte dann zum Aufstieg von Oracle.
  • Er war relativ früh im Video On Demand-Bereich unterwegs, der sich aber damals noch nicht durchsetzen konnte (im Gegensatz zu Netflix Jahre später).
  • Zur Präsentation von Windows 95 nannte er PCs 'lächerliche Maschinen' und dass die Zukunft Netzwerkrechnern gehört (also mehr oder weniger das, was Smartphones und Tablets heute im Verbund mit den zahlreichen Cloudapplikationen und Webseiten darstellt). Hierbei muss man verstehen: er kam von Unix und Mac. Von daher war Windows 95 für ihn eher ein Rückschritt. Ich, viele meiner Freunde und der überwältigende Teil der Computernutzer damals kamen aber von MS DOS und Windows 3.1. Für uns war Windows '95 ein Riesenfortschritt und die Informationsmöglichkeiten für Nerds wie uns waren damals auch eher eingeschränkt. Von daher ist/war der Erfolg von Microsoft für mich im Nachhinein absolut nachvollziehbar.
  • Er sagte, dass sich Clustering aus Kosten-Nutzen-Aspekten durchsetzen wird; d.h. viele preiswerte Maschinen mit guter, aber nicht überragender Einzelperformance, die im Verbund zusammen arbeiten (idealerweise mit Linux + Oracle-Datenbank), anstelle von teuren Großrechnern

Immer wiederkehrend sind im Buch Kommentare zu Microsoft und Bill Gates zu finden, die man (neben SAP) durchaus als seine Lieblingsfeinde ansehen kann. An einer Stelle macht er sich z.B. darüber lustig, wie jemand Microsoft als innovationsfreudig bezeichnet, da er der Meinung ist/war dass Microsoft lediglich exzellent im Kopieren von Ideen/Technologien (so wie Rocket Internet :-)) und Zerstören von Konkurrenzunternehmen ist. Interessant ist in diesem Zusammenhang übrigens, dass Oracle genau einen Tag vor Microsoft an die Börse kam (damals am 12.03.1986 mit 2.1 Mio. Aktien zu einem Preis von 15 $) und dass Gates und Ellison sich über einige Jahre einen Zweikampf um die Spitze der Forbes-Liste lieferten, den Ellison dann am Ende doch irgendwie verlor. Am Hungertuch nagen muss er allerdings trotzdem nicht, da er immer noch einer der weltweit reichsten Leute ist - seit mittlerweile mehr als 20 Jahren.

Seinen anderen Leidenschaften (Frauen und Segeln) sind im Buch auch einige Kapitel gewidmet, wobei ich die Abschnitte zum Segeln (sein Team gewann 2013 und 2017 den America's Cup) weniger lesenswerter fand, als die zu den Frauen. Das liegt wahrscheinlich daran, dass ich zwar langjähriger Playboy-Leser bin, aber mit Segeln so was von gar nichts anfangen kann.

Fazit:

: Es stellt keine klassische Biographie dar, auch wenn viele Informationen Larry Ellison‘s Vergangenheit betreffen. Man könnte Ellison als Co-Autor von Softwar nennen, da auf eigentlich jeder zweiten Seite ein Kommentar von Ellison enthalten ist, welcher seine Sicht der Dinge erklärt. Auch wenn durch diese Art des Schreibens wesentlich mehr Informationen im Buch untergebracht werden konnten, ist es dem Lesefluss alles andere als zuträglich. Aber am Ende kam es mir ja auf die Informationen an und wie man diese aus Sicht 2018 im Kontext 'veröffentlicht in 2003' lesen kann. Alles in allem fand ich das Buch recht lesenswert und das Unternehmen Oracle, welches in meinem Depot liegt, ist zukünftig durchaus auch mal einen Artikel wert.

Mittwoch, 9. Mai 2018

John Kenneth Galbraith - 'The Great Crash 1929'

John Kenneth Galbraith - 'The Great Crash 1929'

Im Januar hatte ich John Kenneth Galbraith's 'A Short History of Financial Euphoria' besprochen und empfohlen. Im Zuge dessen hatte ich auch sein bekannteres Werk 'The Great Crash 1929' bestellt, dessen Vorstellung mit meinem heutigen Artikel erfolgt.

Zum Buch 'The Great Crash 1929':

Zum Autor hatte ich bereits im Artikel zu 'A Short History of Financial Euphoria' etwas geschrieben, so dass ich mir gerne sparen würde, mich zu wiederholen. D.h. wer mehr über diesen interessanten Zeitgenossen wissen möchte, sollte meinen Artikel oder aber direkt den Galbraith Wikipedia-Eintrag lesen. Das Buch 'The Great Crash 1929' wurde Mitte der 50er Jahr erstmals veröffentlicht und beschreibt - wie man dem Namen schon entnehmen kann - die Situation vor, während und nach der Mutter aller Börsencrashes Ende Oktober 1929. Ich selbst las eine Auflage aus dem Jahr 1988, welche im Vorwort noch ein paar Vergleiche zwischen 1929 und dem kurz vorher stattgefundenen 1987er-Crash beinhaltete. Aktuellere Auflagen nehmen wohl sogar Bezug auf die dem Großteil der Anleger noch vertrauteren Crashes 2000 und 2009. Meine Ausgabe hat 194 Seiten und unterteilt sich in 9 Kapitel zzgl. der erweiterten Einführung.

Über die Beschreibung des Immobilienbooms Anfang der 20er Jahre in Florida, die Flutung der Märkte mit Liquidität (nach Zinssenkungen der FED), der ständig steigenden Handelsvolumen (gehandelte Aktien/Tag), die Entstehung von neuen Finanzvehikeln (in dem Falle Investment Trusts/Holding Companies) und einer gewissen Euphorie (Jeder Amerikaner hat das Recht, reich zu werden) gelangt er zum eigentlichen Crash ab dem Schwarzen Freitag (24.10.1929 - eigentlich ein Donnerstag). Danach zeigt Galbraith die kurzfristigen Auswirkungen (d.h. Tage, Wochen danach) und die längerfristigen Auswirkungen auf (d.h. Monate und Jahre danach). Wenn man es sich nämlich einmal genauer anschaut, war der Crash an sich aus meiner Sicht gar nicht so schlimm. Schlimmer war die darauf folgende Weltwirtschaftskrise, die dann in Deutschland im Endeffekt den Aufstieg des Nationalisozialismus begünstigte. Darauf geht er allerdings eher weniger ein. Stattdessen schreibt er mehr über die Massenarbeitslosigkeit in den USA und die suboptimale Behandlung der Gesamtsituation durch den damals amtierenden Präsidenten Hoover, welcher folgerichtig 1933 in seinem Amt abgelöst wurde.

Als Anleger in der heutigen Zeit können wir uns dahingehend an dem damaligen Crash erfreuen, dass in Folge dessen der Wertpapierhandel reguliert wurde (Stichworte Börsenaufsicht SEC). Darüber hinaus war der Crash sicherlich auch ein Grund für Benjamin Graham zusammen mit David Dodd 1934 das Buch 'Security Analysis' zu veröffentlichten als eine Art 'Lessons learned'. Und das kann man wiederum als Geburtsstunde des Value Investing ansehen.

Fazit:

Die wohl Galbraith-typische blumige und teils humoristische Darstellung von Gegebenheiten, welche ich in der bereits genannten Galbraith-Buch-Besprechung angemerkt hatte, setzt sich auch in 'The Great Crash 1929' fort und ist hier meiner Meinung nach noch extremer. Von daher ertappte ich mich sehr oft dabei, dass ich Textabschnitte erneut lesen musste, da ich nicht verstand, was er eigentlich ausdrücken wollte. Darüber hinaus sind in dem Werk so viele Namen von Personen, Organisationen und Unternehmen enthalten, dass man relativ schnell den Überblick verlieren kann, über wen man da eigentlich gerade liest (Wer war XYZ nochmal?).

Mein Fazit zu 'The Great Crash 1929' ist daher eher, dass es ein durchaus interessantes Buch ist, aber dass ich es nicht wirklich als Buch empfehlen kann, welches man gelesen haben muss. Wer mehr über das Thema des Börsencrashs erfahren möchte, den bringen die Wikipedia-Artikel zum Schwarzen Freitag und der Weltwirtschaftskrise sehr wahrscheinlich eher ans Ziel. Die sich aus dem Buch ergebenden Muster zum Entstehen von Überbewertungen/Blasen (z.B. lockere Geldpolitik, neue Finanzprodukte, Spekulieren auf Kredit, Kauf von Wertpapieren durch uninformierte Anleger...) sind in 'A Short History of Financial Euphoria' meiner Ansicht nach besser beschrieben.

Zum Abschluss hier noch der interessante deutsche Fernsehfilm 'Der Schwarze Freitag' aus dem Jahr 1966 mit Curd Jürgens als Richard Whitney (damals Vizepräsident der New Yorker Börse):

Samstag, 28. April 2018

Wie kommt man kostenlos an Geschäftszahlen von Unternehmen?

Wie kommt man kostenlos an Geschäftszahlen von Unternehmen?

Neulich fragte mich ein Leser, wie ich an die Geschäftszahlen komme, die ich in meinen Beiträgen immer verwende. Da wurde mir erstmal wieder bewusst, dass nicht jedem klar ist, dass man in der heutigen Zeit glücklicherweise auch an die Zahlen kommt, wenn man (noch) kein Aktionär ist und/oder Zugang zu kostenpflichtigen Finanzdiensten wie Bloomberg oder Reuters hat. Ich besorge sie mir immer folgendermaßen:

  1. Einen ersten groben Überblick kann man sich meistens über bekannte Finanzseiten, wie Gurufocus.com, Ariva.de, Onvista.de oder aber Finanzen.net verschaffen. Vor allem Gurufocus bietet dem Anwender einen guten ersten Eindruck mit zahlreichen Kennzahlen zu an amerikanischen Börsen gehandelten Unternehmen. Mein Ende 2016 verfasster Artikel 'Gurufocus - Das Paradies für preisbewusste Kennzahlenfetischisten' ist glaube ich nicht ohne Grund einer der meistgelesenen Artikel dieses Blogs.
  2. Handelt es sich um ein an amerikanischen Börsen gehandeltes Unternehmen, nutze ich immer die Meldungen der Unternehmen an die amerikanische Börsenaufsicht SEC. Konkret kommt man relativ zeitnah an 10-K (Jahresberichte) und 10-Q (Quartalsberichte)-Dokumente. Hier nutze ich meistens die NASDAQ-Webseite, da man dort schnell an die relevanten Dokumente der Unternehmen kommt (siehe Screenshot).

    Innerhalb der Dokumente steht auf der ersten Seite meist die aktuelle Zahl an Aktien (durch Aktienrückkäufe häufig anderer Wert, als in den Finanzdaten-Abschnitten). Bei den 10-K's gibt es dann in vielen Fällen irgendwo einen Abschnitt mit quartalsweisen Hoch-/Tiefpreisen. Zusätzlich kommt man über die Suche nach 'CONSOLIDATED BALANCE SHEET' relativ schnell zu den Geschäftszahlen für die dargestellten Zeiträume. Die Geschäftszahlen unterteilen sich in CONSOLIDATED BALANCE SHEET (Bilanz), CONSOLIDATED STATEMENTS OF OPERATIONS (Gewinn- und Verlustrechnung) und CONSOLIDATED STATEMENTS OF CASH FLOWS (Kapitalflussrechnung). Darüber hinaus gibt es teilweise auch noch CONSOLIDATED STATEMENTS OF COMPREHENSIVE INCOME (Gesamterfolgsrechnung) und CONSOLIDATED STATEMENTS OF EQUITY (Eigenkapitalveränderungsrechung).

    Ich habe mir ein Programm geschrieben, bei dem ich per Copy&Paste den gesamten Text mit den Geschäftszahlen reinkopiere und bei dem die einzelnen Werte entsprechend interpretiert werden. Zusätzlich werden auch noch Werte berechnet (also z.B. Enterprise Value oder die ganzen Renditekennzahlen). So bringe ich relativ zügig die Zahlen von 10 Jahren in eine Excel-Übersicht.
  3. Bei nicht-amerikanischen Unternehmen besorge ich mir die Zahlen in den meisten Fällen direkt von den Investor Relations-Seiten oder bei deutschen Unternehmen alternativ aus dem Bundesanzeiger. D.h. interessieren mich z.B. die Zahlen von K+S, so gebe ich bei Google 'K+S Investor Relations' ein, wechsle auf die Seite und suche dort nach Finanzberichten. Nachteil dieser Dokumente ist, dass sie oft nur als PDF vorliegen und man dort die Daten nicht einfach rauskopieren kann. Hier hilft dann - wenn man es machen muss/will - ein Umweg über Google Drive bzw. Google Docs. D.h. PDF runterladen, bei Google Drive hochladen, PDF markieren, 3 Punkte in der Toolbar oben betätigen, 'Öffnen mit' auswählen und dann 'Google Docs' auswählen.

    Und voila - schon hat man den PDF-Inhalt auch in Textform. Auch diesen Text kann ich jetzt in mein Programm kopieren, so dass er sie auf elektronischem Weg verarbeiten kann.

Das war es dann eigentlich auch schon. Wie man sieht, ist es kein Hexenwerk. Mit diesem Vorgehen kann man sich relativ schnell die Zahlen zusammen sammeln. Der schwierige Teil ist dann nur die Interpretation. Insgesamt gesehen muss ich sagen, dass ich vor allem den Bundesanzeiger in letzter Zeit immer mal wieder als Datenquelle herangezogen habe, da man dort auch Informationen zu nicht börsennotierten Unternehmen finden kann. Also wenn jemanden einmal interessiert, was denn die Frisörkette oder das Sägewerk nebenan (allesamt GmbHs) so in der Bilanz stehen haben, wird man dort oft fündig. So fand ich z.B. bei der Suche nach interessanten deutschen IT-Unternehmen bemerkenswert, dass die TeamViewer GmbH (Fernwartungssoftware-Hersteller) im Jahr 2016 168.5 Mio. € Umsatz gemacht hat und dabei einen Nettogewinn von 91.5 Mio. Und das bei einer mehr als sauberen Bilanz. Aber so Unternehmen ist dann in Deutschland leider eben nicht börsennotiert.

An dieser Stelle würde mich interessieren, wie ihr euch eure Zahlen immer besorgt und verarbeitet. D.h. welche Webseiten und Tools nutzt ihr bzw. stehen euch zur Verfügung? Ich lerne ja auch immer gerne dazu.

Samstag, 21. April 2018

Till Schwalm - 'Einfach Investieren - Grundlagen des Value Investing'

Till Schwalm - 'Einfach Investieren - Grundlagen des Value Investing'

Immer wieder liest man im Internet Meldungen a la 'Ich würde gerne mit dem Investieren anfangen. Was sollte ich beachten?' Meine Pauschalantwort darauf lautet eigentlich immer: 'Nicht direkt loslegen, sondern erstmal lesen, lesen, lesen.' Bisher hatte ich dann auch ein paar Buchtipps parat, wie Kostolany's 'Die Kunst über Geld nachzudenken', Grahams 'The Intelligent Investor' oder aber Lynch's 'One up on Wall Street'. Seit neuestem kann ich dieser Empfehlungsliste ein weiteres sehr gutes Buch hinzufügen, nämlich das kürzlich erschienene 'Einfach investieren - Grundlagen des Value Investing' von Till Schwalm. Till war so nett und hat mir ein Exemplar zur Durchsicht zukommen lassen.

Zum Autor Till Schwalm:

Till Schwalm (Jahrgang 1986) ist ein Investor, Buchautor, Blogger und Familienvater aus Oldenburg. Er studierte an der schweizerischen Universität St. Gallen erfolgreich BWL und Buchwissenschaften und kann in Folge dessen einen M.A. HSG in Banking & Finance vorweisen. Beruflich war er in den vergangenen Jahren bei einigen Finanzunternehmen tätig (u.a. Warburg Invest Kapitalanlagegesellschaft mbH, EFG Financial Products AG und LOYS AG). Darüber hinaus veröffentlicht er des öfteren Artikel im Finanzblog 'Gewinnbringend investieren', wodurch wir im Endeffekt auch in Kontakt gekommen sind.

Zum Buch 'Einfach Investieren - Grundlagen des Value Investing':

'Einfach investieren - Grundlagen des Value Investing' ist - wie man dem Namen schon entnehmen kann - vor allem für Anfänger im Bereich des Investierens in Wertpapiere gedacht. Allerdings ist es durchaus auch für Leute wie mich, die schon ein wenig Zeit mit Aktienauswahl verbracht und den ein oder anderen Börsenzyklus durchlebt haben, zum Auffrischen des bisher Gelernten geeignet. Grob ist das Buch in die Abschnitte 'Grundlagen des Investierens', 'Vorgehen beim Investieren' und 'Analyse zum Investieren' unterteilt.

Auf etwas mehr als 200 Seiten erfährt der Leser dabei viele interessante Dinge zu Themen wie 'Was ist die Börse (=ein Handelsplatz für Wertpapiere)', 'Was ist eine Aktie (=ein Anteil an einem konkreten Unternehmen)', 'Was versteht man unter wertorientiertem Investieren (=Value Investing)', 'Welche Eigenschaften sollte ich mitbringen bzw. im Laufe der Zeit entwickeln (=v.a. Geduld)' oder aber 'Worauf sollte ich bei Unternehmensbewertungen achten'. Den meisten Fragestellungen ist dabei jeweils ein 3-4-Seiten-Abschnitt gewidmet inkl. kurzer Zusammenfassung der getätigten Aussagen. Dadurch lässt sich das Buch sehr flüssig lesen, was allerdings auch an der schnörkellosen und für jedermann verständlichen Schreibweise liegt. Dies hebe ich deswegen hervor, da ich mich vorher mehr oder weniger durch ein anderes Buch kämpfen musste, bei dem eben genau das nicht der Fall war.

Das Hauptaugenmerk des Autors liegt darin, dem Leser das Vokabular eines Investors nahe zu bringen und ihm dabei auch die Vorzüge des 'richtigen Weges' schmackhaft zu machen. Mit 'dem richtigen Weg' meine ich hierbei das langfristig angelegte wertorientierte Investieren, was auch unter dem Namen 'Value Investing' bekannt ist. Till lässt relativ viele Zitate bekannter Investoren wie Andre Kostolany oder Warren Buffett einfließen und bringt an geeigneten Stellen auch Beispiele aus seiner eigenen Investorenlaufbahn ein. Dabei beschränkt er sich nicht nur auf Heldengeschichten, sondern zeigt auch auf, dass man trotz größter Sorgfalt (d.h. Hausaufgaben erledigt + Sicherheitsmarge eingehalten) auch mal danebenliegen kann.

Fazit:

Mit 'Einfach investieren - Grundlagen des Value Investing' ist Till ein sehr gutes Buch gelungen, welches man uneingeschränkt als Einstiegs- und Auffrischungslektüre empfehlen kann. Durch meine eigenen Erfahrungen mit und Sichtweisen zum Value Investing finde ich mich an vielen Stellen wieder. Besonders gut fand ich den Abschnitt über die Easy-Buffett-Bewertungsmethode (aus dem Buch Buffettology), welche ich auch ab und an einsetze. Durch das Buch bekommt man das notwendige Rüstzeug an die Hand, um mit dem Investieren seine ersten Erfahrungen zu sammeln. Darüber hinaus werden zahlreiche Bücher empfohlen, welche zur Erweiterung der gewonnenen Erkenntnisse genutzt werden können (und auch genutzt werden sollten). Einziger Kritikpunkt aus meiner Warte ist, dass Till es teilweise mit dem Eindeutschen englischer Fachbegriffe übertrieben hat (Stichwort Schnäppchenfalle für Value Trap). Aber das ist dann am Ende doch Geschmackssache. Kurzer Hinweis noch am Ende: Ich bekomme keinerlei Geld oder sonstiges für diesen Artikel. Ich finde es wirklich sehr gut und wäre froh gewesen, wenn mir vor 20 Jahren jemand so ein Buch in die Hand gedrückt hätte.

Freitag, 30. März 2018

RIB Software - Ein Traum für alle Fans von Buzzword-Bingo

RIB Software - Ein Traum für alle Fans von Buzzword-Bingo

Ich versuche ja doch immer wieder, mir zu sagen: Junge, du bist aus Deutschland. Schau dir doch auch mal deutsche Unternehmen an. Das mach ich dann auch ab und an und sehe oft wenig Wachstum, geringe Margen, zu hohe Dividenden, keine Aktienrückkäufe und Aktienkurse, die aussehen, als hätten die Kollegen vom Magazin 'Der Aktionär' eine neue angehende Kursrakete zum pushen gesucht und gefunden. So ging es mir gerade mal wieder mit RIB Software AG, die gestern ihren Jahresbericht 2017 veröffentlichten.

Beim ersten Durchlesen der AdHoc-Meldung dachte ich mir noch: schaut doch ganz gut aus. Umsatz knapp 10 % gesteigert von 97,9 Mio. auf 108,3 Mio und Konzernüberschuss um knapp 27 % von 14,4 Mio. auf 18,4 Mio. €. Skeptisch wurde ich nur, als ich sah, dass der Kurs knapp 15 % abgesackt war. Und dann fiel mir etwas auf, dass da irgendwas nicht ganz passte. Nämlich der Gewinn pro Aktie von 0,40 €. Unpassend sah er deswegen aus, weil daneben der Kurs von rund 17 € stand (also KGV ca. 40). Und zwar nach dem Absinken. Als nächstes warf ich also mal einen Blick auf das komische 1-Jahres-Chartbild, welches einen recht gleichmäßigen Anstieg von 12 € auf etwa 35 € zeigte und dann eine Halbierung des Kurses. D.h. in der Spitze waren Leute bereit, für dieses aktuell solide wachsende deutsche Softwareunternehmen das ca. 80-fache des Gewinns zu zahlen. Sauber...

Was macht das Unternehmen, welches seit 1961 existiert und seit 2011 an der Börse notiert ist: es erstellt Software für die Baubranche. Reißt mich jetzt erst mal nicht vom Hocker. Im 178-seitigen Geschäftsbericht findet man dann Buzzword-Bingo vom Feinsten. Kostprobe gefällig: MTWO ist die vertikale Cloud-Lösung, die auf der iTWO 4.0 5D BIM Enterprise-Technologie von RIB basiert, ergänzt durch Microsoft Azure sowie der nächsten Generation von künstlicher Intelligenz, Internet der Dinge (IoT) und Mixed-Reality-Anwendungen mit HoloLens-Gläsern. Fehlt irgendwie nur noch, dass sie was von sauberer Energie durch Elektrofahrzeuge schreiben...

Als nächstes sehe ich, dass der Vorsitzende des Verwaltungsrates Thomas (genannt Tom) Wolf 18,65 % der Anteile besitzt und einen Brief an die Aktionäre geschrieben hat. Also so ähnlich, wie Jeff Bezos, der seine '97er Vision von Amazon auch immer wieder zum Besten gibt. Herr Wolf fängt damit an, dass in 2010 die ersten Aktien OTC (Over the Counter - wie beim Wolf of Wall Street) für 0,88 cent gehandelt wurden. Der Ausgabepreis ein Jahr später waren 8,88 € und innerhalb von 10 Jahren möchte er einen Kurs von 88 € erreichen. Das nenne ich mal tolle Ziele für ein Unternehmen. Bis Mitte Februar sah es ganz gut aus, doch jetzt ist es wieder etwas weiter von 17 € auf 88 € zu kommen innerhalb von 3 Jahren. Vielleicht kann man bei Bedarf einfach einen 1:10-Split durchführen.

Dann folgt wieder viel bla und blubb im GB, eine Dividendenzahlung von 0,18 € und ich denke mir wieder: wie soll das Wachstum von statten gehen, wenn ihr knapp die Hälfte des Jahresgewinns raushaut? Und das anscheinend jedes Jahr. Typisch Deutsch halt...

Dann schaue ich mir ein paar ältere Geschäftsberichte an und sehe für Softwarehersteller unterdurchschnittliche Renditen (eine EK-Rendite von 6 % haut mich nicht vom Hocker) und viel unnütz rumliegendes Kapital. Zugegeben: die Wachstumsraten sind in Ordnung, aber umwerfend sind sie nicht. Ja, der Umsatz wurde von 30 Mio. in 2009 auf 108 Mio. in 2017 gesteigert, aber das rechtfertigt für mich keine Bewertung mit dem knapp 12-fachen Jahresumsatz (vor dem Absturz). Und dann finde ich im Internet die Aussage des Finanzvorstands Michael Sauer, der kann sich den aktuellen Absturz nicht erklären kann: “Es ist für uns überhaupt nicht ersichtlich, woher der Druck auf die Aktie kommt”, sagte er der Nachrichtenagentur Reuters. “Unser operatives Geschäft läuft extrem erfolgreich.” Ich versuch mal eine Erklärung: Facebook muss schuld sein. Oder die Russen :-)

Herzlichen Glückwunsch übrigens an den Kollegen bei den Spekunauten hier. War ein guter Short-Call bisher.

Für das Zusammentragen der Zahlen seit 2010, wie ich sie sonst immer durchführe, habe ich dann keine Lust mehr. Nicht weil die Zahlen schlecht aussehen würden. Das tun sie nämlich nur, wenn man sie in Relation zum Preis/Kurs sieht. Ich hab nur keine Lust, weil mir der Kopf wehtut vom dauerhaften Schütteln des selbigen während der letzten 1.5 Stunden. Vielleicht schaue ich sie mir ja in ein paar Monaten mal etwas ernsthafter an, wenn sie noch preiswerter geworden sind. So aber bleibt mir nur zu sagen 'Frohe Ostern liebe Leser'.

Samstag, 24. März 2018

Ubiquiti Networks (UBNT) - Kurzzusammenfassung: Nerd kündigt bei Apple und verwirklicht Traum

Ubiquiti Networks (UBNT) - Nerd kündigt bei Apple und verwirklicht Traum

Es gibt Unternehmen, die schaut man sich an und denkt die ganze Zeit 'Da gefällt mir einfach alles'. So ging es mir vor etwa 3 Jahren bei dem Unternehmen, was ich heute einmal näher beleuchten möchte, nämlich Ubiquiti Networks. Ich fand das Geschäftsmodell nachvollziehbar, die Produkte und den CEO (Robert Pera, der nur 2 Jahre älter ist, als ich) cool, die Renditen sehr gut (ROE > 70 %, ROA > 40 %), die Wachstumsraten waren i.O., sie waren schuldenfrei (ca. 400 Mio. in CCE und ca. 150 Mio. Total Liabilities) und auch die Bewertung war annehmbar (KGV bei ca. 15). Ich kaufte zu 25 € und verkaufte knapp 4 Monate später zu rund 29 €, nachdem ich eine Short-Thesis beim Value Investors Club gelesen hatte und nervös wurde. Aktuell stehen sie bei etwa 57 € (70 $), so dass man sagen kann, dass der Verkauf im Nachhinein betrachtet nicht unbedingt die beste Entscheidung war. Das hatte ich übrigens auch in 2016 in einem Kommentar zu MMI's Artikel '12 WAYS HOW THE “IDEAL COMPANY” SHOULD BE RUN' genannt schon mal geschrieben. Aber das nur am Rande...

Jeder, der wie ich in einer Gegend wohnt bzw. gewohnt hat, die nicht mit schnellem Internet gesegnet ist, kennt das Problem: überall liest man von 50MBit-VDSL ohne Volumenbegrenzung für 20 € im Monat. Wenn man dann aber die Verfügbarkeit prüft, schaut es oft mau aus. In meinem eigentlichen Heimatort ist es bis heute so, dass es keine 'normalen' Internetanschlüsse gibt. Ich musste damals noch mit ISDN meine ersten Schritte im WWW unternehmen. Dann kam Internet über Satellit (für knappe 50 € im Monat für geschätzt 2MBit und vielleicht 5 GB Volumen) und aktuell müssen meine Verwandten Internet mit max 16 MBit und wenigen GB Inklusivvolumen über LTE beziehen, was immerhin schon mal ein kleiner Fortschritt zu früher ist. Trotzdem schmerzt da jedes Windows-Update und an Youtube, Netflix und Prime Video ist mal gar nicht zu denken. Und hier kommt UBNT ins Spiel.

Zum Unternehmen:

Anfang der 2000er (Prä-iPhone-Zeit) arbeitete der junge Ingenieur Robert Pera (Jahrgang 78) bei Apple. Er war Telekommunikationsexperte und stellte fest, dass man durch leichte Modifikation an bestimmten Modulen die Sendeleistung von Netzwerkkomponenten signifikant verbessern konnte. Da seine Vorgesetzten damit allerdings nicht so richtig viel anfangen konnten, machte er sich mit ca. 30.000 Dollar und einer Geschäftsidee selbständig, indem er Pera Networks gründete. Ab 2005 war dieses Unternehmen dann als Ubiquiti Networks unterwegs, um unter anderem Hochleistungs WiFi-Router zu vertreiben.

Dass Pera ein kleiner Nerd ist, kann man seinem Blog entnehmen. Das 30.000-Dollar-Investment hat sich für ihn bisher gelohnt. Er besitzt immer noch einen Anteil von knapp 70 % am Unternehmen (ca. 56 Mio. der knapp 78 Mio. ausstehenden Aktien) und ist somit nach aktuellem Stand der Dinge ein Milliardär. Zusätzlich hat er sich als Basketball-Fan und ehemaliger Highschool-Spieler vor ein paar Jahren den NBA-Verein Memphis Grizzlies gegönnt - für 350 Mio. Dollar. Auch das war sicherlich nicht die schlechteste Idee, wenn man sich anschaut, was so in den letzten Jahren für NBA-Franchises bezahlt wurde (ich sag nur Steve Balmer kauft die LA Clippers für 2 Mrd.) bzw. wie sich die TV-Einnahmen der NBA entwickelt haben. Alles in allem scheint mir Pera einer der coolsten CEOs überhaupt zu sein (siehe auch hier und dort).

Zu den WiFi-Routern: Mit den Geräten von UBNT können Daten über längere Distanzen übertragen werden. Sogenannte Wireless Internet Service Provider nutzen diese dann, um Internet in entlegene Gebiete zu bringen bzw. in solche, in die unsere bekannten Kommunikationsdienstleister (z.B. die mit dem rosa T) aus Kostengründen (oder aufgrund fehlender Lobby) keine Kabel verlegen. In den USA sind teilweise ganze Stadtviertel auf diese Art und Weise am Netz. Wie man sich vorstellen kann, finden solche Lösungen auch in den eher unterentwickelten Gebieten guten Absatz (also z.B. in Südamerika, Afrika und Asien). Laut eigener Aussage haben sie bisher mehr als 70 Mio. Geräte in mehr als 200 Ländern verkauft. Die Umsatzverteilung nach Region sah zuletzt in etwa so aus: 12 % Südamerika, 39 % (Europe, Middle East and Afrika), 11 % Asia Pacific und 38 % in Nordamerika.

Ein weiterer Anwendungsfall ist, dass man selbst schnelles Internet hat und dieses mit seinem Nachbarn teilen möchte (sofern das erlaubt ist). Dann richtet man einen Access Point mit separatem Zugang ein und los gehts. Entsprechende Geräte sind nicht nur leistungsfähig, sondern sehen auch noch schick aus. Auf ihrer Webseite kann man sich ansehen, was sie so alles im Angebot haben. Als da wären Router, Switches, Voice Over IP-Telefone, Überwachungskameras, Videorekorder für die Überwachungskameras, Antennen und seit neuestem auch die Frontrow-Kamera, die man sich um den Hals hängen kann. Die UBNT-Webseite selbst ist auch sehr hochwertig (auch aus technischer Sicht gesehen). Man merkt irgendwie auch aus ästhetischen Gesichtspunkten, dass Pera früher mal bei Apple gearbeitet hat.

Auf der Community-Webseite von UBNT kann man sich zahlreiche Kundeninstallationen anschauen, wenn man mehr die praktische Anwendung ihrer Angebot wissen möchte. Die Community ist ein extrem wichtiger Bestandteil des UBNT-Geschäftsmodells. Anhand dieser hat es Pera geschafft, dass technisch ausgereifte Produkte entstanden sind, man ist immer nah am Kunden (=schnelle Problemlösung), bekommt von diesem Feedback und Ideen für Weiterentwicklungen und hat zusätzlich auch noch eine recht gute Werbung (Mundpropaganda der oft lokal tätigen WISP untereinander). Der Verwaltungsapparat bei UBNT ist extrem schlank, so dass die Kosten für Forschung & Entwicklung, Support und auch Vertrieb gering gehalten werden können. Den Kostenvorteil geben sie anhand niedriger Preise an ihre Kunden weiter, so dass diese - wie schon geschrieben - hochwertige Produkte zu vergleichsweise niedrigen Preisen bekommen.

Ihre Strategie haben sie selbst folgendermaßen in einem Satz zusammengefasst: Our goal is to disrupt the market for communications technology with innovative solutions that provide leading performance at prices that are a fraction of those of alternative solutions. Um das ganze mal in Zahlen abzubilden: Im GJ 2017 (geht immer bis zum 30.06.) haben sie 865m Umsatz gemacht und 36.m für SGA (Allgemeine Verwaltungskosten - ca. 4.2 %) sowie 69.1m für R&D (Forschung & Entwicklung - ca. 8 %) ausgegeben. In H1 2018 (also bis Ende 2017) haben sie 497m Umsatz gemacht, 18m für SGA (3.6 %) und 37.4m für R&D (7.5 %) ausgegeben. Bei Cisco sind es ca. 23 % SGA + 12.7 % R&D, bei Juniper 23.4 % SGA + 19.5 % R&D, bei Arista 14.7 % SGA und 21.2 % R&D. Das finde ich durchaus beeindruckend.

Vor allem in den Anfangsjahren waren sie in Bereichen unterwegs, die von den bekannten Anbietern (z.B. Cisco, Juniper) nicht so sehr beachtet wurden. Von Cisco & Co wurden sie wahrscheinlich erst relativ spät als Konkurrent wahrgenommen, wobei sie mit < 1 Mrd. Umsatz wahrscheinlich immer noch keine echte Konkurrenz im 'professionellen' Bereich wie Firmennetzwerken sind. Das ändern sie aber gerade, wie man an den Wachstumsraten im Enterprise Technology-Bereich sehen kann (bei Interesse einfach in den aktuellen 10Q/10K nachschauen).

Zum Chartverlauf (Börsengang 2011 - 2018):

Sie haben sich seit dem Börsengang ganz gut entwickelt. Man kann 2 problematische Phasen erkennen. Die erste waren Plagiatsprobleme in 2012 und die zweite war ein Betrugsskandal Ende 2014, als sie Opfer von Social Engineering geworden sind. Alles in allem haben sie aber eine gute Performance abgeliefert, die sich auch in den Geschäftszahlen ablesen lässt.

Geschäftszahlen 2008-2017:

Ich konnte Geschäftszahlen bis 2008 finden, aber erst ab dem Geschäftsjahr 2012 komplett mit passenden Kursen. Ich finde die Umsatzentwicklung und durchgehend hohe Rentabilität beeindruckend. V.a. vor dem Hintergrund, dass sie in den Anfangsjahren mit relativ wenig Fremdkapital unterwegs waren. Durch ihren recht hohen Anteil an Umsätzen im Ausland haben sie natürlich das gleiche Problem, wie auch sonstige Technologiedienstleister: hohe Cashbestände im Ausland haben sich angehäuft bei relativ niedrigen Steuerraten in den USA. Zur Rückführung der Cashbestände haben sie zuletzt Steuerrückstellungen gebildet, welche die Zahlen des ersten Halbjahres zumindest gewinnseitig (und somit auch bei der EK/GK-Rendite) negativ beeinflusst haben.

Was gefällt mir an UBNT:

  1. CEO, mit dem ich mit identifizieren kann. Er hat einen extrem hohen Anteil am Unternehmen, der durch die Aktienrückkäufe auch immer weiter steigt. Er hat seit dem Börsengang nur 2 mal Verkäufe durchgeführt. Einmal in 2013 (500' Stück) und einmal in 2018 (1 Mio. Stück). Da UBNT nur zwei mal eine Dividende bezahlt hat, muss man sagen: von irgendwas muss der Kollege ja auch leben.
  2. Innovatives Geschäftsmodell. Disruption im 'kleinen Rahmen' irgendwie.
  3. Cashbestände > Schulden.
  4. Durchgehend hohe Margen - auch im Vergleich mit dem Wettbewerb.
  5. Im Laufe der Zeit kaum Verwässerung durch Optionen, wobei man anmerken muss, dass 1.52 Mio. Optionen zu Ausübungspreis von 1.32 $ ausstehen + 173' RSU zu 47.06 $. Das macht in Summe eine nicht unerhebliche Belastung von rund 110m.
  6. Coole Webseite und Produktpräsentation.
  7. Gutes Umsatzwachstum. Nachdem sie in ihrem Ursprungsmarkt eher langsam wachsen, haben sie neue Geschäftsbereiche gefunden (z.B. Sicherheitstechnik wie Überwachungskameras oder aber der Bereich der Enterprise Technology).

Was gefällt mir nicht an UBNT:

  1. Sie sind schon relativ teuer geworden mittlerweile.
  2. Eigentlich kann der CEO schalten und walten, wie er will. Er muss sich also nicht wirklich um die Aktionäre kümmern. Dies merkt man auch seinen teilweise lustlosen/genervt wirkenden Conference Calls an. Durch das Alphatier Pera, der wohl in allen Bereichen mitwirkt, kann es dann doch immer wieder zu Skandalen kommen, wie bei dem 2014er Betrugsskandal. Und zusätzlich hat er ja auch noch die Doppelbelastung als CEO und Besitzer eines NBA-Clubs...
  3. Es gibt doch immer wieder schlechte Presse: siehe auch das Video hier zum NBA-Team-Kauf, die eingangs genannte VIC-Analyse oder aber im letzten Jahr diesen Betrugsvorwurf von CitronResearch.

Versuch einer Bewertung:

Fällt heute aus wegen is nich.

Fazit:

Heute versuche ich mich einmal gar nicht an einer Bewertung von UBNT. Ganz einfach, da ich schlecht einschätzen kann, wie sich ihre Geschäfte entwickeln und zusätzlich, weil ich nicht weiß, inwieweit man den Zahlen nun trauen kann. Vielleicht sind die Zahlen wirklich zu schön um wahr zu sein und die Kollegen von der Short-Front haben Recht. Allerdings hatte ich ja sowieso schon angemerkt, dass die Kennzahlen sowieso schon recht hoch geworden sind. Aktuell sagt mir mein Gefühl hier einfach, dass die Chance, noch ein wenig Gewinn zu machen wesentlich niedriger ist, als die Chance, viel Verlust zu machen. Eine Vermutung meinerseits (reine Spekulation): Der CEO besitzt schon über 70 % des Unternehmens und könnte durch von ihm initiierte Aktienrückkäufe seinen Anteil in den nächsten Jahren ausbauen. Vielleicht kommt er so einem 100 % Anteil nahe, nimmt das Unternehmen von der Börse und muss sich dann nicht mehr mit Aktionären und Analysten rumärgern. Falls dem nicht so ist und die Kennzahlen wieder stimmen, bin ich evtl. zukünftig wieder dabei. So aber aktuell eher nicht...

Wichtiger Hinweis:

Die Zahlen wurden von mir selbst zusammengetragen und können Fehler enthalten. Für die Richtigkeit wird keine Gewähr übernommen. Dieser Artikel stellt nur eine Meinungsäußerung dar, aber keine Aufforderung zum Handeln in irgendeiner Art und Weise. Sollte sich jemand entschließen, in das genannte Wertpapier zu investieren, so sollte derjenige bzw. diejenige selbst entsprechende Nachforschungen und Überlegungen anstellen.

Freitag, 2. März 2018

Dignity PLC - Darf man am Tod anderer Leute Geld verdienen?

Dignity PLC - Darf man am Tod anderer Leute Geld verdienen?

"In this world nothing can be said to be certain, except death and taxes." - Benjamin Franklin

Es gibt ja durchaus Branchen, bei denen jeder froh ist, dass es sie gibt. Man hofft zwar, dass man nur selten auf sie zurückgreifen muss und würde höchstwahrscheinlich nur ungern darin arbeiten müssen, aber wenn es mal notwendig ist, erwartet man auch eine professionelle Betreuung und bezahlt in den meisten Fällen auch einfach die aufgerufenen Preise. Die Bestattungsbranche ist eines dieser Geschäftsfelder, was ich mit solchen Charakteristika ausstatten würde.

Mit Bestattungsunternehmen hatte ich bisher eigentlich nur zwei Berührungspunkte. Der erste war die empfehlenswerte TV-Serie 'Six Feet Under - Gestorben wird immer' und der zweite war die Lektüre von Peter Lynchs 'One up on Wall Street'. Der nannte dort das Unternehmen SCI (Services Corporation International) als eines seiner Lieblingsunternehmen. Er schrieb u.a. dass, wenn man 1969 auf deren Dienstleistung zurückgegriffen hätte, welche zu der Zeit rund 980 $ kostete, und zeitgleich zum selben Preis Aktien des Unternehmens erstanden hätte, aus den 980 $ bis ins Jahr 1987 über 14.000 $ geworden wären. Keine schlechte Rendite für einen 18-Jahres-Zeitraum.

Im Kapitel 'There's something depressing about it' beschreibt er das Geschäftsmodell von SCI als 'Es werden lokale Vertreter der Branche aufgekauft und in die Firma intergriert + es werden Anzahlungen für zukünftige Bestattungen angenommen, welche dann - ähnlich dem Float bei Versicherungen - investiert werden können'. An diesem Geschäftsmodell scheint sich auch in den vergangenen Jahren nicht so viel geändert zu haben, wie ich jetzt bei der Analyse von Dignity PLC, einem britischen Unternehmen für Bestattungsdienstleistungen, erfahren konnte.

Zum Unternehmen:

Auf Dignity bin ich aufmerksam geworden, als bei GlobalStockPicking.com ein zugehöriger Artikel erschien. Der Blogging-Kollege, der eigentlich einen ganz guten TrackRecord in den vergangenen Jahren vorweisen kann, hatte sich - zumindest aus aktueller Sicht - einen nicht ganz optimalen Einstiegszeitpunkt ausgesucht. Kurz nach seinem Einstieg ging es mal locker flockig 50 % nach unten.

Dignity entstand 2002 durch ein Management Buyout beim bereits genannten großen amerikanischen Vertreter SCI. Sie sind selbst seit 2004 an der Börse und im FTSE 350 enthalten. Der aktuelle CEO Mike McCollum war auch Teil des Managementteams, welches damals den Buyout durchgeführt hat. Zuletzt waren sie Betreiber von knapp über 800 Bestattungsinstituten und etwa 45 Krematorien. Im UK gibt es ca. 5.500 Bestattungsinstitute und 280 Krematorien. Ihr Marktanteil ist also relativ hoch, auch wenn sie nach der nicht börsennotierten 'Co-operative Funeralcare' nur die Nr. 2 am britischen Markt sind. Beim Lesen ihres letzten Halbjahresberichtes musste ich bereits auf der ersten Seite ein wenig grinsen, denn es ist irgendwie durchaus makaber, Sätze wie "Following a very strong start to the year, with the number of deaths seven per cent higher than last year in the first quarter" lesen zu müssen.

In einem der Kommentare zum GlobalStockPicking-Artikel wurde auch ein Link zu einer interessanten Short-Thesis eingefügt. Interessant ist sie einerseits durch ihren Inhalt und andererseits durch den Fakt, dass sie auf der Seite 'Beyond.Life', veröffentlicht wurde, einem Preisvergleichsportal für Bestattungen. Hauptkritikpunkt an Dignity ist deren Preisgestaltung und deren profitmaximierendes Verkaufsprozedere, welches in vielen Fällen sowohl die ehemaligen Besitzer übernommener Bestattungsunternehmen als auch deren Mitarbeiter verschrecken. Es wurden in dem Report einige Fälle genannt, in denen die ehemaligen Besitzer und/oder deren Mitarbeiter im Anschluss daran in der gleichen Gegend neue Bestattungsunternehmen eröffneten und somit zu Konkurrenten wurden. Zusätzlich ist es wohl so, dass sie auf einzelne Institute bezogen an Effektivität/Auslastung verloren haben. Wurden 2005 noch knapp 129 Beerdigungen pro Jahr und Institut durchgeführt, ist diese Zahl zuletzt auf rund 87 gesunken. Dignity scheint die Zeichen der Zeit erkannt zu haben und wird im aktuellen Geschäftsjahr 2018 die Preise etwas anpassen. Was der Markt davon hält, kann man ganz gut am Chartbild sehen...

Chartbild 2004-2018:

Seit dem Börsengang kannte der Kurs grob gesagt eine Richtung: Nordost. Selbst durch die Krisenjahre 2008/2009 sind sie recht gut gekommen und in 2016 wurde der Höhepunkt erreicht, der knapp dem 12-fachen des Ausgabepreises entsprach. Aktuell befinden wir uns wieder auf dem Preisniveau von 2011. Allerdings muss man anmerken, dass es sind Situationen wie diese sind, für welche die Bezeichnung 'fallendes Messer' kreiert wurde. Ist somit nicht jedermanns Sache.

Geschäftszahlen 2007-2017:

Auf der Webseite von Dignity konnte ich leider nur die Geschäftszahlen von 2007 an finden, obwohl ich für meine Zusammenfassung/Analyse gerne die komplette Übersicht ab 2004 genutzt hätte. Nichtsdestotrotz kann man an den Zahlen der letzten 10 Jahre ganz gut erkennen, dass ein stetiges Wachstum vorliegt, welches allerdings mit dem Kursverlauf nicht ganz mithalten kann. In den letzten 10 Jahren hat sich der Umsatz nur etwa verdoppelt und auch unter dem Strich (beim Nettogewinn) gab es 'nur' eine Verdreifachung. Das ist insgesamt gesehen allerdings trotzdem relativ beeidruckend in einem doch eher alten Gewerbe.

Recht auffällig (wenn auch wenig erstaunlich, wenn man die Wachstumsstrategie anschaut) ist der hohe Goodwill-Bestand und die sehr hohe Verschuldung, bei der die 'Schulden' auf bereits angezahlte Bestattungen noch gar nicht mit eingerechnet sind. Die Schulden sind allerdings recht langläufig mit Fälligkeiten in 2034 und 2049. Von daher muss man hier v.a. die Zinszahlungen (aktuell mit Sätzen zwischen 3.5 % und 4.6 % p.a.) im Auge behalten. Das Eigenkapital war in einigen Jahren negativ und ist erst vor kurzem wieder ins Positive gerutscht. Das kenne ich so eigentlich nur aus Branchen, bei denen die Manager denken, dass sie es mit recht stabilen Geschäftsmodellen zu tun haben. Also z.B. wie bei Weight Watchers, bei denen ich mir übrigens gerade dachte 'WTF'. Hatte die eher so kurz vorm Abnippeln im Gedächtnis mit dem Verzweiflungseinstieg von Oprah Winfrey und jetzt stehen die bei ca. 65 USD. Verrückte Zeiten sind das aktuell an der Börse...

Werfen wir mal kurz einen Blick auf die Konkurrenz anhand eines aktuellen Screenshots einer meiner speziellen Gurufocus-Watchlisten:

Verglichen mit den US-Unternehmen der Branche ist Dignity aktuell relativ günstig, obwohl es mit den erwarteten Zahlen für 2017 die höchsten Renditen (ROA, Operative Marge) bietet. Die EK-Rendite kann man hier ignorieren, da dieser Wert durch ein relativ geringes Eigenkapital verzerrt ist. Einstellige Werte bei KGV und KFCF lesen sich erst einmal gut.

In Deutschland ist die Berliner AHORN AG das größte Bestattungsunternehmen. Es ist allerdings nicht börsennotiert, sondern zu 100 % im Besitz der IDEAL Beteiligungen GmbH. Laut Bundesanzeiger führten sie 2016 22.937 Bestattungsaufträge durch und hatten einen Marktanteil von 2,5 %. Der 2016er Nettogewinn lag bei 3.6 Mio. € bei 65 Mio. € Umsatz. Die Bilanzsumme betrug 33.3 Mio. und das Eigenkapital 10.4 Mio. €. D.h. renditemäßig muss sich die AHORN AG im internationalen Vergleich nicht verstecken.

Im UK gab es in 2016 rund 600' Todesfälle, von denen Dignity rund 98' Todesfälle betreute (direkt mit den Bestattungsunternehmen und indirekt, wenn sie nur die Verbrennung in den Krematorien durchführten). In Deutschland gibt es im Vergleich ca. 860' Tote im Jahr, Erdbestattungen machen rund 45.5 % und Feuerbestattungen 54.5 % aus. (Quelle: FAQs auf Bestatter.de). Hierzulande gibt es ca. 4000 Bestattungsunternehmen und man kann mit 2.800 bis 5000 € pro Bestattung rechnen. Auch hier gibt es mit der Webseite Bestatter-Preisvergleich ein entsprechendes Preisvergleichsportal, wobei man an deren Werbeaussage 'Seit 2008 wurden bereits 26.454 Anfragen eingestellt' bereits erkennen kann, dass der Service in dem Bereich bisher weniger Anklang findet, wie beispielsweise bei Handy-, Telefon-, Versicherungs- oder Stromverträgen. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass einerseits den Bestattungsunternehmen selbst an einer gewissen Preisintransparenz gelegen ist und zusätzlich Betroffene sowieso eher den lokalen Vertreter nutzen, unabhängig davon, ob es überregionale Anbieter mit günstigeren Konditionen gibt. Ähnliche Tendenzen sehe ich auch für andere Länder.

Am 29.01.2018 hat Dignity dann eine Art Gewinnwarnung herausgegeben. Für das abgelaufene Jahr dürfte sich das Ergebnis im Rahmen der Markterwartungen bewegt haben (näheres dazu gibt es in ein paar Tagen), aber gleichzeitig haben sie bekannt gegeben, dass sie ihre Preise für 'einfache Bestattungen' um 25 % senken werden (also wahrscheinlich für Urnenbestattungen) und dass sie die Preise für 'gehobene Bestattungen' vorerst auf dem aktuellen Niveau halten werden.

In 2017 wurden wohl 68.800 Beerdigungen innerhalb der Gruppe durchgeführt (in 2015 waren es noch 73.500). 60 % waren 'Full Service Funerals' mit einem durchschnittlichem Preis von £3.800, 7 % waren einfache Bestattungen zu durchschnittlich £2.700 und etwa 27 % vorangezahlte Bestattungen zu durchschnittlich £1.650. Den Rest machten Einfachstbestattungen aus (also z.B. von Sozialhilfempfängern ohne Angehörige) zu durchschnittlich £500. Bei allen diesen Varianten kommen immer noch rund £280 'ancillary revenues' hinzu. Ab 2018 werden die Preise für einfache Bestattungen auf £1.695 in Schottland und £1.995 (plus disbursements) in England und Wales gesenkt, wobei das Management annimmt, dass der Anteil dieser Variante dann von 7 % auf 20 % steigen wird.

Rechnet man das mal um, würde man bei einer gleichbleibenden Anzahl an Beerdigungen auf ca. 19.3 Mio. Ancilliary-Umsatz (68.800 mal £280), 26 Mio. Simple Funerals (20 % zu rund £1.900), 2 Mio Low Value (6 % zu £500), 30 Mio. Pre-Arranged (27 % zu £1.650) und 123 Mio. Full Service (47 % zu £3.800) kommen. Macht in Summe knapp 200 Mio. Umsatz bei gleichbleibenden Kosten. Oben drauf kommen noch ca. 70 Mio. von Krematorien und ca. 30 Mio. von Pre-Arranged-Funeral-Plans. Eigene Einschätzung der Lage durch das Management: 'This will lead to substantially lower profits in 2018.' Die Schätzung der Dignity-Analysten für den Gewinn/Aktie liegt aktuell bei rund 66 Pence, also nur rund der Hälfte des Wertes, mit dem die Kollegen im Short-Report gerechnet haben.

Was gefällt mir an Dignity:

  1. Obskure Branche. Dürfte also für viele Investoren unter dem Radar laufen bzw. etwas sein, bei dem sie sagen: 'Damit will ich lieber nix zu tun haben. Umweltverschmutzung durch Öl-, hungernde Bauern in Afrika und Kinderarbeit in Asien sind in Ordnung. Aber mit dem Tod Geld verdienen geht ja mal so was von gar nicht...'
  2. So schlimm es klingt, würden Bestattungsunternehmen von diversen Problemen der Menschheit profitieren. Ich nenne hier nur einmal Überbevölkerung, Seuchen und Terroranschläge. Gestorben wird immer... Sie selbst nennen in ihren Unterlagen eine Zahl von 700' Todesfällen in 2040.
  3. Durch die Krematorien profitieren sie auch von Bestattungen, die nicht durch eines ihrer Bestattungsunternehmen betreut werden. Diese hochmargigeren Umsätze sind nicht von der aktuellen Preissenkung betroffen.
  4. Die Dividendenrendite von knapp 3 % ist in Ordnung und im Bezug auf Quellensteuer sind UK-Unternehmen auch vorteilhafter, als z.B. Unternehmen aus Frankreich.
  5. Die Wachstumsstrategie hat in den letzten Jahrzehnten funktioniert (wenn man SCI mal mit in die Betrachtung einfließen lässt). Natürlich könnten Preisvergleichsportale oder Discount-Bestattungsunternehmen auch hier als Disruptoren angeführt werden, aber evtl. hat der Schuss vor den Bug, den sie jetzt bekommen haben, dazu geführt, ihre Strategie wieder in richtige Bahnen zu lenken.
  6. Die Rückzahlung der Schulden liegt noch in ferner Zukunft und die Cashflow-Generierung sah in den letzten Jahren ganz gut aus. Die Covenants scheinen sie einzuhalten (EBITDA muss mind. das 1.5-fache der Zinszahlungen sein).
  7. Von den börsennotierten Unternehmen der Branche, die ich finden konnte, sind sie auf die Kennzahlen bezogen mittlerweile am preiswertesten. Der Kursverfall von mehr als 70 % vom Peak hat Dignity von den Kennzahlen her gesehen relativ preiswert gemacht. Evtl. wäre es z.B. für SCI als größtem Unternehmen der Branche interessant, sie wieder 'einzugemeinden'. Das ist aber reine Spekulation. Bei der Bewertung in der Short-Thesis gehen sie von rückläufigen Umsätzen und Gewinnen und einem EPS von über 120 Pence aus. Die Analysten rechnen mit 66 cent. Die hatten aber vorher auch Kursziele von mehr als 2.500 Pence genannt mit Buy/Hold-Ratings. Von daher wird der Wert am Ende wohl eher so bei 80-90 liegen. Beim aktuellen Kurs von etwa 800 Pence würde sich ein KGV von 9-10 für 2018 ergeben. Vor allem im aktuellen Marktumfeld gibt es da durchaus teurere Unternehmen.
  8. Die in den Geschäftsberichten genannten Kundenzufriedenheitsstudien lesen sich sehr gut. Mit Quoten nahe der 100 % liegen sie dort, wo sie andere Unternehmen liebend gerne hätten. Allerdings muss man sich hier auch darüber bewusst sein, dass man keiner Statistik glauben sollte, die man nicht selbst gefälscht hat.
  9. Sehr informative Geschäftsberichte. Da habe ich schon schlimmeres gesehen. Wenn man sich teilweise die lächelnden Gesichter anschaut, könnte man glattweg denken, dass es ein Einrichtungskatalog ist...
  10. Der Brexit dürfte - selbst wenn er denn mal kommt - auf deren Geschäft nur begrenzt Auswirkungen haben.
  11. Die Bonuszahlungen des Managements sind abhängig vom TSR (Total Stock Return) im Vergleich zu anderen FTSE 350-Unternehmen und von EPS-Wachstumszielen. Hier dürfte es für 2018 eher mau aussehen. D.h. statt den knapp 2.3 Mio. für den CEO dürfte man eher so im Bereich von 1.2 Mio. an Gehaltszahlungen liegen. Im Bezug auf die Managementbezahlung habe ich durchaus schon schlimmeres gesehen. Bisher haben sie ja auch immer geliefert, muss man zugeben.

Was gefällt mir nicht an Dignity:

  1. Wenn man sich die Short-Thesis anschaut, gibt es durchaus einige Negativpunkte, die man nicht unter den Tisch kehren sollte. U.a. geringe Einstiegsbarrieren in das Geschäft, überhöhte Preise durch die einzelnen Tochterunternehmen von Dignity, ein fehlender Auftritt unter der Marke Dignity. Allerdings hat das Shorting funktioniert und mittlerweile haben sie bei Dignity auch ihre Strategie überdacht...
  2. Der Mix der Bestattungsvarianten wird sich wahrscheinlich in Zukunft auch so eher in Richtung der günstigeren Varianten (Feuerbestattungen) bewegen und weg von den Full-Service-Varianten mit aufgebahrtem Sarg etc. Die Abnehmende Wichtigkeit der Religion lässt sich daran evtl. auch ablesen.
  3. Es gab in den letzten Jahren nur eine geringe Insiderbeteiligung.
  4. Die Rückzahlung der Schulden liegt zwar noch in weiter Ferne, liegt aber in seiner Höhe mit dem knapp 10-fachen des FCF relativ hoch.
  5. Die Zwischenergebnisse (9-Monatsberichte) sind jetzt nicht wirklich aufschlussreich. Da wird zwar ein Umsatz genannt und ein 'Underlying operating profit', aber so mit einem 10-Q eines amerikanischen Unternehmens lässt sich das leider nicht vergleichen.
  6. In Deutschland nur sehr geringes Handelsvolumen an lediglich einem Börsenplatz (Frankfurt). D.h. wenn möglich sollte man bei Interesse in London shoppen gehen.
  7. Die Pensionsverpflichtungen muss man evtl. im Auge behalten. Für 2015 haben sie ein Defizit von 12.5 Mio genannt, für 2016 bereits 25.9 Mio.
  8. Die Höhe des Goodwill lässt noch einiges an Spielraum für Wertberichtigungen, was dann durchaus auch mal zu Verlusten führen kann.

Versuch einer Bewertung:

Wie immer: 3 Szenarien mit Umsatzwachstumsannahmen, FCF-Margen-Annahmen, zugestandenen FCF-Multiplikatoren, keiner großartigen Änderung bei der Anzahl der Aktien und passenden Wahrscheinlichkeitsverteilungen. Mit meinen Annahmen würde sich ein Wert von rund 1000 Pence ergeben, was ca. 20 % oberhalb des aktuellen Kurses liegt. Da die Annahmen meiner Meinung nach recht konservativ sind (zumindest im Branchenvergleich und auf die historischen Zahlen von Dignity bezogen) und ein gewisser Margin of Safety vorhanden ist, könnte man durchaus überlegen, sich jetzt einmal ein paar Anteilsscheine ins Depot zu legen.

Fazit:

Ich finde Dignity sehr interessant. Ich wollte schon immer einmal in dieser Branche investieren und denke, dass Dignity mein erstes diesbezügliches Investment werden könnte. Aktuell habe ich noch keine Aktien von ihnen, werde aber evtl. nach Veröffentlichung des Geschäftsberichts in ca. 2 Wochen zuschlagen. Auf jeden Fall beobachten sollte man die weiteren Entwicklungen in der Branche. D.h. steigt der Einfluss von Preisvergleichsportalen und werden die Preise in allen Segmenten sinken (d.h. auch bei gehobenen Beerdigungen und evtl. auch bei den Preisen der Krematorien).

Wichtiger Hinweis:

Die Zahlen wurden von mir selbst zusammengetragen und können Fehler enthalten. Für die Richtigkeit wird keine Gewähr übernommen. Dieser Artikel stellt nur eine Meinungsäußerung dar, aber keine Aufforderung zum Handeln in irgendeiner Art und Weise. Sollte sich jemand entschließen, in das genannte Wertpapier zu investieren, so sollte derjenige bzw. diejenige selbst entsprechende Nachforschungen und Überlegungen anstellen.